Wahn & Zen

Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen

IS und Al-Qaida kämpfen um den Titel "Arabien such den Top-Terroristen", in Hamburg gewinnen Titten und Ärsche Wahlkämpfe und in Dresden möchte ein Dealer, der Asyl in Südafrika suchte, Bürgermeister werden. Der alltägliche "Wahn & Sinn" von Sven Bensmann.

Von Dienstag, 24.02.2015, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 28.03.2015, 19:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Es gibt epochale Ereignisse im Leben eines Menschen, da er beginnt, die Dinge in Frage zu stellen. Vieles scheint plötzlich irgendwie nicht mehr wichtig, während sich plötzlich Fragen stellen, die sich vorher nicht stellten. Dinge wirken seltsam fern und unwichtig.

Wenn ein Arzt das Wort „Organspende“ und „Herz“ in einem Sinnzusammenhang nennt, kann das so ein Fall sein. Plötzlich schwirren einem Dinge durch den Kopf wie: „Muss ich jetzt auch meinen Kopf rasieren, ins Imperiengeschäft einsteigen und Meth kochen?“, „Wo zur Hölle krieg ich so schnell einen Pinkman her?“ und „Who the fuck war nochmal Lutz Bachmann?“.

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Auch: „Wer bin ich?“

Die Ersteren klingen zwar zunächst lukrativ, hat aber schon jemand gemacht. Und Bachmann? War das nicht dieser ostdeutsche Dealer, der Asyl in Südafrika suchte und jetzt Bürgermeister von Dresden werden will, um die schier erdrückende Übermacht von 1% Muslimen an der Machtübernahme zu hindern? Occupy Dresden sozusagen. Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen.

Immerhin, gut 2000 frühere SED-Wähler streiten mit ihm noch in dieser Sache und gehen auf die Straße, wenn er ruft: Zahlen bei der die FDP neidisch wird. Oder besser: wurde. Denn dank Titten und Ärschen – die Titten in der Gala und die altbekannten Ärsche in der Parteizentrale – gelang es der FDP immerhin, halb so viele Menschen zur Stimmabgabe zu bewegen, wie die CDU von Dietrich Wer? Das macht für beide zusammen fast dreizehneinhalb Prozent aller Wähler: bei diesen Zahlen kein Wunder, dass Hamburg als die deutsche Stadt mit den glücklichsten Einwohnern gilt.

Ähnliches galt ja bisher auch für die Metropole auf der anderen Seite der jütischen Grenze: Kopenhagen. Also nicht, dass die kaum FDP-Wähler und Funktionäre ertragen mussten, was auch stimmt, sondern, dass die Kopenhagener ganz einfach glückliche Menschen waren.

Und dann wurde die Stadt zum Spielplatz der neue Nummer 1 Castingshow: Arabien sucht den Topterroristen – die Platzhirsche IS und Al-Qaida konkurrieren um den Sieg und legen bei ihrem metaphorischen Schwanzvergleich die Welt in Asche. Israels Likud wiederum ist sich nicht zu doof, sich auf dieser Asche einen runterzuholen – das war ja schon bei Paris nicht anders. Exstirpation des Geistes zu Gunsten des Wahlerfolgs.

Wenn Sie keinen Krieg erleben wollen, dann fahren Sie doch mal nach Israel, in jenes idyllische Land an der Levante, in dem alle Menschen Freunde sind und Gaza ganz weit weg. Mit freundlichen Grüßen, Ihre Regierung Netanjahu.

Die Radikalen, die Ihre Wahrheit für die einzig Wahre halten und verbissen kämpfen, in Dresden, der Ukraine und in Syrien, in den USA, in Israel und sonstwo, sind praktisch überall auf dem Vormarsch: alle guten Dinge haben etwas lässiges und liegen wie Kühe auf der Wiese.

Seltsam ist auch, dass ich gar keine „Jeg er jøde“-Sprechchöre gehört oder entsprechende Schilder gesehen habe – aber das ist wohl zu viel verlangt; dabei wollte selbst PEGIDA Charlie sein.

Beiläufig gesagt: das ganze Problem der Juden ist nur innerhalb der nationalen Staaten vorhanden, insofern hier überall ihre Thatkräftigkeit und höhere Intelligenz, ihr in langer Leidensschule von Geschlecht zu Geschlecht angehäuftes Geist- und Willenscapital, in einem neid- und hassenserweckenden Maasse zum Uebergewicht kommen muss, so dass die litterarische Unart fast in allen jetzigen Nationen überhand nimmt – und zwar je mehr diese sich national gebären -, die Juden als Sündenböcke aller möglichen öffentlichen und inneren Uebelstände zur Schlachtbank zu führen. – Friedrich Nietzsche.

Immerhin steht am Ende die Erkenntnis: Auch wenn ich Sven bin, kann ich Charlie sein – und wenn selbst PEGIDA Charlie sein kann, kann ich auch Jude sein; ohne an irgendwas zu glauben. Wenn es Götter gäbe, wie hielte ich’s aus, kein Gott zu sein! Also gibt es keine Götter.

Jeg er jøde.

Achja, und der Furor ist auch wieder da. Aktuell Meinung

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  1. Ulli sagt:

    Die Demokratie bringt es mit sich, dass vom Anstreicher bis zum Animiermittelhändler ein jeder zu höchsten politischen Ämtern aufsteigen kann. Wenn man sich über gewisse Leute empört, sollte man sich schon fragen, ob man sie nicht auch hofiert hat. Es ist ja nicht so, dass öffentliche Diskurse in Deutschland heutzutage durch ihr elitäres Niveau auffallen.