Ausländerpolitik in den 80ern

Eingliederung der Ausländer weder möglich noch wünschenswert

Dass Altkanzler Helmut Kohl jeden zweiten Türken loswerden wollte, ist nicht neu. In den frühen 80ern wurden über diese und weitere Pläne offen diskutiert. MiGAZIN veröffentlicht in einer neunteiligen Serie eine Bonner Debatte aus dem Jahr 1982 in voller Länge.

Mittwoch, 07.08.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 13.08.2013, 1:15 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die vermeintliche Enthüllung von Der Spiegel über Altkanzler Helmuth Kohl, dass er einem Gesprächsprotokoll vom 28. Oktober 1982 zufolge jeden zweiten Türken „loswerden“ wollte, schlug hohe Wellen. Dabei ist diese „Enthüllung“ nicht einmal ein offenes Geheimnis. Kohl hat sein Vorhaben nicht nur mit Margaret Thatcher geteilt, sondern in die Tat umgesetzt. Mit der allseits bekannten Rückkehrprämie im Jahr 1983 wollte er nichts anderes, als die Türken „loswerden“.

Auch sonst wurden Debatten in den 80ern rund um die Türken, über ihre Integrationswillig- und Integrationsfähigkeit, offen geführt, wie ein Plenarprotokoll vom 4. Februar 1982 des Deutschen Bundestages in Bonn dokumentiert. Selbst über die Assimilationsfähigkeit der Türken wurde im Plenarsaal offen sinniert. Von Ausnahmen abgesehen seien Türken „nicht zu assimilieren“, beschwerte sich etwa der ehemalige Vorsitzende der CDU/CSU Bundestagsfraktion.

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Aus Gettos wurden Parallelgesellschaften
Vieles, was damals gesagt wurde, wäre heute kaum vorstellbar. So etwa die Ablehnung der Unionspolitiker, Ausländern einen Anspruch auf Einbürgerung einzuräumen oder ihre Kinder in Ausländerklassen zu stecken. Doch zeigt diese Debatte aus den 80ern auch, dass sich manche Themen über mehr als 30 Jahre gehalten haben – fast unverändert. Während man heute von Parallelgesellschaften redet, sprach man in den 80ern von „Gettos“, statt Integrationspolitik dominierte noch die „Ausländerpolitik“ und die Familienzusammenführung war den Parteien schon vor 30 Jahren ein Dorn im Auge, die heute an Sprachkenntnisse geknüpft ist und Gegenstand eines Vertragsverletzungsvefahrens der EU gegen Deutschland ist.

Die Serie: Lesen Sie heute die Rede des SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Eberhard Urbaniak in voller Länge.

MiGAZIN veröffentlicht die Redebeiträge dieser Debatte aus dem Jahr 1982 in voller Länge – inklusive den Zwischenrufen der Abgeordneten – in einer neunteiligen Serie. Gegenstand der Beratungen war eine Große Anfrage der damaligen Regierungskoalition SPD und FDP sowie ein Antrag der beiden Regierungsfraktionen mit Altkanzler Helmut Schmidt an der Spitze. Darin forderte Rot-Gelb unter anderem die Aufrechterhaltung des Anwerbestopps, die Beibehaltung der Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt und eine bundeseinheitliche Regelung des Familiennachzuges.

Erhaltung der Identität – aber bitte im Ausland
In einem weiteren Antrag der Oppositionsparteien stellen CDU und CSU fest, dass die Eingliederung der Ausländer „weder möglich noch in beiderseitigem Interesse wünschenswert“ ist. So soll etwa die „Zusammenführung von Familien […] in erster Linie durch Förderung der Rückkehr in die Heimat bewirkt werden“. Außerdem seien die „Bemühungen der Ausländer um Erhaltung ihrer nationalen Identität“ anzuerkennen – im Ausland. Entsprechend sollten in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern Programme entwickelt und durchgesetzt werden, um Ausländern die Rückkehr in ihre Heimatländer zu erleichtern. „Hierbei ist etwa an die Kapitalisierung der in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften“ zu denken.

Am 4. Oktober 1982 löste Helmut Kohl die rot-gelbe Regierung ab und koalierte mit der FDP. Unter seiner Leitung trat im November 1983 das Rückkehrhilfegesetz (die sogenannte Rückkehrprämie) in Kraft. Damit sollte der Wegzug von arbeitslosen Ausländern aus der Bundesrepublik gefördert werden. Das Gesetz sah eine finanzielle Rückkehrhilfe vor in Höhe von 10.500 DM zuzüglich 1.500 DM je Kind vor. Damit wurden die gesetzlichen Rentenversicherungen um rund 1,5 Milliarden DM entlastet, da den Ausländern nur die von ihnen selbst geleisteten Arbeitnehmerbeiträge, nicht aber die Arbeitgeberanteile ausgezahlt wurden.

