Umfrage

Migranten legen mehr Wert auf Karriere

Umfrage der Bertelsmann Stiftung widerlegt Vorurteile gegenüber Menschen aus anderen Herkunftsländern. Bei den Themen Familie und Beruf gibt es zwischen Deutschen und Migranten keine nennenswerten Differenzen.

Donnerstag, 23.12.2010, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Bei den Themen Familie und Beruf gibt es zwischen Bürgern mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes. Das zeigt eine repräsentative Bevölkerungsumfrage von tns-Emnid im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

Gefragt wurde nach der beruflichen Karriere, dem Rollenverständnis von Mann und Frau, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Praxis der Kinderbetreuung sowie dem Zusammenleben mit mehreren Generationen. „Die Ergebnisse widerlegen Vorurteile über Menschen aus anderen Herkunftsländern in der deutschen Gesellschaft“, sagte Liz Mohn, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, bei der Vorstellung der Studie.

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Karriere ist Migranten wichtiger
So ist die Karriereorientierung von Berufstätigen mit Migrationshintergrund stärker ausgeprägt als bei den deutschstämmigen Befragten. Insgesamt 89 Prozent sagen „Ich möchte beruflich weiterkommen“; 57 Prozent stimmen dem sogar „stark“ zu. Von den Berufstätigen ohne Migrationshintergrund sind es lediglich 45 Prozent. Die Auswertung zeigt, dass insbesondere junge Migranten stark leistungs- und erfolgsorientiert sind (75 Prozent gegenüber 67 bei den Nichtmigranten).

Weiterhin fällt auf, dass Männer mit Migrationshintergrund mit 86 Prozent prinzipiell stärker am beruflichen Weiterkommen interessiert sind als Männer ohne ausländische Wurzeln. Frauen mit Migrationshintergrund scheinen noch ehrgeiziger zu sein. Während 84 Prozent angeben, beruflich weiterkommen zu wollen, sagen das bei den Frauen ohne Migrationshintergrund nur 64 Prozent.

Kein klassisches Mutterbild
Auch das Bild einer dauerhaft nichtberufstätigen Mutter, die ihre Kinder zu Hause erzieht, muss korrigiert werden. Sieben von zehn Befragten lehnen es ab. Interessanterweise mehr Menschen mit ausländischen Wurzeln (74 Prozent) als Menschen ohne Migrationshintergrund (70 Prozent). Entgegen gängigen Klischees erteilen auch Bürger aus muslimisch geprägten Ländern diesem Mutterbild eine klare Absage (70 Prozent).

Der Frage, ob Mütter ihre beruflichen Ziele zurückstecken sollen, um mehr Zeit für Familie und Kinder zu haben, stimmt die Hälfte aller Befragten – ob mit oder ohne Migrationshintergrund – zu. Manchmal stellt sich diese Frage allerdings gar nicht, wenn Frauen oder Männer durch persönliche Umstände oder fehlende Angebote zur Kinderbetreuung auf ihr berufliches Fortkommen zum Wohl der Familie verzichten müssen. Dieses bestätigen etwa 60 Prozent der Frauen und 42 Prozent der Männer mit und ohne Migrationshintergrund.

Männer mit Migrationshintergrund helfen häufiger im Haushalt
Auch bei der Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen in Deutschland stimmen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund überein. 61 Prozent der Befragten sehen hier Probleme, wobei Frauen aus anderen Herkunftsländern sogar etwas optimistischer sind.

Download: Die einzelnen Ergebnisse der Umfrage gibt es auf den Internetseiten der Bertelsmann Stiftung kostenlos als PDF-Datei zum Download.

Die Arbeit im Haushalt ist unabhängig von der Herkunft der Befragten nicht allein Frauensache. Zwar gibt fast die Hälfte der Bevölkerung an, dass Haushalt, Kindererziehung und Pflege von Angehörigen „überwiegend“ oder „fast ausschließlich“ in den Händen der Frau liegt. Immerhin ein Drittel sagt jedoch, dass die häuslichen Arbeiten zu gleichen Teilen von beiden Partnern verrichtet werden. Dies gilt auch für Menschen mit Migrationshintergrund. Entgegen den landläufigen Vorurteilen sehen hier 41 Prozent der Männer Hausarbeit als gemeinsame Aufgabe an; bei Nichtmigranten sind es 35 Prozent.

Kinderbetreuung
Große Übereinstimmung herrscht bei den Bürgern mit und ohne ausländische Wurzeln bei der Organisation der Kinderbetreuung während des Arbeitstages. 44 Prozent der Befragten ziehen Kindertagesstätten oder Ganztagsschulen vor. 23 Prozent lassen die Kinder hauptsächlich durch andere Familienmitglieder, 19 Prozent durch den Partner und 4 Prozent durch eine Tagesmutter oder ein Kindermädchen betreuen. Dies gilt auch für Familien aus der Türkei oder dem Nahen Osten. Während jede zweite Frau ihre Kinder in einen Kindergarten geben würde, wäre nur jeder dritte Mann dazu bereit. Sie sehen die Betreuung als Aufgabe ihrer Partnerin an – Frauen weisen diese Rolle den Männern deutlich seltener zu (7 Prozent).

