Critical und Incorrect

Rassismus unter dem Label der Meinungsfreiheit

In den letzten Jahren hat sich eine Tendenz Bahn gebrochen, die auch vor dem ZDF nicht haltmacht: Unter dem Label der Meinungsfreiheit fällt zusehends blanker Rassismus. Dieser wird gerne als Gegenhalten gegen Political Correctness gefeiert - von Sabine Schiffer

Von Mittwoch, 09.04.2014, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 11.04.2014, 1:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Rassisten und Rechtspopulisten jubeln. Zunächst über die Einladung ihres Idols Akif Pirinçci ins ZDF-Mittagsmagazin, dann über den Zensuranfall desselben. „Erwischt!“, unkt das Netz – zumindest dessen rechter Teil. Der Mitschnitt der Sendung verschwand aus der Mediathek. Die Denunziation der von Pirinçci behaupteten „grün-versifften Politik“ beibehaltend, wurde der Beitrag ohne die Bezeichnung der Grünen als „Kindersexpartei“ wieder veröffentlicht. Das Original in Youtube belegt den Zensurversuch des ZDF (hochgeladen etwa von der AfD).

Man muss sich fragen, ob die gefällig grinsende Moderatorin in ihrer Vorbereitung auf das Interview nicht auf Beiträge des Hoffierten auf der Achse des Guten gestoßen ist, wo dieser bereits seit Monaten eine Plattforum für seine verbalen Ausfälle bekommt: zum Beispiel mit einem Text vom 25.03.213 „Das Schlachten hat begonnen“ oder vom 11.05.2013 „Die Lügenpartei“. Unter Meinungsfreiheit fällt hier anscheinend das Ausbreiten von Fäkalsprache zur Unterfütterung von Allgemeinplätzen, wie sie Sarrazinanhänger und andere Rechtspopulisten gerne hören. Dass man als ZDF durch die Live-Ausstrahlung ausgerechnet eine Parodie auf den eigenen Leitspruch sendet, mutet da schon fast wie Selbstironie an: „Mit dem Arschloch sieht man besser“.

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Was mag die Programmverantwortlichen des ZDF dazu bewegt haben, diesen unflätig daher redenden Buchautor einzuladen und ihm dann kein journalistisches Gegenüber zu bieten? Wollte man nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die fehlende Staatsferne des ZDF nun durch Parteienschelte eine solche Staatsferne suggerieren? Da hätte es freilich intelligentere Gesprächspartner gegeben. Aber eine professionelle Moderatorin hätte schon auch noch etwas bewirken können.

Pirinçcis Fans auf der islamophoben Hass-Seite Politically Incorrect fühlen sich nicht nur in ihrer Beschimpfung „links-rot-grün-versiffter“ Politik und Medien bestätigt, sondern auch in dem, was sie über Türken und Muslime behaupten. Ein Kommentar zur wiederum plattformgebenden Bild am Sonntag lautet: „Er ist keineswegs deutscher als jeder Deutsche. Er ist türkischer Abstammung und kann nur deshalb halbwegs straffrei die Wahrheit schreiben.“ Die gute alte „Kronzeugenregelung“ lässt grüßen, nachdem es um die Necla Keleks und Bassam Tibis etwas ruhiger geworden ist.

Das ZDF sendet ja mitnichten alles, was es produziert. Und viele Themen werden erst gar nicht angenommen. Da kann niemand die Zensur ahnen. In den letzten Jahren hat sich jedoch eine Tendenz Bahn gebrochen, die auch vor dem ZDF nicht haltmacht: Unter dem Label der Meinungsfreiheit fällt zusehends blanker Rassismus. Dieser wird gerne als Gegenhalten gegen Political Correctness gefeiert.

Es ist aber nicht „politisch korrekt“, wenn man sich gegen Falschaussagen wie die folgende positioniert: „Als wir [aus der Türkei nach Deutschland] kamen, waren wir für die Deutschen da. Man wollte von meinen Eltern die Arbeitskraft. Das hat sich durch die grün-versiffte Politik, grün-rot-versiffte Politik alles umgedreht. Das Einwanderungsland ist jetzt für die Einwanderer da. Die nächste Stufe wird sein, dass man sie zu Heiligen oder sowas erklärt.“, so der heftig für sein Buch werbende Pirinçci im ZDF.

Es ist schlicht falsch. Seine Behauptungen widersprechen einfach jeder halbwegs seriösen Forschung zu Diskriminierungsstrukturen und der Faktenlage im Alltag. Allerdings machen seine ausgiebig genutzte Gossensprache und die Denunziationen auch deutlich, dass es ihm nicht um Seriosität geht. Ebensowenig wie dem ZDF anscheinend. Aktuell Meinung

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  1. Deutschländer sagt:

    Ausländer/ Muslime primitiv beleidigen und abkassieren.
    So einfach ist die Rechnung.
    Jeder der versucht gegen die deutsche Meinungshoheit/ Leitdiktatur in den Medien entgegen zu arbeiten wird kläglich scheitern.
    Mit Ansage!

  2. Volker Eigen sagt:

    Es ist wie immer ein Genus zu lesen wie die Presse ihre Meinung versucht dem Leser vorweg zu nehmen. Objektivität sind wohl ein Fremdwort.
    Ist ihnen bekannt das eine Unterstellung bei Friedman vor Gericht endete? „Das Original in Youtube belegt den Zensurversuch des ZDF (hochgeladen etwa von der AfD). “ wenn sie etwas nicht genau wissen, stellen sie es nicht in den Raum. Die Meinungsfreiheit wird alleine vom regierenden System vorgegeben. Warum Berichtet die Presse den nicht von den Montags Demos ? Zu DDR Zeiten war es ok, alles was dem System zum Vorteil reicht ist gut, alles andere wird nicht akzeptiert!

