Ein Vergleich

Marwa el Sherbini und Hatun Sürücü

Der Prozess um den Mord an Marwa el-Sherbini ist beendet. Der Schuldspruch lautet „lebenslänglich“. Trotz der Schwere der Tat werden die islamfeindlichen Tendenzen und die Ressentiments gegenüber Muslimen innerhalb der Gesellschaft immer noch kaum diskutiert.

Donnerstag, 12.11.2009, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 1:01 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Dieser Ansicht ist auch taz-Redakteur Daniel Bax, der darauf hinweist, dass die Medien und die Gesellschaft im Fall Marwa anders reagiert hätten als beispielsweise nach der Ermordung Hatun Sürücüs, die vor vier Jahren von ihrem Bruder ermordet wurde. Der letztere Fall hatte unmittelbar nach der Tat Diskussion um Zwangsehen und Ehrenmorde entfacht. Im Fall Marwa hingegen reagierten die deutschen Medien und Politiker sehr spät, nämlich erst nachdem im Ausland die Reaktionen darauf zunahmen. Eine Diskussion um Islamophobie in Deutschland fand kaum statt.

Desweiteren verweist Daniel Bax auf eine Studie des Dresdener Meinungsforschers Wolfgang Donsbach, der die Dresdener dazu befragt, welche Nachbarn ihnen besonders unangenehm wären. 10 Prozent nannten Afrikaner, 18 Prozent Osteuropäer und 25 Prozent nannten Türken. Als er seine ausländischen Studenten nach negativen Ergebnissen in Dresden befragte, fand er heraus, dass jeder dritte schon einmal wegen seiner Nationalität beleidigt wurde. Bei Studenten aus dem Nahen und Mittleren Osten war es sogar jeder zweite.

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Auch der Soziologe Wilhelm Heitmeyer habe in seiner Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ festgestellt, dass Islamfeindlichkeit in Deutschland seit 2001 gestiegen sei. Darüber hinaus würden Publizisten wie Henryk Broder, Udo Ulfkotte, Necla Kelek und Ralph Giordano das Übrige tun um ein negatives Bild vom Islam in der Gesellschaft zu verbreiten. Zu nennen sei da zudem Alice Schwarzer, die das Kopftuch gar als eine „Flagge der Islamisten“ bezeichnete. Somit stünden der Mörder Marwas und auch Thilo Sarrazin nicht alleine mit ihrer Meinung über „Kopftuchmädchen“.

Ferner ist Bax der Meinung, dass das Kopftuchverbot für Lehrerinnen falsche Signale sende. Er bestärke Arbeitgeber darin Bewerberinnen mit Kopftuch abzulehnen. So hätten gut ausgebildete Frauen mit Kopftüchern erhebliche Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt. „Die alltägliche Ausgrenzung stellt sich gewöhnlich subtiler dar. Doch Frauen mit Kopftuch finden auch bei bester Qualifikation nur schwer einen Ausbildungsplatz, einen Job oder eine Wohnung.“ schreibt Daniel Bax. Ihm zufolge schüren auch die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen Misstrauen in der Gesellschaft und tragen zum islamfeindlichen Klima bei.

Ressentiment gegen Muslime bezeichnet Bax als die neueste Variante einer Fremdenfeindlichkeit und führt weiter aus: „Dass der Täter von Dresden ursprünglich aus Russland stammt, sollte auch nicht zur Relativierung einladen, sondern an die internationale Dimension dieses religiös begründeten Rassismus erinnern. Gesellschaft

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  1. Schwarzesrauschen sagt:

    Meiner Ansicht nach ist zunächst die Feindlichkeit des Islam gegenüber der westlichen Lebensweise seit 2001 gestiegen. Als Reaktion darauf steigt unter der autochthonen Bevölkerung auch die Kritik am Islam und an Muslimen pauschal. Dies ist sowohl auf tatsächliche und verhinderte Terroranschläge durch Muslime zurückzuführen, wie auch auf alltägliche Konfrontation der westlichen mit der islamischen Kultur in Deutschland. Gerade wie sich viele muslimische Jugendliche in der Öffentlichkeit aufführen schadet dem Ansehen der Türken und Araber in Deutschland enorm.
    Wichtiger als ständig die Mehrheitsgesellschaft anzugreifen, wäre es auch mal das Verhalten der eigenen Kulturgesellschaft zu reflektieren, Missstände zuzugeben und daran zu arbeiten. Die härteste Art der Kritik ist die Selbstkritik – zu dieser sind die meisten Muslime in Deutschland leider nicht fähig oder willens.

  2. Markus Hill sagt:

    Zitat:
    „Darüber hinaus würden Publizisten wie Henryk Broder, Udo Ulfkotte, Necla Kelek und Ralph Giordano das Übrige tun um ein negatives Bild vom Islam in der Gesellschaft zu verbreiten.“
    Ich glaube, dass „der Islam“ (Gibt es das überhaupt?) auch ohne diese Publizisten durchaus (wie manchmal auch das Christentum) mehr als reichlichen Stoff für Ansatzmöglkeiten für Kritik gibt. Bei jeder Religion kann man solche Punkte finden. Werden die Religionen auch noch zusätzlich mit bäuerlicher Tradition und Bildungsferne kombiniert, dann wird die Religion (in diesem Falle Islam) wohl zusätzlich oft für Dinge verantwortlich gemacht, die vielleicht nicht originär mit dem Glauben zu tun haben. Zur Meinungsfreiheit gehört Kritik – dass die dann den Islam in den westlichen Ländern auch erfasst, ist völlig normal. Es bedeutet lediglich, dass der Islam wie andere Religionen auch in den westlichen Ländern „angekommen“ ist und durch Kritik wahrscheinlich (Wir wollen es hoffen, ansonsten sollte man sehr, sehr schnell die Reissleine ziehen!) so weiterentwickeln wird wie viele andere Religionen, die ganz selbstverständlich in der westlichen Zivilisation ihren Platz gefunden haben. IM GEGENTEIL: Es wäre geradezu eine Diskriminierung aller anderen Religionen, wenn man jetzt durch die Hintertür eine Anti-Kritik-Vorschrift für den Islam schaffen würde. An dem obigen Artikel nimmt man diese sehr durchschaubare Strategie war, ziemlich „primitiv“. (Mein Gott!:-), wir leben in Europa, da debattiert man halt auch über Religion wie über andere Dinge. Der Papst wird ständig kritisiert, ein Glück, dass die Katholiken da nicht ständig so eine „Welle“ machen:-):-)

  3. Hugenotte sagt:

    Gerade zu der Rige der genannten Publizisten wie Henryk Broder, Udo Ulfkotte, Necla Kelek und Ralph Giordano kann man noch mal auf das von MiGazin kürlich vorgestellt Buch hinweisen – das setzt sich unter anderem mit exakt diesen Personen wissenschaftlich-kritisch auseinander und darüber hinaus mit vielen anderen Aspekten der Islamfeindlichkeit:

    http://www.migazin.de/2009/10/23/islamfeindlichkeit-wenn-die-grenzen-der-kritik-verschwimmen/