Ausländerpolitik in den 80ern

Eingliederung der Ausländer weder möglich noch wünschenswert

Dass Altkanzler Helmut Kohl jeden zweiten Türken loswerden wollte, ist nicht neu. In den frühen 80ern wurden über diese und weitere Pläne offen diskutiert. MiGAZIN veröffentlicht in einer neunteiligen Serie eine Bonner Debatte aus dem Jahr 1982 in voller Länge.

Die vermeintliche Enthüllung von Der Spiegel über Altkanzler Helmuth Kohl, dass er einem Gesprächsprotokoll vom 28. Oktober 1982 zufolge jeden zweiten Türken „loswerden“ wollte, schlug hohe Wellen. Dabei ist diese „Enthüllung“ nicht einmal ein offenes Geheimnis. Kohl hat sein Vorhaben nicht nur mit Margaret Thatcher geteilt, sondern in die Tat umgesetzt. Mit der allseits bekannten Rückkehrprämie im Jahr 1983 wollte er nichts anderes, als die Türken „loswerden“.

Auch sonst wurden Debatten in den 80ern rund um die Türken, über ihre Integrationswillig- und Integrationsfähigkeit, offen geführt, wie ein Plenarprotokoll vom 4. Februar 1982 des Deutschen Bundestages in Bonn dokumentiert. Selbst über die Assimilationsfähigkeit der Türken wurde im Plenarsaal offen sinniert. Von Ausnahmen abgesehen seien Türken „nicht zu assimilieren“, beschwerte sich etwa der ehemalige Vorsitzende der CDU/CSU Bundestagsfraktion.

___STEADY_PAYWALL___

Aus Gettos wurden Parallelgesellschaften
Vieles, was damals gesagt wurde, wäre heute kaum vorstellbar. So etwa die Ablehnung der Unionspolitiker, Ausländern einen Anspruch auf Einbürgerung einzuräumen oder ihre Kinder in Ausländerklassen zu stecken. Doch zeigt diese Debatte aus den 80ern auch, dass sich manche Themen über mehr als 30 Jahre gehalten haben – fast unverändert. Während man heute von Parallelgesellschaften redet, sprach man in den 80ern von „Gettos“, statt Integrationspolitik dominierte noch die „Ausländerpolitik“ und die Familienzusammenführung war den Parteien schon vor 30 Jahren ein Dorn im Auge, die heute an Sprachkenntnisse geknüpft ist und Gegenstand eines Vertragsverletzungsvefahrens der EU gegen Deutschland ist.

Die Serie: Lesen Sie heute die Rede des SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Eberhard Urbaniak in voller Länge.

MiGAZIN veröffentlicht die Redebeiträge dieser Debatte aus dem Jahr 1982 in voller Länge – inklusive den Zwischenrufen der Abgeordneten – in einer neunteiligen Serie. Gegenstand der Beratungen war eine Große Anfrage der damaligen Regierungskoalition SPD und FDP sowie ein Antrag der beiden Regierungsfraktionen mit Altkanzler Helmut Schmidt an der Spitze. Darin forderte Rot-Gelb unter anderem die Aufrechterhaltung des Anwerbestopps, die Beibehaltung der Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt und eine bundeseinheitliche Regelung des Familiennachzuges.

Erhaltung der Identität – aber bitte im Ausland
In einem weiteren Antrag der Oppositionsparteien stellen CDU und CSU fest, dass die Eingliederung der Ausländer „weder möglich noch in beiderseitigem Interesse wünschenswert“ ist. So soll etwa die „Zusammenführung von Familien […] in erster Linie durch Förderung der Rückkehr in die Heimat bewirkt werden“. Außerdem seien die „Bemühungen der Ausländer um Erhaltung ihrer nationalen Identität“ anzuerkennen – im Ausland. Entsprechend sollten in Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern Programme entwickelt und durchgesetzt werden, um Ausländern die Rückkehr in ihre Heimatländer zu erleichtern. „Hierbei ist etwa an die Kapitalisierung der in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Rentenanwartschaften“ zu denken.

Am 4. Oktober 1982 löste Helmut Kohl die rot-gelbe Regierung ab und koalierte mit der FDP. Unter seiner Leitung trat im November 1983 das Rückkehrhilfegesetz (die sogenannte Rückkehrprämie) in Kraft. Damit sollte der Wegzug von arbeitslosen Ausländern aus der Bundesrepublik gefördert werden. Das Gesetz sah eine finanzielle Rückkehrhilfe vor in Höhe von 10.500 DM zuzüglich 1.500 DM je Kind vor. Damit wurden die gesetzlichen Rentenversicherungen um rund 1,5 Milliarden DM entlastet, da den Ausländern nur die von ihnen selbst geleisteten Arbeitnehmerbeiträge, nicht aber die Arbeitgeberanteile ausgezahlt wurden.

Rückkehrhilfegesetz heute noch gültig
Am 30. Juni 1984 lief die Frist für einen Antrag auf Rückkehrhilfe aus, doch ist das Gesetz heute noch gültig. Es gibt rückkehrinteressierten Ausländern einen Rechtsanspruch auf Beratung. „Rückkehrwillige Ausländer sind auf Verlangen über allgemeine Rückkehrbedingungen zu beraten“, heißt es darin. (es)