Bundestagswahl 2013

NSA statt NSU beim TV-Duell

Mehr als zehn Millionen Fernsehzuschauer verfolgten das TV Kanzlerduell am Sonntagabend und etwa jeder Zehnte dürfte dabei in die Röhre geschaut haben - so viele Wähler haben laut Statistischem Bundesamt einen Migrationshintergrund.

Von Montag, 02.09.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 04.09.2013, 21:30 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

90 Minuten Wirtschaftskrise, Energie-, Renten- und Pflegereform, Arbeitsmarkt, Krankenversicherung, Mindestlohn, Deutsche Militärbeteiligung Syrien und NSA. Nicht nur der größte Sicherheitsskandal in der Bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte mit end- und beispiellosen „Pannen“ wurde beim Kanzlerduell von den Moderatoren komplett ausgeblendet, sondern auch wichtige integrations- und migrationspolitische Fragen.

Dabei hätte es Gelegenheit genug gegeben, elegant von der NSA zu NSU überzuleiten, zumal neo-nationalsozialistisch motivierte Morde eine ganz andere Qualität haben. Es wäre sehr interessant gewesen zu erfahren, was Merkel zu der bisher ausgebliebenen Aufklärung zu sagen hat, ob sie ihr Versprechen, lückenlos aufzuklären, als erfüllt sieht und, mit welchen Reformen sie die Sicherheit der Menschen mit ausländischen Wurzeln gewährleisten möchte. Und was hätte Steinbrück anders gemacht etwa in Bezug auf Rechtsextremismus und Rassismus, die die Republik in diesen Tagen wieder verstärkt beschäftigt.

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Ebenso wäre es ein Leichtes gewesen, vom Fachkräftemangel im Pflegesektor zu der Frage überzuleiten, wie Merkel und Steinbrück Deutschland attraktiv für Fachkräfte aus dem Ausland machen wollen, die immer noch einen großen Bogen um die Republik machen. Oder von einem möglichen Militärschlag gegen Syrien mit deutscher Beteiligung überzuleiten zu der Frage, welche Verantwortung Deutschland und Europa gegenüber Flüchtlingen aus der Region trägt und wie sie diesem nachzukommen gedenkt.

Anstelle sich diesen Fragen zu stellen, durfte Merkel gleich zu Beginn auf die überflüssige und rhetorische Steilvorlage antworten, zu welchem Ergebnis der Wahl-O-Mat bei ihr kommt. Auch sonst durften die Kanzlerkandidaten ihre teilweise inhaltsleeren Phrasen mehrmals wiederholen, ohne unterbrochen zu werden. Ob man dafür vier Moderatoren braucht, ist eine andere Frage.

Die Kritik geht aber auch an Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Beide haben es versäumt, diese Themen anzusprechen – Gelegenheit hatten auch sie genug. Themen, die nicht nur für die 5,8 Millionen Wähler mit Migrationshintergrund sehr wichtig sind und wahlentscheidend sein können, ganz abgesehen davon, dass ihnen – nicht nur aus statistischen Gründen – neun der 90 Minuten zugestanden hätten.

Resümee des Abends: Ersten Umfragen der ARD zufolge haben 49 Prozent der Zuschauer Steinbrück und 44 Prozent Merkel als Gewinner des Abends gesehen. Nach den großen Verlierern wurde offensichtlich nicht gefragt. Leitartikel Meinung

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  1. Ky van Rae sagt:

    Auch, wenn ich in großen Teilen Ihrem Artikel zustimme, Herr Senol, so möchte ich doch einiges aufgreifen.
    Zum Thema Fachkräftemangel in Deutschland und Fachkräfte aus dem Ausland. Sollte nicht zunächst da Potential, das Deutschland selber hat, ausgeschöpft werden?! Es gibt hier genügend junge Leute, mit und ohne Migrationshintergrund, die gern in diese Bereiche gehen würden, die aber aus diversen Gründen ausgesiebt werden bzw. unsere Wirtschaft eigentlich gar keine Lust hat, Geld in die Ausbildung von Fachkräften zu investieren. Da ist es im Übrigen ganz egal ob der junge Mensch Migrationshintergrund hat oder nicht.

    Zum Thema Rechtsextremismus und Rassismus. Das ist ein wichtiges Thema, keine Frage. Hier vermisse ich aber die Diskussion innerhalb der Migrantengruppen, leider hier besonders die Gruppe der Deutsch-Russen, Deutsch-Polen und Deutsch-Türken hervorhebend, über den Rassismus in diesen Gruppen. Es kann nicht sein, dass jeder, der fragt oder kritisiert sofort mit der Nazi- oder Rassismuskeule mundtot gemacht werden soll. Und, das muss ich leider sagen, besonders bei den männlichen Vertretern der o.g. Gruppen gibt es ein enormes Rassismusproblem.

    Entweder wir wollen ein gemeinsames Ganzes sein oder wir wollen es nicht. Und wenn es danach geht, wer es alles wert ist Minuten in einem „Kanzlerduell“ zu sein, da sind so einige Gruppen nicht erwähnt worden.