Die Umfrage wurde von tns-Emnid in der Zeit vom 9. November bis 3. Dezember 2010 durchgeführt. Befragt wurden 896 Personen ohne und 1.001 Personen mit Migrationshintergrund.

Sarrazin-Genossen sind blind, taub und stumm
Memet Kılıç, integrationspolitischer Sprecher der Grünen, prophezeit, dass „rechtspopulistische Politiker und Sarrazin-Genossen, die Menschen mit Migrationshintergrund als Barbaren der Urzeit oder Sozialschmarotzer darstellen, werden sich zu diesen Ergebnissen sicher die Ohren stopfen und schweigen.“

Die Ergebnisse widerlegten ganz klar die schizophrenen Äußerungen dieser „Volksverhetzer. Ich hoffe, dass die Vorurteile und die negative Stimmung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund verblassen. Unsere Gesellschaft braucht ein ‚Wir-Gefühl‘. Wir müssen uns alle gemeinsam anstrengen, um ein besseres Deutschland zu schaffen“, so Kılıç.

Von rechtspopulistischen Politikern würden diese Themen oft ideologisch als Wahlkampfthema ausgenutzt, wie es Roland Koch (CDU) schon zwei mal vorgemacht habe. Mit unbegründeten Vorurteilen machten sie Menschen Angst und nutzten sie für Ihre politischen Ziele aus. (sb) Aktuell Gesellschaft Studien

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  1. bogo70 sagt:

    Interessante Studie, nur Schade das sie wieder überhört werden wird. Bin gespannt welche Stimmen sich hier zu Wort melden und Lüge, wie Betrug unterstellen. Ist es am Ende nicht doch leichter den gängigen Vorurteilen zu glauben, sich wenig bis keine Mühe zu geben, sein Gegenüber als einfachen Menschen zu registrieren, einen wie du und ich?

    Sarrazin-Genossen sind blind, taub und stumm

    Die Studie gepaart mit der Folgenden, ergibt dann doch ein ganz anderes Bild von deutschen Zuständen. ;-)

    http://www.spiegelfechter.com/wordpress/4695/die-rechte-saat-geht-auf

  2. Pingback: PM: Sarrazin-Genossen sind heute blind, taub und stumm - Memet Kilic - ist im Bundestag

  3. Hatem sagt:

    1. Was sagt eine Studie aus, die nur auf Selbstaussagen gründet und nicht auf Fakten?
    Richtig: Sie sagt nur, wie sich die Befragten selber sehen möchten.
    Aber nichts über die Realität.

    2. „Mehr Wert auf Karriere legen“ bedeutet leider nicht, dass man dann automatisch auch besser in der Schule lernt oder einen ordentlichen Berufsabschluss macht.
    Die Schulabbrecherquoten von muslimischen Migranten sprechen da eine eindeutige Sprache.

    Die Gymnasiumsquote von vietnamesischstämmigen Schülern spricht ebenso eine eindeutige Sprache, Aber eine ganz andere…. ;-)

  4. meergans sagt:

    Die Bertelsmannstiftung ist die Bertelsmannstiftung ist die Bertelsmannstiftung und ein Brüderlein der berühmten, jahrzehntelang notorischen “ Wirtschaftsweisen “ mit denen die Regierung das Volk zum Narren gehalten hat. Gutbezahlte Leutchen die von Gefälligkeitsgutachten und von der Gedankenlosigkeit der meisten Bürger leben, sich im Übrigen mit vieldeutigem Gerede bedeckt halten. Es gibt glücklicherweise erfolreiche und erfolgsorientierte Migranten, hinter denen sich aber leider eine immer grösser werdende Menge von Nichtsnutzen zu verstecken versucht.

  5. Ghostrider sagt:

    @Bogo70

    Sehr interessante Studie, die von mir ganz sicherlich weder überhört noch ungelesen bleibt:-)) Danke für den Link!

    Ich habe auch nie daran gezweifelt. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich nicht weltfremd bin, oft im Ausland war und auch im Ausland gearbeitet habe und als Kind 3 sprachig aufgewachsen bin.

    Die vielen Sarrazins mit ihrem rechtspopulistischen Gesülze können mich auch nicht beeindrucken. Das ist Sozialdarvinismus und Chauvinismus beinahe schon im Endstadium:-))

    Meine Arbeitskollegen in Luxemburg waren Franzosen, Belgier, Portugiesen, Luxemburger und Deutsche. Komisch, wir hatten ein sehr gutes Betriebsklima. Mit den Sprachen war das manchmal lustig, aber nie langweilig.
    Fremdenfeindliche Äußerungen seitens der Luxemburger konnte ich in den vielen Jahren auch nicht wahrnehmen. Auch haben die Luxemburger ihre nationalen Werte durch uns auch nie gefährdet gesehen.

