Hessen

Werbung um Polizisten in türkischen Tageszeitungen

Das Land Hessen möchte bald eine Werbekampagne in der türkischen Tageszeitung „Hürriyet“ starten, in der sie gezielt um Polizisten mit türkischem Migrationshintergrund werben wird. „Die hessische Polizei braucht mehr Polizeibewerber mit ausländischen Wurzeln“, so Innenminister Volker Bouffier (CDU).

Von Burak Altas Mittwoch, 15.04.2009, 11:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 19:51 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Deshalb wolle das Land innerhalb von fünf Jahren die Quote ausländischer Polizisten in Hessen von derzeit zwölf Prozent auf 20 Prozent steigern. Schließlich sei die Sicherheit „besser leistbar, wenn die Polizisten sich im entsprechenden Milieu auskennen.“ Momentan würden beim Umgang mit ausländischen Kriminellen regelmäßig Probleme auftauchen, da sie oftmals ihre Muttersprache verwendeten. Dem möchte man mit dieser Maßnahme entgegenwirken.

Kooperation mit Hürriyet
Die „Hürriyet“ scheint mit 70.000 verkauften Exemplaren in Deutschland ein effektives Medium für hessische Polizeiwerbung zu sein. Ähnlich sieht es auch Ayan Can, stellvertretender Chefredakteur der türkischen Tageszeitung. Diesen Schritt könne man als „Beitrag zum interkulturellen Dialog“ betrachten. Ziel dabei müsse es sein, dass man vor allem die Eltern potenzieller Polizisten erreichen kann, da sie „meistens über die Berufswahl ihrer Kinder“ entscheideten.

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Auch laut Bouffier sei der Erfolg der Werbung davon abhängig, dass man die Eltern von der Ansehnlichkeit des Polizeiberufes überzeugen kann. „Im Heimatland ist das oftmals nicht der Fall – wir wollen vermitteln, dass es hier anders ist.“

Um „der demografischen Entwicklung Rechnung“ zu tragen, wonach vor allem in Ballungsräumen wie dem Ruhr- oder dem Rhein-Main-Gebiet der Migrantenanteil in Zukunft deutlich ansteigen werde, plane man neben Zeitungswerbung auch Interviews mit türkischstämmigen Polizisten sowie Telefonaktionen, die den potentiellen Bewerbern Auskunft über die Einstellungsvoraussetzungen geben sollen.

Gute Erfahrungen
Man habe bereits während der Fußballweltmeisterschaft 2006 positive Erfahrungen mit Polizeibeamten aus Großbritannien machen können, die sich erfolgreich mit den jeweiligen Problemfans aus England auseinandersetzen konnten. In dieser Zeit seien fremdsprachige Polizeibeamte von großem Vorteil gewesen, was nun auch den Auslöser für das bevorstehende Projekt gegeben habe.

Als Vorbild diene die Kampagne der hamburgischen Verwaltung aus dem Jahre 2006, die auch in einer großen türkischen Zeitung um Verwaltungsbeamte mit Migrationshintergrund, darunter auch Polizisten, geworben haben. Heute möchte man in Hamburg den Anteil von Bewerbern mit ausländischen Wurzeln bis 2011 auf 20 Prozent erhöhen. Eine neue Kampagne unter dem Namen „Wir sind Hamburg – bist du dabei?“ soll in diesem Sinne dazu beitragen, dass sich mehr ausländische Bewerber für die jeweiligen Berufe finden lassen.

„Wir freuen uns sehr, dass nun auch Hessen ein ähnliches Modell umsetzt“, so die hamburgische Verwaltung. Schließlich habe man auch Erfolge zu verkünden: Der Anstieg des Migrantenanteils von 5,2 Prozent im Jahre 2007 auf bereits zwölf Prozent lasse die Effektivität des Projektes deutlich spüren.