  2. Der Weise sagt:

    „90 Minuten Wirtschaftskrise, Energie-, Renten- und Pflegereform, Arbeitsmarkt, Krankenversicherung, Mindestlohn, Deutsche Militärbeteiligung Syrien und NSA.“

    Und das alles interessiert in Deutschland lebende Migranten nicht, oder wie darf man das verstehen?

  3. Soli sagt:

    @Der Weise – scheinbar nimmt der autor tatsächlich an, dass Deutsche mit Migrationshintergrund sich vor allem über Migrationsthemen unterhalten.
    Dann noch die „statistischen“ 9 Minuten abverlangen und fertig.

    Bezüglich der „Wahlentscheidenden“ 5,8 Millionen sei nur gesagt – die Wahlbeteiligung (auhc wenn sie schwer messbar ist da wir nur sehr begrenzt exit-polls haben) bei Migranten oder EU-Ausländern ist deutlich geringer als Deutschen ohne solch einen Hintergrund. Auf kommunaler Ebene war ma lvon einer Quoete von nicht mal 20% die Rede.
    „Wahlentscheidend“ ist im übrigen keine einzige Stimme, denn Wahlentscheidend sind ALLE Stimmen, da alle gleich viel Wert. So wie sie das schreiben könnte man denken die Migranten als „Block“ würden die Wahl beeinflussen, da aber innerhlab dieser gruppe eine ebengleiche Verteilung wie bei allen anderen Wählern vorliegt ist das schlicht falsch.

  4. TaiFei sagt:

    Ky van Rae sagt:
    2. September 2013 um 14:05
    „Und, das muss ich leider sagen, besonders bei den männlichen Vertretern der o.g. Gruppen gibt es ein enormes Rassismusproblem.“
    Nur wird dieses „Rassismusproblem“ nicht staatlich sanktioniert. Das ist der entscheidende Unterschied. Rassistische Idioten gibt es überall, wenn sie aber in Polizei, Justiz, Gestapo-Nachfolgeorganisationen und Politik sitzen dann erst haben wir eine gesellschaftliches Problem. Das ist bei Ihren erwähnten Gruppen aber genau nicht der Fall.

  5. Hakan sagt:

    @Der Weise
    Ich kann im Text nichts finden darüber, dass der Autor behauptet hätte, die Themen des Abends interessierten Migranten nicht. Ich lese vielmehr die Kritik, dass Zeit vergeudet wurde. Und das sehe ich genauso.

    @soli
    Ich kann im Text nichts finden darüber, dass der Autor behauptet hätte, Migrantenthemen seien wahlentscheidend. Ich lese vielmehr, dass diese Themen für Migranten wahlentscheidend sein „können“ im Sinne von welche Partei sie wählen.

  6. Die Emotionale sagt:

    Ich hatte mir die „Wahlsendung“ aufgezeichnet, denn an diesem Abend hatte ich keine Zeit TV zu sehen.

    Am nächsten Tag habe ich nach einer viertel Stunde diese ganze „Werbesendung“ gelöscht! Warum? Alle Jahre wieder bei dieser Gelegenheit die gleichen Rituale, die gleichen lächerlichen Aussagen und nur „heisse Luft“. Themen, die wirklich interessant gewesen wären? Null! Politiker ohne Biss, nur Gelaber.

    Ich habe regierungsfähige Politiker vermisst. Deutschland schafft sich ab, mit diesen „Bewerbern“ zwangsweise.

    Zu Merkel nur so viel: Wenn sie noch eine Legislaturperiode ganz durchstehen will muss sie weiterhin „weichgespült“ bleiben, denn sonst ist ihr „ruhiger“ Renteneintritt in Gefahr. Ich schäme mich, eine Deutsche zu sein :(

  7. Soli sagt:

    @Hakan – ich gebe Ihnen Recht, der Absatz ist nicht ganz eindeutig formuliert, ihre Interpretation wäre ebenso möglich.

  8. Marie sagt:

    Also, da muss ich jetzt mal widersprechen – ich habe im Beitrag gelesen, dass diese Themen wahlentscheidend sein könnten – und ich gebe dem Autor da völlig recht. Diese Themen können nicht nur für Migranten wahlentscheidend sein, sie sind es auch für jeden Nicht-Migranten bzw. „Biodeutschen“, der den strukturellen Rassismus in diesem Lande ablehnt und zutiefst verabscheut. Und davon ausgehend, dass bei den derzeitigen Umfrageergebnissen diejenigen, die noch keine Entscheidung getroffen haben, sehr wohl den Ausgang der Wahl entscheiden können, können derartige Themen, die keineswegs nur Menschen mit ausländischen Wurzeln bewegen, sehr wohl letztlich wahlentscheidend sein. Dass keiner der Kandidaten auch nur ein Wort zu diesem unglaublichen Skandal gesagt hat, (der immer mit angeblichem „Versagen“ bzw. angeblichen „Pannen“ verniedlicht wird, um die entsetzliche Wahrheit eines zutiefst rassistischen Sicherheitsapparates, der Neonazis finanziert und rekrutiert, sie vor Razzien warnt, trotz Haftbefehl nicht festnimmt, belastende Beweismittel schreddert und sich am Aufbau der Neonazinetze mit Geld und Tat beteiligt, nicht zu benennen), das setzt dem staatlichen Skandal die Krone auf. Ungeheuerlich, das Ganze.