90 Minuten Wirtschaftskrise, Energie-, Renten- und Pflegereform, Arbeitsmarkt, Krankenversicherung, Mindestlohn, Deutsche Militärbeteiligung Syrien und NSA. Nicht nur der größte Sicherheitsskandal in der Bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte mit end- und beispiellosen „Pannen“ wurde beim Kanzlerduell von den Moderatoren komplett ausgeblendet, sondern auch wichtige integrations- und migrationspolitische Fragen.
Dabei hätte es Gelegenheit genug gegeben, elegant von der NSA zu NSU überzuleiten, zumal neo-nationalsozialistisch motivierte Morde eine ganz andere Qualität haben. Es wäre sehr interessant gewesen zu erfahren, was Merkel zu der bisher ausgebliebenen Aufklärung zu sagen hat, ob sie ihr Versprechen, lückenlos aufzuklären, als erfüllt sieht und, mit welchen Reformen sie die Sicherheit der Menschen mit ausländischen Wurzeln gewährleisten möchte. Und was hätte Steinbrück anders gemacht etwa in Bezug auf Rechtsextremismus und Rassismus, die die Republik in diesen Tagen wieder verstärkt beschäftigt.
Ebenso wäre es ein Leichtes gewesen, vom Fachkräftemangel im Pflegesektor zu der Frage überzuleiten, wie Merkel und Steinbrück Deutschland attraktiv für Fachkräfte aus dem Ausland machen wollen, die immer noch einen großen Bogen um die Republik machen. Oder von einem möglichen Militärschlag gegen Syrien mit deutscher Beteiligung überzuleiten zu der Frage, welche Verantwortung Deutschland und Europa gegenüber Flüchtlingen aus der Region trägt und wie sie diesem nachzukommen gedenkt.
Anstelle sich diesen Fragen zu stellen, durfte Merkel gleich zu Beginn auf die überflüssige und rhetorische Steilvorlage antworten, zu welchem Ergebnis der Wahl-O-Mat bei ihr kommt. Auch sonst durften die Kanzlerkandidaten ihre teilweise inhaltsleeren Phrasen mehrmals wiederholen, ohne unterbrochen zu werden. Ob man dafür vier Moderatoren braucht, ist eine andere Frage.
Die Kritik geht aber auch an Bundeskanzlerin Angela Merkel und SPD Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Beide haben es versäumt, diese Themen anzusprechen – Gelegenheit hatten auch sie genug. Themen, die nicht nur für die 5,8 Millionen Wähler mit Migrationshintergrund sehr wichtig sind und wahlentscheidend sein können, ganz abgesehen davon, dass ihnen – nicht nur aus statistischen Gründen – neun der 90 Minuten zugestanden hätten.
Resümee des Abends: Ersten Umfragen der ARD zufolge haben 49 Prozent der Zuschauer Steinbrück und 44 Prozent Merkel als Gewinner des Abends gesehen. Nach den großen Verlierern wurde offensichtlich nicht gefragt.