EuGH

Rücknahme einer durch Täuschung erschlichenen Einbürgerung ist rechtmäßig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat gestern (2. März 2010) bestätigt, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union einem Unionsbürger die durch Einbürgerung verliehene Staatsangehörigkeit wieder entziehen kann, falls der Unionsbürger diese durch Täuschung erschlichen hat (Az. C-135/08).

Mittwoch, 03.03.2010, 8:08 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.08.2010, 16:59 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Dies gilt auch, so die Richter „wenn eine solche Rücknahme zur Folge hat, dass der Betroffene die Unionsbürgerschaft verliert, weil er nicht mehr die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt.“ In einem solchen Fall müsse die Rücknahmeentscheidung jedoch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.

Im Wege eines Vorabentscheidungs- ersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem EuGH Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts vorlegen. Der EuGH entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des EuGH bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

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Sachverhalt
Mit seinem Urteil beantwortet der Gerichtshof eine Frage des Bundesverwaltungsgerichts, das über den Fall des Herrn Rottmann zu entscheiden hat, der durch Geburt österreichischer Staatsbürger war und sich in Deutschland einbürgern ließ. Der Freistaat Bayern nahm seine Einbürgerung rückwirkend wieder zurück, weil er ein gegen ihn gerichtetes österreichisches Ermittlungsverfahren verschwiegen und dadurch die Einbürgerung erschlichen habe.

Nach österreichischem Recht hat Herr Rottmann durch seine Einbürgerung in Deutschland die österreichische Staatsbürgerschaft verloren, und die Rücknahme seiner Einbürgerung in Deutschland führt nicht dazu, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft automatisch wiedererlangt.

Angemessenheit
Der EuGH bekräftigt damit die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust der Staatsangehörigkeit. Allerdings müsse geprüft werden, ob die Rücknahme der Einbürgerung gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes steht.

Des weiteren spiele die Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, eine entscheidende Rolle. Schließlich sei von Relevanz, ob der Betroffene die Möglichkeit hat, seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit wiederzuerlangen.

Wurde die Staatsangehörigkeit aber durch Täuschung erschlichen, „ist ein Mitgliedstaat nach dem Unionsrecht nicht verpflichtet, von der Rücknahme der Einbürgerung allein deshalb abzusehen, weil der Betroffene die Staatsangehörigkeit seines Herkunftsmitgliedstaats nicht wiedererlangt hat“, so die Richter. Recht

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  1. delice sagt:

    Ein bemerkenswert konstruierter Fall, den die Bayerische Verwaltung sich wieder einmal aufgehalst hat. Denn niemand anders hätte so etwas überhaupt sich getraut so etwas je zu Wege gebracht und bringen wollen. Aber, warum gerade nur dann ein Österreicher das sein musste, ist schleierhaft? Wo sind die gut nachbarlichen Beziehungen? Ein Schelm, wer da etwas anderes unterstellen würde! Welches Ziel wohl hier verfolgt wurde ist schon mehr als zwielichtig. Bemerkenswert genug, ist aber hier auch nicht nur der Umstand, sondern auch der im Urteil formulierte Satz in Randnummer 65, der eine Vorgabe – vor allem – für die österreichischen nationalen Gerichte sein wird:

    “61 Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Rücknahme der vom Kläger des Ausgangsverfahrens in Deutschland erlangten Einbürgerung nicht bestandskräftig geworden ist und der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit der Kläger ursprünglich besessen hat, nämlich die Republik Österreich, keine Entscheidung über seinen Status getroffen hat.”

    Nach dem kurzen Einblick bzw. der einmaligen Lektüre lassen sich folgende Gedanken daraus erschließen:

    Denn, da nach der Leseart des obigen Satzes des EuGH´s keine deutsche Staatsangehörigkeit je erworben werden konnte bzw. wurde, konnte so gesehen, auch gar kein Verwaltungsakt bzw. Realakt einer österreichen Verwaltung veranlasst bzw. getätigt worden sein, dass den Verlust der selbigen Staatsangehörigkeit verursachen würde. Und somit kommt das Gesetz der Österreicher, gemäß dem § 10 StbG, erst gar nicht zur Anwendung, d.h. der Beschwerdeführer hat seine ursprünglicheösterreichische Staatsangehörigkeit ja gar nicht verloren!

