Landgericht Aachen

Richterin hebelt AGG bei der ersten Wohnungsmarktklage aus

Bereits bei der ersten Klage wegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt vor dem Aachener Landgericht hat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Lücken offenbart, die den von der Antirassismus-Richtlinie gewollten Diskriminierungsschutz in Frage stellen.

Im September 2006 sei der dunkelhäutigen Familie C. die Besichtigung einer Wohnung von einer großen Hausverwaltung aus Aachen mit der Begründung verweigert worden, dass „nicht an Neger, äh… Schwarzafrikaner und Türken vermietet“ würde. Die Familie wandte sich umgehend an die juristische Fachberatung des örtlichen Gleichbehandlungsbüros – GBB – Aachen.

Im folgenden haben die Betroffenen gegen die Hausverwaltung Klage 1 wegen Verletzung der Vorschriften des AGG erhoben. 2 In der Verhandlung wurde unter anderem erörtert, ob die Hausverwaltung richtiger Beklagter im Sinne des AGG sein kann. Das Gericht verneinte diese Frage; der Eigentümer sei richtiger Beklagter. Außerdem, so das Gericht, sei „der Beklagte … nicht verpflichtet, den Klägern die ladungsfähige Anschrift der Eigentümerinnen der Wohnung mitzuteilen.

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In der Praxis hat diese Entscheidung weitreichende Folgen, die den Schutz des AGG aushebeln, wenn der Eigentümer einer Mietwohnung für die Diskriminierten unbekannt bleibt. Denn Vertragsanbahnung und -abwicklung werden in der Praxis vielfach von Hausverwaltungen durchgeführt, so dass der Eigentümer für mögliche Mieter nicht in Erscheinung tritt. Ist nur der Eigentümer richtiger Beklagter und die handelnde Hausverwaltung nicht zur Auskunft über diesen verpflichtet, können Diskriminierungsopfer wie Familie C. kaum ihre Rechte aus dem AGG durchzusetzen. Das Grundbuchamt teilt nur Namen, nicht aber Anschriften der Eigentümer mit.

Für die Stiftung „Leben ohne Rassismus“ sei die Klärung dieser Frage von grundsätzlicher Bedeutung für die Bekämpfung von Diskriminierung auf dem deutschen Wohnungsmarkt. Die Antirassismus-Richtlinie schreibe den Mitgliedsstaaten der EU einen wirksamen Diskriminierungsschutz vor und sei unter anderem Grundlage für das AGG. Dieser Schutzzweck des AGG würde ausgehebelt, wenn dem Versteckspiel von Hauseigentümern und –verwaltungen nicht Einhalt geboten werde.

Das Urteil bestätige eine Tendenz der deutschen Gerichte, Diskriminierungen wegen der Hautfarbe und Herkunft als individuelles Problem zwischen Vertragspartnern und nicht als gesellschaftliches Problem wahrzunehmen. Das Urteil lasse im Übrigen den für die Glaubwürdigkeit der Kläger nicht unerheblichen Umstand im Tatbestand des Urteils unerwähnt, dass die Hausverwaltung den Klägern nach deren schriftlicher Beschwerde, mit Hinweis auf eine Verletzung der Vorschriften des AGG, außergerichtlich eine Kulanzzahlung angeboten habe. Auch habe das Gericht die Bestätigung der Benachteiligung der Hausverwaltung gegenüber unbeteiligten Dritten, die auch als Zeugen genannt worden seien, nicht in das Urteil aufgenommen.

Auf Anfrage der MiGAZIN-Redaktion teilte GBB-Aachen mit, dass das Verfahren weitergeführt werde.

  1. Az.: 8 O 449/07
  2. Das Verfahren wurde vom GBB – Aachen durchgeführt und von der Stiftung „Leben ohne Rassismus“ finanziell unterstützt.