In Berlin setzt man lieber auf die Erleichterung des Zugangs zur Polizei für Bewerber mit Migrationshintergrund. Ab Herbst dieses Jahres soll das zum Bestehen notwendige Diktat im Einstellungsverfahren gestrichen und mit einem interkulturellen Kompetenztest ersetzt werden, welches vielmehr die Fremdsprachenkenntnisse der Bewerber prüfen soll. Dieser Prozess basiert auf einem computergestützten Auswahlverfahren. Die Berliner Polizei sei der Meinung, dass die zukünftigen Polizisten keine perfekten Deutschkenntnisse aufweisen müssten, sondern nur so gut Deutsch sprechen sollten, „dass man der Ausbildung folgen kann.“ Bouffier hingegen fordert Vorsicht vor dem Berliner Verfahren: „Da muss man sehr vorsichtig sein. Am Ende hat man Leute, die schlicht ungeeignet sind.“

Vorhaben nicht ohne Kritik
Aber auch das Vorhaben der hessischen Polizei stößt bei Experten auf Kritik. So sei es verwunderlich, dass man in letzter Zeit vor allem den türkischstämmigen Migranten aufgrund der umstrittenen Berliner Studie „Ungenutzte Potenziale“ mangelnde Sprachkenntnisse und fehlendes Interesse am Erlernen der deutschen Sprache vorwerfe, gleichzeitig aber diese Menschen in ihrer Muttersprache anspreche. Parolen wie „Lest mehr deutsche Zeitungen“ scheinen hier völlig außer Acht gelassen zu sein. Auch die Kritik an der „Parallelgesellschaft“ spiele hier wohl eher eine zweitrangige Rolle. Aus diesem Blickwinkel betrachtet sei die Verwendung einer türkischen Tageszeitung zur effektiveren Bekämpfung ausländischer Kriminellen ein schlechtes Mittel zum Zweck. Vielmehr solle man die Deutschkenntnisse jener potenziellen Polizisten fördern, um sowohl gegen ausländische als auch einheimische Kriminelle besser vorgehen zu können. Politik

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  1. delice sagt:

    Dieser obigen Kritik würde ich noch ergänzend hinzufügen, dass es schon merkwürdig ist, den Nachwuchs aus diesem „Underdogs“ zu rekrutieren, auch wenn sie nur eine türkische Staatsbürgerschaft haben sollten!

    Da entsteht doch ein rechtlicher Konflikt, dass nämlich so ein Nicht-Deutscher im hessischen Polizeidienst, dann einen deutschen Staatsbürger festnehmen darf! Ist so etwas überhaupt möglich?

    Des Weiteren ist es bemerkenswert, dass dieser Ausländer zwar zum hessischen Polizeidienst zugelassen wird, aber nicht gut genug um an kommunalen Wahlen!

    Wie passt überhaupt diese Art einer kruden Denklogik überein?

    Im Endeffekt will man wohl tatsächlich nur im kriminellen Milieu effektiver vorgehen, man erspart sich so wohl lange Dienstwege und umständliche Übersetzungen! Die Personen, die sich für derartige Plan-Spielchen hergeben, müssen schon auch wissen, dass sie hier nur missbraucht und instrumentalisiert werden.

    Denn Vergehen im Dienst, können auch für vermeintliche hessische Polizeiobermeister, als türkischer Staatsbürger, mit einer Gefängnisstrafe belangt werden, und damit droht möglicherweise auch eine spätere Abschiebung! All die vorherigen Verdienste und Belobigungen, um die Wahrung von Ordnung und eine vermeintliche Rechtsstaatlichkeit im und um das Bundesland Hessen, sind denn dann wohl auch – in diesem Moment – plötzlich auch dahin – und sind wie weggeschmolzen!

    Bedenklich wird es schon. Auch, wenn viele Rosarote Brillen sich diesem Vorwurf erwehren werden. Denn ein bisschen hat es dennoch den Ruch von Verrat, an den eigenen Landsleuten, auf sich, wenn sie so gesellschaftlich eh schon zu kurz gekommene auch noch von einer unverhofften Seite angehen! Nun, die Zeit wird diese Behauptung noch früh genug belegen.