    Damit ist Randnummer sehr bedeutend, vor allem für die Österreicher und natürlich auch die deutschen Gerichte und Verwaltungen, die zuständig sind zur Einbürgerung in den deutschen Staatsverband! Außerdem hatte der Betroffene sie auch nicht anonym, also per österreichisches Gesetz verloren, als er dort vorher noch straffällig beschieden wurde; und auch verlor er diese nicht von einem dortigen Gericht, weil er in Österreich abgeurteilt wurde. Der Bestand seiner österreichischen Staatsangehörigkeit ist ihm auch heute noch gewahrt geblieben, weil ex tunc, also rückwirkend gesehen, er seine österreichische Staatsangehörigkeit so nicht, besser nie verloren hatte!

    Demnach wird er auch nicht staatenlos und wird es auch nie sein, denn die deutsche Staatsangehörigkeit hatte er demnach auch nie besessen, auch nicht als eine so genannte verwaltungstechnische “Fiktion”!

    Wie gesagt, sollte auch das Bundesverwaltungsgericht zu Leipzig diese, seine deutsche Staatsangehörigkeit als – von Anfang an – nicht vorhanden sehen bzw. beurteilen, vor allem unter der Vorgabe und der Berücksichtigung der angemahnten Verhältnismäßigkeit des vorliegenden Falles, gilt eigentlich das oben gesagte.

    Die Verhältnismäßigkeit gilt insbesndere bei Familienangehörigen des davon betroffenen Beschwerdeführers, hierzu auch die Randnummer 56. Denn diese haben nicht voraussichtlich die deutsche Staatsbürgerschaft eigentlich nicht verloren, und erst recht, wenn sie zum Zeitpunkt des Erwerbs der deutschen Staatsangehäörigkeit: noch Minderjährige waren:

    “56 Angesichts der Bedeutung, die das Primärrecht dem Unionsbürgerstatus beimisst, sind daher bei der Prüfung einer Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung die möglichen Folgen zu berücksichtigen, die diese Entscheidung für den Betroffenen und gegebenenfalls für seine Familienangehörigen in Bezug auf den Verlust der Rechte, die jeder Unionsbürger genießt, mit sich bringt. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, ob dieser Verlust gerechtfertigt ist im Verhältnis zur Schwere des vom Betroffenen begangenen Verstoßes, zur Zeit, die zwischen der Einbürgerungsentscheidung und der Rücknahmeentscheidung vergangen ist, und zur Möglichkeit für den Betroffenen, seine ursprüngliche Staatsangehörigkeit wiederzuerlangen.”

    Nach der deutschen Judikation und Rechtstradtion haben diese direkten Angehörige im Wesentlichen nichts zu befürchten.

    Ob aber der Betroffene die deutsche Staatsangehörigkeit auch tatsächlich verloren hat, muss das Bundesverwaltunggericht letztlich dann selbst entscheiden. Nur, was man eigentlich nie erlangt hat, und dazu gehört auch ein Realakt einer deutschen Staatsangehörigkeit, kann doch gar nicht verloren gegangen sein sein? Denn von Anfang an war die Verurteilung des Betroffenen gegeben, und damit die Täüschungsabsicht. Er hat demnach die Voraraussetzung zum Erwerb einer deutschen Staatsangehörigkeit gar nicht erfüllt. Der deutsche Verwaltungsakt zur Aushändigung einer deutscher Einbürgerungsurkunde muss als nicht vollzogen betrachtet werden (ex tunc). Damit hat dieser aber ext tunc und ex nunc immer noch die österreichische Staatsangehörigkeit inne gehabt bzw. immer noch besessen.

    Auf diesen Tatbestand, des immer noch vorliegenden Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedsstaates aufbauend, könnte er die deutsche Staatsangehörigkeit ein weiteres mal beantragen, zumahl die Familienverband deutsch geblieben ist bzw. sein müsste.