Rezension

Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen

Es gibt eine neue europäische Islamfeindlichkeit, schreibt Thorsten Gerald Schneiders in seiner Einleitung, welche sich in „stark rassisierenden und menschenfeindlichen Zügen“ im Umgang mit Muslimen zeige. Das Ziel des von Schneiders herausgegebenen Sammelbandes ist es daher, die islamfeindlichen Strömungen unter wissenschaftlichen Vorzeichen aufzuspüren und zu dokumentieren.

Von Donnerstag, 11.03.2010, 8:08 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 17:30 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Die Autoren lesen sich wie das „Who is Who“ der interkulturellen Forschung sowie der Orient-Forschung: Kai Hafez, Werner Ruf, Dieter Oberndörfer, Navid Kermani, Jochen Hippler, Yasemin Karakasoglu, Sabine Schiffer usw.

Kritisieren will gelernt sein – erst recht wenn es konstruktive Kritik geht. Die Autoren haben daher den Anspruch, berechtigte von unberechtigter Kritik zu trennen und jene Aspekte des Islam in den Blick zu nehmen, die „angesichts der Herausforderungen der Moderne tatsächlich einer Weiterentwicklung bedürfen.“ (S. 14) So wird in diesem Band der „Bogen vom europäischen Islamhass früherer Jahrhunderte bis zur heutigen Hetze im Cyberspace“ (S. 14) gespannt.

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Islamfeindlichkeit – Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen jetzt bei Amazon bestellen (Broschiert: 483 Seiten, Verlag: Vs Verlag; Auflage: 1 (15. September 2009), ISBN-13: 978-3531162577).

Herausgeber ist Thorsten Gerald Schneiders. Er ist Islam- und Politikwissenschaftler und lehrte zuletzt am Centrum für Religiöse Studien der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Wer hingegen mehr über die Sichtweise mancher Muslime in Deutschland erfahren möchte, der sollte den zweiten Band des Herausgebers lesen. Unter der Überschrift „Islamverherrlichung – wenn die Kritik zum Tabu wird“, wird auf die dogmatische Verteidigungshaltung mancher Muslime eingegangen, welche jedwede Kritik am Islam am liebsten verbieten würden.

Der Sammelband besteht aus vier Kapiteln: Im ersten Kapitel geht es um „Ausgangspunkte islamfeindlichen Denkens in der deutschen Gesellschaft“. Hier werden historische Islambilder aufgedeckt und die Entstehung einer „Islamfeindlichkeit“ verdeutlicht. Im zweiten Kapitel geht es „zur aktuellen Lage der Islamfeindlichkeit“, worin z. B. auf den historischen und kontextlosen Umgang von Zitationen aus den Suren des Koran seitens Navid Kermani genauso eingegangen wird wie auf den „Islam als Störfaktor an den Schulen“ seitens Yasemin Karakosoglu. Im dritten Kapitel geht es um „institutionalisierte Islamfeindlichkeit“. Hier werden u. a. „islamkritische“ Aktivitäten in Webblogs von Sabine Schiffer vorgestellt und auf die Positionen der Pax Europa-Anhänger genauso eingegangen wie seitens Wolf-Dieter Just auf die der Evangelischen Kirche in Deutschland. Im vierten Kapitel wird im Rahmen der „personellen Islamfeindlichkeit“ auf die Islamkritik von Ralph Giordano, Hans-Peter Raddatz, Necla Kelek, Seyran Ates wie Alice Schwarzer eingegangen.

Die Beiträge verdeutlichen die Ganzleistung interkultureller Selbstwahrnehmung zum Zwecke des Beginns eines interkulturellen Dialogs.

So ist auch das Gesamtwerk eine beachtliche Sammlung von exzellenten Beiträgen, die zum Nachdenken anregen. Je nach Interessengebiet können Themenschwerpunkte besondere Bedeutung erhalten. Für denjenigen, der eine Erklärung für die Ursachen der Islamfeindlichkeit sucht, ist das erste Kapitel des Gesamtwerkes sicherlich eine Glanzleistung neuer Betrachtungsarten und eine vollkommen neue Sichtweise auf bisherige Darstellungen der Geschichte und Politik bezogen auf den Islam und die Muslime.