Rückkehrhilfegesetz heute noch gültig
Am 30. Juni 1984 lief die Frist für einen Antrag auf Rückkehrhilfe aus, doch ist das Gesetz heute noch gültig. Es gibt rückkehrinteressierten Ausländern einen Rechtsanspruch auf Beratung. „Rückkehrwillige Ausländer sind auf Verlangen über allgemeine Rückkehrbedingungen zu beraten“, heißt es darin. (es) Leitartikel Politik

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  1. Kigili sagt:

    Viel hat sich seit 1982 an der wesentlichen Gesinnung und Politik des deutschen Staates nicht geändert. Der alte Rassismus in neuem Gewand besteht fort.

  2. Lionel sagt:

    Wie das MiGAZIN feststellt und die verlinkte Rede des Abgeordneten Urbaniak sowie der Antrag der CDU/CSU-Fraktion zeigen, wurde über die angeblichen Geheimpläne Kohls zur Rückkehrförderung tatsächlich ganz offen gesprochen.
    (West-)Deutschland befand sich Anfang der 80er in einer Wirtschaftskrise (1,8 Mio Arbeitslose), trotz des Anwerbestopps 1973 hatte sich die Anzahl der türkischen Staatsangehörigen seitdem bis 1981 um 70% erhöht und viele der ehemaligen Gastarbeiter mussten ihre Aufenthaltsgenehmigung alle 2 Jahre verlängern lassen.

    Es wurde ja keine Einwanderungsabkommen, sondern Abkommen über die zeitlich befristete Entsendung von Arbeitskräften geschlossen.
    Viele der so bezeichneten Gastarbeiter wollten auch Anfang der 80er nicht dauerhaft bleiben, sondern bekundeten ihre Absicht zur Rückkehr.

    Vor diesem Hintergrund ist die damalige Debatte zu sehen – zudem sicher die Mehrheit der deutschen Bevölkerung die Umwandlung ihres Staates in ein Einwanderungsland deutlich ablehnte.

  3. Werner sagt:

    Würde zu einer ausgewogenen „Berichterstattung“ nicht auch gehören, wie die Zuwanderung in der Türkei diskutiert wurde?

    Wurde das Thema jemals im türkischen Parlament besprochen? In politischen Kreisen? Das wäre doch auch mal interessant und würde verhindern, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird („Rassismus“ und so)

  4. Pauler sagt:

    Ist heute noch schlimmer als damals … nur macht die Politik einen Bogen darum, ihre eigene Verlogenheit zu thematisieren. Allein an den Einreisebestimmungen für Bürger christlich dominierter afrikanischer Staaten wird klar und deutlich, dass es nicht im Integrationswillen geschweige denn -fähigkeit geht, sondern allein um die Kapital- und Leistungsstärke der Aufzunehmenden … Familienzusammenführungen werden durch Sprachtests erschwert, deren Voraussetzungen in den meisten Fällen im Herkunftsland kaum zu realisieren sind … Die Zumutbarkeiten verstoßen gegen Menschenrechte und die Europäischen Richtlinien …
    Die CDU/CSU haben 92 gezielt die Progrome in Lichtenhagen provoziert, um künstlich einen derartigen Notstand zu generieren, der auch die bis dahin unwillige SPD zu den geplanten Gesetzen für die Erschwerung der Zuwanderung zu bewegen. Das Recht auf Asyl existiert nur auf dem Papier und ist de facto unwirksam. So kann man Asyl nur auf deutschem Hoheitsgebiet und nicht in den deutschen Botschaften beantragen, wie es die Bürger der DDR einst noch durften. Flughäfen sind vom deutschen Hoheitsgebiet ausgenommen, obwohl diese sehr wohl in den Zuständigkeitsbereich der deutschen Exekutive fällt.

    So unsympathisch Kohl mir immer gewesen ist und sein wird, so muss man der Politik der 80er noch zugute halten, dass sie bei weitem nicht so verlogen und dreist ihre Funktion zu alleinigem Machterhalt und der Bereicherung, dem Verrat und Diebstahl am eigenen Volk erfüllt, wie sie es heutzutage professionell und in institutioneller Weise auf hochkriminelle Art und Weise betreibt.