    Es ist dort auch keine Seltenheit, dass Leute dreier Nationalitäten zusammen am Stammtisch sitzen, trinken und feiern. Selbst schon oft erlebt. Auch die Portugiesen sind da ziemlich gut drauf.

    Geprägt von diesen Erfahrungen über Land und Leute, „savoir vivre“ im wahrsten Sinne des Wortes, kann ich die deutsche Mentalität nicht verstehen. Die Deutschen regen sich sogar noch über ungelegte Eier auf.

    Das kostet nur unnötige Energie. Seid locker Leute, das Leben ist zu kurz, um sich über alles und die Fliegen an der Wand aufzuregen!

    Ghostrider

  6. Pragmatikerin sagt:

    „Ich bin ein Sarraziner“!!!!!!!

    Ich habe mir zu Weihnachten sein Buch gekauft, da ich der Meinung bin, 1,2 Mio. Deutsche können sich nicht irren. Die ersten Seiten habe ich auch schon gelesen, ich bin beeindruckt.

    Es gibt ein Deutsches Sprichwort: „Mag mir einer wünschen, was er will, Gott gebe ihn nochmal soviel“ ;-)

    Pragmatikerin

  7. Yilmaz sagt:

    bin vor kurzem mit meiner mutter in berlin-pankow in ein krankenhaus gegangen um einen bekannten zu besuchen. auf dem weg zum fahrstuhl habe ich mit ihr in türkischer sprache über das moderne krankenhaus gesprochen und dabei gemerkt, dass ein pärchen hinter uns läuft.
    als wir dann auf den fahrstuhl gemeinsam mit dem pärchen warteten, sagte die frau zum mann laut und deutlich:“ er hat recht, ich habe sein buch gelesen und sarrazin hat zu 100% recht! dabei schaute sie in unsere richtung und verzog keine miene.
    Ich habe habe überlegt etwas zu sagen, mich aber doch entschieden nichts zu sagen.
    Ich bin hier geboren und arbeite seit meinem 16 Lebensjahr in einem großen deutschen unternehmen. meine ganze familie arbeitet in deutschland. wir haben bis heute nicht einen cent sozialleistungen erhalten.
    ich finde, wir brauchen dringend eine stimme! sie fehlt einfach, ich meine eine ernstzunehmende stimme, die voll im öffentlichen leben steht, der die deutschen und die muslime richtig kennt, ich meine, der einer von ihnen ist und hier etwas bewirken kann.

  8. Pragmatikerin sagt:

    Hallo Ylmaz

    Ihren Wunsch kann ich als Mensch verstehen, aber was würde das ersteinmal Ihnen und Ihrer Mutter heffen? In den vergangenen 50 Jahren ist in Europa und in Deutschland mit der Einwanderung – auch von Türken (speziell von muslimischen Türken) schiefgelaufen was nur schieflaufen konnte. Schuldzuweisungen will ich jetzt mal keine machen, es gab ja damals keine Vorbilder, wie in Europa Einwanderung zu funktionieren hat.

    Auch nachdem Deutschland – von wem eigentlich? – zum Einwanderungsland erklärt wurde, hat man nicht bedacht, wie verschiendene Kulturen zusammen leben sollen/müssen/werden!!!!!!

    Heute ist es so, dass ein Grossteil der Zuwanderung in die Sozialsysteme in Deutschland erfolgt. Es ist doch verständlich, dass Deutschland nicht das Sozialamt der Welt sein will, oder?

    Der springende Punkt ist aber auch, dass durch die schlimmen Vorkommnisse (z.B. Zwangsehen, Ehrenmorde, Selbstmordattentate – wie z.B. jetzt in Ägypten an Christen) Die Neu-Deutsche-Bevölerung voller Vorurteile gegenüber Neu-Deutschen und Migranten ist.

    Es steht ja keinem auf der Stirn geschrieben: Ich bin ein guter Neu-Deutscher oder ich bin Stromer!!!!!!

    Lange Rede, kurzer Sinn, es wird noch einige Jahrzehnte dauern, bis das die Zugewanderten gleichberechtigung gesehen und auch anerkannt werden.

    Ich möchte Ihnen vielleicht einen – guten – Rat geben: Sprechen Sie nach Möglichkeit – egal wo – Deutsch. Das verhindert z.B. do eine saudumme Aussage des Pärchens, zeigt gleichzeitig auch, dass Sie unsere Sprache gut können. Ich bin oft versucht, einer jungen Mutter die z.B. türkisch mit ihrem Kind spricht zu sagen: warum reden sie nicht Deutsch, sie sind doch in Deutschland?

    Alles Gute für Sie wünscht

    Pragmatikerin

  9. Ghostrider sagt:

    @Yilmaz

    Was wir hier in Deutschland brauchen, ist eine „Migrantenpartei“, die sich für die Rechte unserer ausländischen Mitbürger einsetzt. Bei ca. 16 Mio. Migranten in der BRD würde das durchaus Sinn machen.

    Ghostrider

  10. Pingback: Bertelsmann-Monitor 01/2011