Deshalb wolle das Land innerhalb von fünf Jahren die Quote ausländischer Polizisten in Hessen von derzeit zwölf Prozent auf 20 Prozent steigern. Schließlich sei die Sicherheit „besser leistbar, wenn die Polizisten sich im entsprechenden Milieu auskennen.“ Momentan würden beim Umgang mit ausländischen Kriminellen regelmäßig Probleme auftauchen, da sie oftmals ihre Muttersprache verwendeten. Dem möchte man mit dieser Maßnahme entgegenwirken.
Kooperation mit Hürriyet
Die „Hürriyet“ scheint mit 70.000 verkauften Exemplaren in Deutschland ein effektives Medium für hessische Polizeiwerbung zu sein. Ähnlich sieht es auch Ayan Can, stellvertretender Chefredakteur der türkischen Tageszeitung. Diesen Schritt könne man als „Beitrag zum interkulturellen Dialog“ betrachten. Ziel dabei müsse es sein, dass man vor allem die Eltern potenzieller Polizisten erreichen kann, da sie „meistens über die Berufswahl ihrer Kinder“ entscheideten.
Auch laut Bouffier sei der Erfolg der Werbung davon abhängig, dass man die Eltern von der Ansehnlichkeit des Polizeiberufes überzeugen kann. „Im Heimatland ist das oftmals nicht der Fall – wir wollen vermitteln, dass es hier anders ist.“
Um „der demografischen Entwicklung Rechnung“ zu tragen, wonach vor allem in Ballungsräumen wie dem Ruhr- oder dem Rhein-Main-Gebiet der Migrantenanteil in Zukunft deutlich ansteigen werde, plane man neben Zeitungswerbung auch Interviews mit türkischstämmigen Polizisten sowie Telefonaktionen, die den potentiellen Bewerbern Auskunft über die Einstellungsvoraussetzungen geben sollen.
Gute Erfahrungen
Man habe bereits während der Fußballweltmeisterschaft 2006 positive Erfahrungen mit Polizeibeamten aus Großbritannien machen können, die sich erfolgreich mit den jeweiligen Problemfans aus England auseinandersetzen konnten. In dieser Zeit seien fremdsprachige Polizeibeamte von großem Vorteil gewesen, was nun auch den Auslöser für das bevorstehende Projekt gegeben habe.
Als Vorbild diene die Kampagne der hamburgischen Verwaltung aus dem Jahre 2006, die auch in einer großen türkischen Zeitung um Verwaltungsbeamte mit Migrationshintergrund, darunter auch Polizisten, geworben haben. Heute möchte man in Hamburg den Anteil von Bewerbern mit ausländischen Wurzeln bis 2011 auf 20 Prozent erhöhen. Eine neue Kampagne unter dem Namen „Wir sind Hamburg – bist du dabei?“ soll in diesem Sinne dazu beitragen, dass sich mehr ausländische Bewerber für die jeweiligen Berufe finden lassen.
„Wir freuen uns sehr, dass nun auch Hessen ein ähnliches Modell umsetzt“, so die hamburgische Verwaltung. Schließlich habe man auch Erfolge zu verkünden: Der Anstieg des Migrantenanteils von 5,2 Prozent im Jahre 2007 auf bereits zwölf Prozent lasse die Effektivität des Projektes deutlich spüren.
In Berlin setzt man lieber auf die Erleichterung des Zugangs zur Polizei für Bewerber mit Migrationshintergrund. Ab Herbst dieses Jahres soll das zum Bestehen notwendige Diktat im Einstellungsverfahren gestrichen und mit einem interkulturellen Kompetenztest ersetzt werden, welches vielmehr die Fremdsprachenkenntnisse der Bewerber prüfen soll. Dieser Prozess basiert auf einem computergestützten Auswahlverfahren. Die Berliner Polizei sei der Meinung, dass die zukünftigen Polizisten keine perfekten Deutschkenntnisse aufweisen müssten, sondern nur so gut Deutsch sprechen sollten, „dass man der Ausbildung folgen kann.“ Bouffier hingegen fordert Vorsicht vor dem Berliner Verfahren: „Da muss man sehr vorsichtig sein. Am Ende hat man Leute, die schlicht ungeeignet sind.“
Vorhaben nicht ohne Kritik
Aber auch das Vorhaben der hessischen Polizei stößt bei Experten auf Kritik. So sei es verwunderlich, dass man in letzter Zeit vor allem den türkischstämmigen Migranten aufgrund der umstrittenen Berliner Studie „Ungenutzte Potenziale“ mangelnde Sprachkenntnisse und fehlendes Interesse am Erlernen der deutschen Sprache vorwerfe, gleichzeitig aber diese Menschen in ihrer Muttersprache anspreche. Parolen wie „Lest mehr deutsche Zeitungen“ scheinen hier völlig außer Acht gelassen zu sein. Auch die Kritik an der „Parallelgesellschaft“ spiele hier wohl eher eine zweitrangige Rolle. Aus diesem Blickwinkel betrachtet sei die Verwendung einer türkischen Tageszeitung zur effektiveren Bekämpfung ausländischer Kriminellen ein schlechtes Mittel zum Zweck. Vielmehr solle man die Deutschkenntnisse jener potenziellen Polizisten fördern, um sowohl gegen ausländische als auch einheimische Kriminelle besser vorgehen zu können.