Weihnachten
Märchen vom Auszug aller „Ausländer“
Was bleibt vom bunten Treiben weihnachtlicher Zeit, wenn alle, aber wirklich alle Ausländer Deutschland verlassen? Helmut Wöllenstein hat sich Gedanken darüber gemacht. Hier das Szenario:
Von Helmut Wöllenstein Freitag, 20.12.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 16.01.2014, 1:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Es war einmal, etwa drei Tage vor Weihnachten, spät abends. Über dem Marktplatz der kleinen Stadt kamen ein paar Männer gezogen. Sie blieben an der Kirche stehen und sprühten auf die Mauer die Worte „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“. Steine flogen in das Fenster des türkischen Ladens gegenüber der Kirche. Dann zog die Horde ab. Gespenstische Ruhe.
Die Gardinen an den Fenstern der Bürgerhäuser waren schnell wieder zugefallen. Niemand hatte etwas gesehen.
– „Los kommt, wir gehen.“
– „Wo denkst Du hin! Was sollen wir denn da unten im Süden?“
– „Da unten? Da ist doch immerhin unsere Heimat. Hier wird es schlimmer. Wir tun, was an der Wand steht: ´Ausländer raus´ !“
Tatsächlich: Mitten in der Nacht kam Bewegung in die kleine Stadt. Die Türen der Geschäfte sprangen auf. Zuerst kamen die Kakaopäckchen, die Schokoladen und Pralinen in ihrer Weihnachtsverkleidung. Sie wollten nach Ghana und Westafrika, denn da waren sie zu Hause.
Dann der Kaffee, palettenweise, der Deutschen Lieblingsgetränk: Uganda, Kenia und Lateinamerika waren seine Heimat. Ananas und Bananen räumten ihre Kisten, auch die Trauben und Erdbeeren aus Südafrika. Fast alle Weihnachtsleckereien brachen auf. Pfeffernüsse, Spekulatius und Zimtsterne, die Gewürze aus ihrem Inneren zog es nach Indien.
Der Dresdner Christstollen zögerte. Man sah Tränen in seinen Rosinenaugen, als er zugab: Mischlingen wie mir geht´s besonders an den Kragen. Mit ihm kamen das Lübecker Marzipan und der Nürnberger Lebkuchen. Nicht Qualität, nur Herkunft zählte jetzt.
Es war schon in der Morgendämmerung, als die Schnittblumen nach Kolumbien aufbrachen und die Pelzmäntel mit Gold und Edelsteinen in teuren Chartermaschinen in alle Welt starteten.
Dieses Märchen wurde dem folgenden Buch entnommen.
Der Verkehr brach an diesem Tag zusammen … Lange Schlangen japanischer Autos, vollgestopft mit Optik und Unterhaltungselektronik, krochen gen Osten. Am Himmel sah man die Weihnachtsgänse nach Polen fliegen, auf ihrer Bahn gefolgt von den Seidenhemden und den Teppichen des fernen Asiens. Mit Krachen lösten sich die tropischen Hölzer aus den Fensterrahmen und schwirrten ins Amazonasbecken.
Man musste sich vorsehen, um nicht auszurutschen, denn von überall her quoll Öl und Benzin hervor, floss in Rinnsalen und Bächen zusammen in Richtung Naher Osten. Aber man hatte ja Vorsorge getroffen. Stolz holten die deutschen Autofirmen ihre Krisenpläne aus den Schubladen: Der Holzvergaser war ganz neu aufgelegt worden. Wozu ausländisches Öl?! – Aber die VW´s und BMW´s begannen sich aufzulösen in ihre Einzelteile, das Aluminium wanderte nach Jamaika, das Kupfer nach Somalia, ein Drittel der Eisenteile nach Brasilien, der Naturkautschuk nach Zaire. Und die Straßendecke hatte mit dem ausländischen Asphalt auch immer ein besseres Bild abgegeben als heute.
Nach drei Tagen war der Spuk vorbei, der Auszug geschafft, gerade rechtzeitig zum Weihnachtsfest. Nichts Ausländisches war mehr im Land. Aber Tannenbäume gab es noch, auch Äpfel und Nüsse. Und die „Stille Nacht“ durfte gesungen werden – Allerdings nur mit Extragenehmigung, das Lied kam immerhin aus Österreich! Feuilleton Leitartikel
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Dazu gab es auch noch ein Hörspielfassung in 10 Sprachen mit Textheft, damals vom Hessischen VHS-Verband. Damals, als VHSen des Öfteren noch öffentlich Politisches sagten!
Weihnachten wird hierzulande seit etwa 1500 Jahren gefeiert. Weihnachten wurde auch gefeiert, als, wie an anderer Stelle bereits bemerkt wurde, selbst Mehl nur auf Bezugsschein erhältlich war. (Aus dieser Zeit stammt ein hervorragendes Haferflocken-Plätzchen-Rezept meiner Großmutter), Weihnachten wird auch da gefeiert, wo die ganzen ausländischen Nahrungsmittel herstammen. (Schokolade stammt übrigens ursprünglich nicht aus Afrika, sondern aus Mexiko, Kaffee hingegen stammt ursprünglich aus Äthiopien. Und die Zitrusfrüchte stammen ursprünglich aus Südost-Asien.
Würden die Import-Lebensmittel also in ihre Ursprungsländer abhauen, um dem Weihnachtsrummel zu entfliehen, könnte es ihnen ergehen, wie einem Bekannten von mir, der vor ein paar Jahren dem Weihnachtsrummel nach Thailand entfliehen wollte, um dort die schrillsten Weihnachtsdekorationen und die süßlichsten Weihnachts-Schlager über sich ergehen zu lassen.
In diesem Sinn, fröhliche Weihnachten, oder zumindest erholsame Feiertage
wünscht posteo
PS: Das Lied „Stille Nacht“ ist gemeinfrei (=ohne Copyright) und nebenbei ist es auch das in die meisten Sprachen übersetzte Lied der Welt (Auch in Urdu und Farsi erhältlich). Deshalb wurde es auch 2011 zum Weltkulturerbe erklärt.
posteo,
sie haben ja überhaupt nichts verstanden! ja, es stimmt zwar, dass die ganzen nahrungsmittel in ihren ländern ebenfalls weihnachten hätten, sie hätten dort aber – und darum geht es – keine Ausländerfeindlichkeit. aber hauptsache mal was geblabbert.
Lieber Ömer,
ich wünsche Ihnen trotzdem schöne und erholsame Feiertage.
posteo