  3. E.S. sagt:

    Schwarz und Weiß – Gibt es bei einer (deutschen) Diskussion über das Thema Migration eigentlich noch irgendwelche Zwischentöne?

    Sind nicht Pirinçcis Thesen nur die Kehrseite dessen, was in zahlreichen deutschen Medien genau anderersherum Tag für Tag stattfindet, nämlich die Konstruktion eines ebenso grob vereinfachenden und simplifizierenden Bildes von der Zuwanderung und den Zuwanderern?

    Schon seit vielen Jahren vergeht kein einziger Tag, an denen große deutschen Medien nicht Artikel wie „Reich durch Einwanderung“ (Bade) am Fließband produzieren. Auch dort wird mal in der Einleitung das eine oder andere Konfliktchen erwähnt, aber der eigentlich Tenor ist immer der gleiche: „Heißt Zuwanderer aus aller Welt (uneingeschränkt) willkommen!“, „Werdet endlich Weltbürger oder zumindest Europäer und verlasst Euren provinzilellen (deutschen) Muff!“, „Euer Reichtum entsteht letztlich nur auf den Schultern (anderer), also seid solidarisch mit allen Zuwanderen, ohne die sich in naher Zukunft ohnehin kein einziges Rad mehr drehen wird!“ Wer soll sich auch solch „- schlauen“ – Argumenten, die mit dem Vorschlaghammer serviert werden, auch verschließen können?

    Simpel, einfach, holzschnittartig. Pirinçcis und seine Kritiker nehmen sich bei diesem Thena nichts. Gar nichts.

  4. Christa sagt:

    Mein liebes ES. Wo leben Sie denn? Nicht die Bades werden von den Medien gehypt und verkaufen Millionenauflagen, sondern die Sarrazins und Pirinccis. Wo ist der Tabubruch, wenn seit Jahr und Tag immer ins gleiche Füllhorn gestoßen wird und ein Bade mal hin und wieder was anderes zum Thema sagen darf als das übliche?

  5. Lionel sagt:

    Pirincci ist von den Printmedien (Taz, FAZ, Zeit) verrissen worden, der obligatorische Hitler- und Nazivergleich fehlte natürlich nicht.
    Ein Hype ist das nicht, das wäre ein positives Bewerben.
    Das Publikum offenbart aber am Ladentisch eine andere Meinung als die Leitmedien.

  6. Christa sagt:

    Alles ist Werbung! Dieses Dilemma bringt der Sternrezensent gut zum Ausdruck. Oder besser: ES und Lionel, denken Sie jetzt nicht an einen rosa Elefanten, denn der ist ganz ganz schlecht!

  7. E.S. sagt:

    @ Christa

    Das Problem ist, dass auch noch im Jahre 2014 abwägende und die vielfältigsten Aspekte berücksichtigende Diskussionen zum Thema Zuwanderung und Integration die absolte Ausnahme sind. Es gibt Interessenvereinigungen noch und nöcher, die sich ihren Standpunkt um die Ohren knallen. Schwatrz und Weiß dominieren, Grautöne – im Sinne von Ausgewogenheit – sind dagegen Mangelware.

    Für mich sind die so bunten Bilder und Tafeln, in denen es einzig und allein um den „Gewinn“ von Zuwanderung geht , ebenso platt, wie ihr Gegenstück, dem Entwerfen von Untergangsszenarien. Beides geht an der Realität vorbei und stimmt mit den konkreten Wahrnehmungen der meisten Menschen nicht überein. Und auch in der Art und Weise der wechselseitigen Wahrnehmung nehmen sich beide (extremen) Seiten nichts. Ja, man kann auch extreme Fernstenliebe betreiben – sich aber im Gegensatz zu den „unaufgeklärten“ Anderen als Musterbeispiel der Ausgeklärtheit und Fortschrittlichkeit dünken.

    Es ist auch immer die Frage, wie ich in etwas hineingehe – mit Schaum vor dem Mund oder als Kritiker unter Kritikern. Man kann auch mit einem M. oder S. hart ins Gericht gehen und trotzdem ohne Klischees auskommen. Frau Schiffer mit ihrer „gefällig grinsende(n) Moderatorin“ kann es anscheinend nicht.

  8. r sagt:

    Eine sehr wahre Feststellung, Frau Schiffer!
    Unter dem Etikett der Meinungsfreiheit und auch der „Religionskritik“ wird heute gerade über die öffentlich-rechtlichen übelste Stimmungsmache gegen Minderheiten, Andersgläubige und alles Fremde gemacht. Wo bleibt die Seriosität? Wo bleibt die Rationalität? Das alles geht auf Kosten derjenigen, die stets Zielscheibe dieser „Kritiker“ sind und sich im Alltag damit herumschlagen müssen. Das grenzt alles an Schikane. Genauso diese Scheindebatten um den Islam, um Zuwanderung, um Sinti und Roma, um wasweisich. Es geht dabei nie um sachliches Diskutieren oder gar um Findung einer Lösung. Nein, diese „Debatten“ (wohl eher öffentliche Pranger) bezwecken ausschließlich die Bedienung von Clichés – niedrigstes Niveau !!

  9. Mika sagt:

    Wieder einer, der es geschafft hat, auf den Rücken von Migranten seine narzisstische Profilierungssucht erfolgreich durch die deutsche Medienlandschaft durchzudrücken. Letztendlich geht es ihm doch nur um die Auflage!