
Aus formellen Gründen
Gericht lehnt Visum-Klage afghanischer Ortskraft ab
Der Afghane hat in seiner Heimat im deutschen Auftrag einheimische Polizisten unterrichtet. Jetzt bangt er um sein Leben. Ein Gericht verweigert ihm dennoch die Einreise nach Deutschland. Begründung: Er habe den Antrag falsch gestellt.
Montag, 09.06.2025, 11:46 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 09.06.2025, 11:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Eine afghanische Ortskraft und seine Familie dürfen infolge einer Entscheidung des Berliner Oberverwaltungsgerichts (OVG) nicht nach Deutschland einreisen. Das Gericht hat eine Klage des Mannes auf das Erteilen von Einreisevisa abgewiesen, wie es mitteilte. Der Mann hatte nach eigenen Angaben seit 2014 bis zur Machtübernahme der Taliban in Afghanistan vor wenigen Jahren im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Alphabetisierungskurse für afghanische Polizisten gegeben zu haben.
Er sei deshalb im eigenen Land unter den neuen Machthabern in Gefahr. Den Angaben des Gerichts zufolge hatte der Mann im August 2021 deshalb eine sogenannte Gefährdungsanzeige bei der GIZ per Mail gestellt. „Nachdem in der Folge eine Aufnahme nicht erklärt wurde, erhoben die Kläger im April 2022 Klage auf Erteilung von humanitären Visa zur Einreise in die Bundesrepublik“, teilte das OVG weiter mit.
Gericht: Gefährdungsanzeige ist kein Visumantrag
Diese Klage wies der zuständige Senat nun ab. Eine Begründung: „Die Kläger haben nicht den für die Visumserteilung erforderlichen Antrag bei einer deutschen Auslandsvertretung gestellt.“ Die Gefährdungsanzeige sei kein Visumsantrag und stehe diesem auch nicht gleich. „Die Anzeige ist vielmehr dem Visumverfahren vorgeschaltet und löst lediglich einen behördeninternen politischen Willensbildungsprozess aus“, hieß es.
Die Aufnahme von Ortskräften im Bundesgebiet müsse zudem laut Gesetz der „Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ dienen, teilte das OVG mit. „Ob dies der Fall ist, befindet allein die Bundesregierung in jedem Einzelfall im Rahmen ihres weiten politischen Entscheidungsspielraums.“ Diese Regelung begründe kein Recht auf Aufnahme.
Tausende Ortskräfte harren in Pakistan aus
Nach der Eroberung Kabuls durch die Taliban im Sommer 2021 hatten zahlreiche internationale Kräfte fluchtartig das Land verlassen. Am Kabuler Flughafen kam es zu chaotischen Szenen, als Afghanen aus Angst vor den Taliban versuchten, sich von außen an abhebende Militärmaschinen zu klammern. Das Flugzeug hob dennoch ab, zahlreiche Menschen stürzten zu Boden. Die Bilder gingen um die Welt. Der Bundestag legte vor einigen Monaten den Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses zu den Vorgängen vor. Er beschreibt eklatantes Versagen sowie fehlendes menschliches Verständnis für das Schicksal der Ortskräfte.
Noch immer harren rund 2.500 ehemalige afghanische Ortskräfte in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad aus und warten auf eine Einreise nach Deutschland. Darunter waren im April dieses Jahres nach Angaben des Bundesinnenministeriums etwa 350 ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen mit ihren Angehörigen. Laut Auswärtigem Amt sind über verschiedene Aufnahmeprogramme insgesamt bislang 36.300 Afghanen eingereist, darunter 20.800 Menschen aus dem Ortskräfte-Verfahren.
Wadephul will an Aufnahmezusagen festhalten
Die neue Bundesregierung will an den bereits getätigten Aufnahmezusagen für gefährdete Afghanen festhalten. „Wo wir Aufnahmezusagen in rechtlich verbindlicher Form gegeben haben, halten wir die selbstverständlich ein“, sagte Außenminister Johann Wadephul (CDU) während einer Regierungsbefragung am Mittwoch im Bundestag. Ein genaues Datum für die Ausreise der rund 2.500 Personen könne er jedoch nicht sagen. Im Jahr 2022 teilte die Bundesregierung mit, dass 25 ehemalige afghanische Ortskräfte der deutschen Bundeswehr seien seit der Machtübernahme der Taliban verstorben – mindestens sieben gewaltsam oder durch Suizid.
Gegen das Urteil des OVG ist keine Revision zugelassen. Es besteht die Möglichkeit, Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einzulegen. (dpa/epd/mig) Aktuell Recht
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