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Stacheldraht © JarkkoManty @ pixabay.com (CC 0), bearb. MiG

"Kräftige Dinge"

Bundeskabinett bringt Gesetz für Verschärfungen bei Abschiebungen auf den Weg

Das Bundeskabinett hat dem sogenannten Geordnete-Rückkehr-Gesetz von Innenminister Seehofer grünes Licht gegeben. Über die Verschärfungen bei Abschiebungen muss im Bundestag entschieden werden. Dort deuten sich bereits jetzt Diskussionen an.

Von Corinna Buschow Donnerstag, 18.04.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 25.04.2019, 16:01 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Mehr Haftplätze und leichtere Inhaftnahme, Sozialleistungskürzungen und ein neuer Duldungsstatus: Das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ ist ein Paket mit vielen Verschärfungen, die dazu führen sollen, Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber aus Deutschland konsequenter durchzusetzen. 58 Seiten stark ist der Entwurf, der am Mittwoch das Bundeskabinett passierte. Dazu brachte die Bundesregierung auch eine Reform der Asylbewerberleistungen und Änderungen beim Zugang zu Deutschkursen auf den Weg. „Alles kräftige Dinge“, resümierte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nach der Kabinettssitzung.

Sein Gesetz mit Verschärfungen der Abschieberegeln verfolgt vor allem das Ziel, diejenigen härter anzugehen, die in den Augen der Behörden nicht genügend bei der Ausreise kooperieren, indem sie sich etwa nicht um Papiere bemühen. Es soll künftig Konsequenzen haben, wenn der Verbleib in Deutschland selbst verschuldet ist, sagte Seehofer. Den jetzigen Zustand könne ein Innenminister nicht hinnehmen.

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240.000 Menschen gelten in Deutschland als „vollziehbar ausreisepflichtig“. Bei ihnen ist etwa ein Asylantrag rechtskräftig abgelehnt. 184.000 von ihnen haben aber eine Duldung, entweder aus humanitären oder gesundheitlichen Gründen – oder weil ihre Identität nicht geklärt ist. Der Herkunftsstaat nimmt sie dann nicht zurück. Was Seehofer außerdem ärgert: 2018 sind mehr Abschiebeversuche – 31.000 – gescheitert, als erfolgten: rund 26.000.

Woran Abschiebungen scheitern?

Um das zu ändern, sollen die Schwellen für die Inhaftnahme abgesenkt werden. Vorgesehen ist zudem die Einführung einer Mitwirkungshaft, mit der Ausländer bis zu 14 Tage festgehalten werden können, um sie zu einem Termin bei der Botschaft zu zwingen. Abschiebetermine sollen zu Dienstgeheimnissen erklärt werden, um zu verhindern, dass Betroffene vorher davon erfahren und untertauchen.

Ungeklärt ist allerdings, warum die Zahl der Abschiebungen so hoch ist. Wie die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage einräumte, liegen ihr hierzu keine aussagekräftigen Informationen vor. Fest steht allerdings, dass die große Zahl gescheiterter Abschiebungen sich daraus ergeben, dass auch solche Abschiebungen in der Statistik berücksichtigt werden, die vor der Übergabe der Abzuschiebenden an die Bundespolizei scheiterten; das waren 27.636 von 30.902 (89,5 %).

Pro Asyl kritisiert „weitreichende Eingriffe“

„Herzstück“ des Gesetzes ist nach Worten von Seehofer ein neuer Status für sogenannte Mitwirkungsverweigerer. Für Menschen mit einer „Duldung für Personen mit ungeklärter Identität“ sollen eine Wohnsitzauflage und ein Arbeitsverbot gelten. Zudem wird ihre Aufenthaltsdauer in Deutschland nicht angerechnet, wenn es um das Anstreben eines Daueraufenthaltsrechts geht.

„Kräftige Dinge“ finden das alles auch Opposition und Nichtregierungsorganisationen. Pro Asyl sprach von weitreichenden Eingriffen, die die Rechte geflüchteter Menschen systematisch abbauen würden. Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte, dass die Menschen mit dem neuen Duldungsstatus von Integrationsangeboten ausgeschlossen werden. Das sei ein Rückschritt in der Integrationspolitik.

Jelpke sieht Verstoß gegen EU-Recht

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie redete von „unverhältnismäßigen Verschärfungen“. Er stellte infrage, ob die Grundannahme, dass viele Ausreisepflichtige ihrer Pflicht zur Mitwirkung nicht nachkommen, richtig ist. Immerhin seien viele aus nachvollziehbaren Gründen geduldet: unbegleitete Minderjährige oder Eltern von Kindern mit Aufenthaltsstatus.

Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke sieht in der geplanten Aussetzung der Trennung von Abschiebe- und regulärer Strafhaft einen Verstoß gegen europäisches Recht. Das verbietet die gemeinsame Unterbringung. Das Ministerium beruft sich bei der Aussetzung dieses Gebots, die die Zahl der Abschiebehaftplätze auf 1.000 verdoppeln soll, auf eine Notlage.

Änderungswünsche auch in der Union

Die Grünen kritisierten die im Asylbewerberleistungsgesetz vorgesehenen Kürzungen. Durch eine Neuberechnung werden die Sätze für alleinstehende Asylbewerber demnach um zehn auf 344 Euro sinken, für Menschen in Sammelunterkünften von 318 auf 310 Euro. Damit würden soziale Rechte von Flüchtlingen ausgehöhlt, kritisierte die Bundestagsabgeordnete Filiz Polat (Grüne) in einem Gastbeitrag in diesem Magazin.

Auch aus der Unionsfraktion kommen bereits Änderungswünsche – in die andere Richtung. Der stellvertretende Vorsitzende Thorsten Frei (CDU) forderte unter anderem geringere Voraussetzungen für den Abschiebegewahrsam. Seehofer selbst sieht die anstehenden Diskussionen im Parlament gelassen. Dass es selbst innerhalb der Union unterschiedliche Auffassungen in der Migrationspolitik gibt, sei ja „keine Welt-Uraufführung“, sagte er. (epd/mig) Leitartikel Politik

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