Justiz, Urteil, Entscheidung, Richterhammer, Hammer, Beschluss
Die Justiz @ pixabay, CC0 Public Domain, bearb. MiG

Gericht entscheidet

Kinder tragen Abschiebungskosten

Müssen 16-jährige die Kosten für ihre Abschiebung erstatten? Ein Gericht hat entschieden: Ja, sie müssen. Denn laut Ausländerrecht ist man schon ab 16 voll haftbar. Hätte Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention umgesetzt, hätte das Gericht anders entschieden.

Dienstag, 24.02.2015, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 25.02.2015, 16:43 Uhr Lesedauer: 1 Minuten  |  

November 1995. Auf dem Balkan tobt ein erbitterter Konflikt. Die in Belgrad geborene Sladjana (Name geändert) flieht als Neunjährige gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern nach Deutschland. Sie beantragen erfolglos Asyl, werden aber geduldet – bis 2002. Mit 16 Jahren wird sie gemeinsam mit ihrer Familie nach Belgrad abgeschoben. Zehn Jahre später kehrt Sladjana zurück und lebt seitdem gemeinsam mit ihrem Kind und ihrem deutschen Ehemann wieder in Deutschland. Ruhe vor der Ausländerbehörde hat sie aber bis heute nicht.

Denn wie aus dem Nichts kommt die Ausländerbehörde auf die Idee, Sladjana die Abschiebungskosten aus dem Jahr 2002 aufzuerlegen. Es kommt zum Rechtsstreit, bei dem das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (8 LC 163/13) das letzte Wort spricht: Sladjana muss die Kosten erstatten.

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Zur Begründung verweisen die Richter auf das Ausländerrecht. Danach sind Kinder, die das sechzehnte Lebensjahr vollendet haben, ausländerrechtlich voll handlungsfähig. Weil Sladjana zum Zeitpunkt der Abschiebung bereits siebeneinhalb Monate lang 16 Jahre alt war, müsse sie für die Kosten aufkommen.

Dass sie ihre Einreise nach Deutschland mit neun Jahren nicht beeinflussen konnte, sei irrelevant. Das gleiche gelte für ihre Abschiebung, auch wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht die Eltern innegehabt haben. Sie hätte ihren ausländerrechtlichen Pflichten alleine nachkommen müssen, begründen die Richter die Entscheidung.

Anders wäre die Rechtslage gewesen, wenn die Vorschriften der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland umgesetzt worden wären. Denn sie sichert allen Menschen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, besonderen Schutz zu. Deutschland unterzeichnete dieses Abkommen zwar bereits im Jahr 1992, allerdings unter Vorbehalt: Kinder, die das sechzehnte Lebensjahr vollendet hatten, sind bis heute ausländerrechtlich voll handlungsfähig. (sl) Aktuell Recht

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  1. H.P.Barkam sagt:

    Ich lebe in einem Land voller Sch…!

    H.P.Barkam

  2. Andreas Katz sagt:

    Der Vorbehalt zur Kinderrechtskonvention ist 2010 zurückgezogen worden. Allerdings hat er zum Zeitpunkt der Abschiebung noch gegolten. Das eigentliche Unrecht ist, dass Flüchtlinge ihren Rauswurf auch noch selbst bezahlen sollen, selbst und gerade, wenn sie zu einem späteren Zeitpunkt rechtmäßig einwandern. Dass sogar Jugendliche, die selbst nach deutschem Jugendrecht nur eingeschränkt rechtsfähig sind und gar keine andere Chance haben, als ihren Eltern zu folgen, damit belastet werden, ist noch das Sahnehäubchen oben drauf.

  3. karakal sagt:

    Ist der deutsche Staat so geizig und habgierig? Die Schwachen werden nach allen Regeln der Kunst ausgepreßt und geschäftlich ruiniert, wenn sie nicht zahlen (können), aber den Großen und Mächtigen gewährt man alle möglichen Vergünstigungen, insbesondere den Großbanken.

  4. humanoid sagt:

    deutschland deutschland , ich muss kotzen !

  5. Mike sagt:

    „Das eigentliche Unrecht ist, dass Flüchtlinge ihren Rauswurf auch noch selbst bezahlen sollen“

    Was hindert einen abgelehnten Asylbewerber ggf. sogar unterstützt mit finanziellen Mittel von IOM freiwillig aus Deutxchland auszureisen? Vor der Abschiebung steht stets die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise

  6. H.P.Barkam sagt:

    @Mike

    Schon mal Kind gewesen?

  7. Mike sagt:

    H.P.Barkam:

    Was wollen Sie mit Ihrem letzten Kommentar sagen?

  8. Fragender sagt:

    Die Abschiebung steht ja nur am Ende eines ewig langen Prozesses, bei dem es zuvor viele juristische Einspruchmöglichkeiten, Prüfungen, Anhörungen etc gab. Nicht umsonst dauern Asylverfahren teilweise Jahre.

    Hier wird immer so getan, als würden Asylverfahren ausgewürfelt und willkürlich innerhalb von zwei Minuten entschieden. Natürlich immer von einem missgünstigen Beamten. Dabei ist das ein rechtstaatlicher Prozess, den es – mit Ausnahme einiger anderer europäischer Länder – nirgendwo sonst auf der Welt gibt.

    Und wenn dieser Weg dann irgendwann zuende gegangen ist, gibt es mehrere Ausreiseaufforderungen. Und nur, wenn man die alle beharrlich ignoriert, wird man abgeschoben.

    Dann organisiert der Staat eine Ausreise unter Zwang und fordert dafür auch die Kosten ein bei Wiedereinreise.

    Übrigens ist auch ein deutscher Staatsbürger mit 16 Jahren eingeschränkt geschäftsfähig.