  5. Kigili sagt:

    „So unsympathisch Kohl mir immer gewesen ist und sein wird, so muss man der Politik der 80er noch zugute halten…“
    Kohl war Bundeskanzler bis 1998 und somit verantwortlich auch für die rassistische Politik der 90er Jahre. Er war 16 Jahre Bundeskanzler. Während seiner Zeit passierten die meisten Pogrome und rassistischen Morde in der Geschichte der Bundesrepublik, passierten Hoyerswerda, Rostock Lichtenhagen, Mölln Solingen, ganz zu schweigen von den krankenhausreif Verprügelten und vielen anderen rassistischen Untaten, die von der deutschen Polizei nicht als rassistisch verschleiert wurden, die wir alle schon leider verdrängt und vergessen haben, weil dies auch vom deutschen Staat gewollt ist, nicht im Schulunterricht auch nur annähernd thematisiert und im gesellschaftlichen Leben aufgearbeitet und angemahnt wird. Wenn ich mich an diese rassistische Zeit erinnere, muss ich auch immer an die Worte von Mevlüde Genc, die den Verlust ihrer zwei Enkelinnen, Saime war gerade mal vier Jahre alt, ihrer Nichte und ihrer beiden Töchter ertragen musste, denken. Sie hätte genauso gut meine Mutter sein können: „Man kommt nur einmal zur Welt, ein Blatt wächst nur einmal, aber meine Kinder sind gefallen, bevor sie alt und verwelkt waren.“ sagte sie. Nicht H. , sondern Helmut Kohl mit seinem von ihm verwendeten Unwort „Beileidstourismus“ ist für mich die Personifizierung des deutschen Rassismus.

  6. Ali sagt:

    Hallo,ich weiss aktuell nicht,ob mein Kommentar veröffentlich wird oder nicht.Ich schreibe trotzdem ,etwas von meinen Erfahrungen mit den Deutschen.
    Ich lebe seit ca.37 Jahren hier in Deutschland ,ich habe die Sprache gelernt,ich habe nie etwas kriminelles getan,ich hatte jeden Deutschen respektiert….
    Ich habe sogar,um meinen Arbeitsplatz nicht zu gefährdenmit meinen deutschen Arbeitkollegen“Schweinefleisch mit gegessen“.Ich habe,weil meine Arbeitskollegen gesoffen hatten ,mitgesoffen.Ich wollte nicht negativ unter denen auffallen.Ich dachte,ich hätte alle Punkte der Integration erfüllt.Doch die Wahrheit war anders.Ich wurde nie auf ihren Geburtstagsfesten , Grillpartien oder einfaches Zusammentreffen bei denen im hause eingeladen.Ich bekam ihre Parties nur nebenbei mit.Ich wurde nur damit beschwichtigt,dass ich nicht so wäre wie die anderen Türken…..
    Ich hatte mir soviel Mühe gegeben,dass ich gefahr lief meine eigene Identität zu verlieren.Jetzt ist aber Schluss!! […] Die Deutschen kriegen probleme befehle von einem Türken zu empfangen.Die Deutschen kriegen komplexe ,wenn ein Türke ein schöneres HAus als sie selber haben.Es gibt so vieles,doch dafür reicht meine Zeit nicht aus,alles aufzuzählen.Die wissen auch,dass sie auf uns angewiesen sind,denn wer soll ihre Renten zahlen,wenn sie soweit sind?Der Deutsche NAchwuchs ist fast gleich Null. […]

  7. Die Emotionale sagt:

    @ Ali

    „Die Deutschen kriegen komplexe ,wenn ein Türke ein schöneres HAus als sie selber haben.Es gibt so vieles,doch dafür reicht meine Zeit nicht aus,alles aufzuzählen.Die wissen auch,dass sie auf uns angewiesen sind,denn wer soll ihre Renten zahlen,wenn sie soweit sind?Der Deutsche NAchwuchs ist fast gleich Null. […]“

    Mein erster Gedanke war, als ich Ihren Kommentar gelesen habe, „was hat dieser Mann mitgemacht“, aber als ich dann weiterlas, was Sie zum Schluss geschrieben haben, war es mit meinem Mitgefühl vorbei.

    Auch Deutsche haben Gefühle und sie merken schnell, wenn ihnen etwas vorgespielt wird. Schon alleine das Wort „mitgesoffen“ hat mich abgestossen….. In welchen Kreisen sind Sie verkehrt, um so eine Nicht-Deutsche-Ausdrucksweise zu „pflegen“, so „spricht“ das Prekariat!!!!!

    Warum sind Sie nicht Sie selbst geblieben? Ich mag es z.B. überhaubt nicht, wenn jemand angibt, und meint er wäre etwas besseres; es gibt immer einen Reicheren über mir, warum sollte ich diesem seine materiellen Güter neiden, sie sind sowieso – gesehen auf die Ewigkeit – nur gliehen, keiner nimmt etwas mit. Wir gehen alle naggelisch von dieser Welt, so wie wir bei der Geburt gekommen sind. Und jeder der mehr als ein Schnitzel zu einer Mahlzeit isst, dem wird es auch schlecht, genau wie mir, lol ;-)

    Es gibt ein deutsches Sprichwort :

    Fröhlisch sein, Gutes tun und die Spatzen pfeiffen lassen“

    Leben Sie danach und Sie werden erfolgreich sein, so oder so :-)