Landgericht Aachen

Richterin hebelt AGG bei der ersten Wohnungsmarktklage aus

Bereits bei der ersten Klage wegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt vor dem Aachener Landgericht hat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Lücken offenbart, die den von der Antirassismus-Richtlinie gewollten Diskriminierungsschutz in Frage stellen.

Dienstag, 14.04.2009, 14:11 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 29.08.2010, 16:27 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Im September 2006 sei der dunkelhäutigen Familie C. die Besichtigung einer Wohnung von einer großen Hausverwaltung aus Aachen mit der Begründung verweigert worden, dass „nicht an Neger, äh… Schwarzafrikaner und Türken vermietet“ würde. Die Familie wandte sich umgehend an die juristische Fachberatung des örtlichen Gleichbehandlungsbüros – GBB – Aachen.

Im folgenden haben die Betroffenen gegen die Hausverwaltung Klage 1 wegen Verletzung der Vorschriften des AGG erhoben. 2 In der Verhandlung wurde unter anderem erörtert, ob die Hausverwaltung richtiger Beklagter im Sinne des AGG sein kann. Das Gericht verneinte diese Frage; der Eigentümer sei richtiger Beklagter. Außerdem, so das Gericht, sei „der Beklagte … nicht verpflichtet, den Klägern die ladungsfähige Anschrift der Eigentümerinnen der Wohnung mitzuteilen.

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In der Praxis hat diese Entscheidung weitreichende Folgen, die den Schutz des AGG aushebeln, wenn der Eigentümer einer Mietwohnung für die Diskriminierten unbekannt bleibt. Denn Vertragsanbahnung und -abwicklung werden in der Praxis vielfach von Hausverwaltungen durchgeführt, so dass der Eigentümer für mögliche Mieter nicht in Erscheinung tritt. Ist nur der Eigentümer richtiger Beklagter und die handelnde Hausverwaltung nicht zur Auskunft über diesen verpflichtet, können Diskriminierungsopfer wie Familie C. kaum ihre Rechte aus dem AGG durchzusetzen. Das Grundbuchamt teilt nur Namen, nicht aber Anschriften der Eigentümer mit.

Für die Stiftung „Leben ohne Rassismus“ sei die Klärung dieser Frage von grundsätzlicher Bedeutung für die Bekämpfung von Diskriminierung auf dem deutschen Wohnungsmarkt. Die Antirassismus-Richtlinie schreibe den Mitgliedsstaaten der EU einen wirksamen Diskriminierungsschutz vor und sei unter anderem Grundlage für das AGG. Dieser Schutzzweck des AGG würde ausgehebelt, wenn dem Versteckspiel von Hauseigentümern und –verwaltungen nicht Einhalt geboten werde.

Das Urteil bestätige eine Tendenz der deutschen Gerichte, Diskriminierungen wegen der Hautfarbe und Herkunft als individuelles Problem zwischen Vertragspartnern und nicht als gesellschaftliches Problem wahrzunehmen. Das Urteil lasse im Übrigen den für die Glaubwürdigkeit der Kläger nicht unerheblichen Umstand im Tatbestand des Urteils unerwähnt, dass die Hausverwaltung den Klägern nach deren schriftlicher Beschwerde, mit Hinweis auf eine Verletzung der Vorschriften des AGG, außergerichtlich eine Kulanzzahlung angeboten habe. Auch habe das Gericht die Bestätigung der Benachteiligung der Hausverwaltung gegenüber unbeteiligten Dritten, die auch als Zeugen genannt worden seien, nicht in das Urteil aufgenommen.

Auf Anfrage der MiGAZIN-Redaktion teilte GBB-Aachen mit, dass das Verfahren weitergeführt werde.

  1. Az.: 8 O 449/07
  2. Das Verfahren wurde vom GBB – Aachen durchgeführt und von der Stiftung „Leben ohne Rassismus“ finanziell unterstützt.
Recht
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  1. delice sagt:

    Das ist nichts Neues mehr! Es gibt immer mehr Richter die immer offener das Recht so auslegen, wie es dem Unrecht dient!