In den Beiträgen der Autoren wird deutlich, wie sehr sie um eine ausgleichende Darstellung bemüht sind: sie möchten nicht dem Dilemma erliegen, was sie bei anderen kritisieren: die tendenziell unkritische Reflexion des Islam aus europäisch-christlicher/atheistischer/wissenschaftlicher Sicht oder die tendenziell rein kritisierende Sicht. Rezension

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  1. Hugenotte sagt:

    Kann der Rezensentin voll zustimmen. Ich kenne das Buch und ich hab es bald ganz durchgelesen…. jeden einzelnen Beitrag. Und jeder einzelne lohnt sich und ist meistens auch noch sehr angenehm zu lesen. Kompliment an die Autoren. Laut amazon soll es sogar schon eine erweiterte Zweitauflage geben. Und der zweite Band wird für 27. April angekündigt.

  2. Pingback: Feindbild Islam - Seite 45

  3. Georg K. sagt:

    Wenn so ein Buch schon auf MiGAZIN vorgestellt wird, dann kann ich mir ja schon vorstellen, dass es sich bei dem Buch um eine reine Verteidigungslektüre handelt. Wenn man schon bei der Beschreibung des Buches das Wort Islamfeindlichkeit so oft benutzt. Es gibt keine Islamfeindlichkeit in Europa, ausser sie meinen damit, dass die Islamisten feindlich den Andersgläubigen gegenübersteht.
    Islamfeindichkeit wurde doch von den Islamisten erfunden um sich hier besser und schneller einnisten zu können.

  4. MoBo sagt:

    genau! wenn Leute gegen Ausländer hetzten sind immer die Ausländer selbst schuld!
    damals, nach den Pogromen von Rostock usw. wurden deshalb logischerweise auch die Asylgesetze verschärft, damit sowas nicht wieder vorkommt.

  5. Ghostrider sagt:

    Beim Islam ist sicherlich nicht alles Gold was glänzt. Aber auch das Christentum ist kritikwürdig. Denkt man nur an die skandalöse Welle von Kindesmißbrauch in verschiedenen christlichen Einrichtungen, die man unlängst noch in den Medien verfolgen konnte.

    Man muß aber auch differenzieren, zwischen konstruktiver Kritik und überreizter Islamophobie sowie geschürten Hass. Leute wie Sarrazin, Seehofer und viele Trittbrettfahrer profilieren sich zur Zeit als Agitatoren um das deutsche Volk in Bezug auf den Islam zu verängstigen. Solche Aussagen, wie sie Herr Seehofer praktiziert, werden weder der CDU noch der CSU mehr Wählerstimmen einbringen, sondern werden den Rechtspopulismus in seiner Ideologie bestärken. Und davon profitieren die Rechtsextremen, von denen sich die CDU/CSU massiv distanzieren möchte.
    Das kommt also davon, wenn man als Politiker Stammtischparolen des Volkes nachplappert um in der Wählergunst zu steigen.

    Erst islamfeindliche Sprüche klopfen, dann anschließend Döner essen!
    Das bedarf wohl keine weiteren Erklärungen, oder?

    Ghostrider

  6. BiKer sagt:

    @ Georg K.

    was mit bei vielen kommentatoren auffällt ist, dass sie bereits mit der existenz des migazin probleme haben. „wie können ausländer es wagen, meinungsbildend aufzutreten???“, scheinen sich viele zu denken. kommentar von georg k. zeugt von nichts anderem. was er aber übersehen hat: migazin hat auch das gegenstück zu diesem buch vorgestellt: http://www.migazin.de/2010/11/18/islamverherrlichung-wenn-die-kritik-zum-tabu-wird/

    migazin, weiter so!