    Diesem Trend hat aber leider auch das Bundesverfassungsgericht mit schlechtem Beispiel, in nicht wenigen Grundsatzurteilen gemacht, auch dabei die Vorgabe dazu auch noch geliefert, wenn es z.B. bei der Verletzung von höchstpersönlichen Rechten von Menschen mit einem fremdländischen Hintergrund regelrecht außer Vollzug setzte! Alleine das StAG ist voll davon!

    Und Gerichte können auch zwischen deb Zeilen lesen! Das Bundesverfassungsgericht setzt hier keine Zeichen!
    Deswegen gilt die Rechtsstaatlichkeit für Ausländer und Andersaussehende nicht immer, dass mussten bis dato vor allem türkische Staatsbürger oft genug spüren. Verwunderlich ist denn dann auch nicht der Gang zum EuGH, denn bei deutschen Gerichte wurden die Unrechtstatbestände nie festgestellt, es hat immer einen Ruck durch das EuGH bedurft, und sogar auch dann war es nicht immer einfach!

    Deswegen ist das obige Urteil für mich auch nicht verwunderlich! Ich würde aber bis zum EuGH gehen!
    Dazu muss man nicht einmal den Instanzenweg durchschreiten. Eine Beschwerde bei der EU-Kommisiion genügt hier. Die Eu-Kommission muss dan innerhalb von 3 Monaten reagieren. Sie kann selbst eine Klage beim EuGH einreichen, oder dadurch dem Kläger, durch seine Verweigerunghaltung dadurch eine Klagemöglichkeit verschaffen!

    Die Klage an das EuGH ist an das Gericht der ersten Instanz vom Kläger einzureichen! Dazu gibt es auch eine Prozesskostenhilfe (PKH)!

    Antrag auf Prozesskostenhilfe, gemäß § 166 VwGO i.V.m. sowie § 114 Satz 1 und Satz 2 ZPO i.V.m. §§ 1076 bis 1078 ZPO, wegen der Verletzung Art. 234 EG, mit freier Wahl eines Rechtsanwaltes. Die Beschwerde ist begründet, gemäß § 571 ZPO. Die Beschwerde kann mittels elektronischer Akte, gemäß § 5a, an die beteiligten Parteien verteilt werden, mit der der Bitte um Befreiung von Auslagen und Gebühren, gemäß der §§ 6 Abs. 1 Nr. 4 und 17 u.a. GKG.

    Verstoß des Rechts durch das Landgericht, das gegen den Art. 234 EG, weil es sich weigerte eine Vorabentscheidung gemäß Art. 234 S. 1 lit. a) beim EuGH einzuholen

    Antrag auf Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Straßburg – in dringlicher Sache
    Bisherige Gerichtsakten bittet der Kläger dem EuGH von den unteren deutschen Gerichtsinstanzen anzufordern

    Antrag auf beschleunigtes Verfahren

    Antrag auf Indizente Normenkontrolle, gemäß Art. 241 EGV, wegen der Weigerung der Europäischen Kommission gegen das Mitgliedsstaat Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren, gemäß Art. 226 EGV, einzuleiten.

    Antrag auf Eröffnung einer Nichtigkeitsklage, gemäß Art. 230 EGV i.Vm. Art. 232 [Untätigkeitsklage] EG, wegen der Weigerung der Europäischen Kommission gegen das Mitgliedsstaat Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren, gemäß Art. 226 EGV, einzuleiten

    Antrag auf Entschädigung und Schadensersatz, z.B. wg. § 823 BGB u.a.

    Denn bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht, was ja letzlich auch das AGG ist, weil es aus einer EU-Richtinie gefokgerts ist bzw. umgesetzt worden ist, besteht hier kein Richterrecht! (Siehe hierzu Kommentar von Sodan über Art. 34 GG)