
„Verschleppte Gerechtigkeit“
Chemnitz 2018: Weiterer Prozess nach mehr als sechs Jahren
Im Spätsommer 2018 rückte Chemnitz mit Ausschreitungen von Rechtsextremen überregional in die Schlagzeilen. Die strafrechtliche Aufarbeitung ist bis heute nicht abgeschlossen – zum Leidwesen der Opfer. Jetzt steht ein weiterer Prozess an.
Sonntag, 11.05.2025, 11:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 11.05.2025, 14:19 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Mehr als sechseinhalb Jahre nach gewalttätigen Ausschreitungen in Chemnitz beginnt am Dienstag am Landgericht der sächsischen Stadt ein weiterer Prozess gegen mutmaßliche Rechtsextremisten. Die Anklage richtet sich gegen vier Männer. Ihnen werde Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen, teilte das Landgericht am Donnerstag in Chemnitz mit. Die Angeklagten sollen am 1. September 2018 in Chemnitz Demonstranten angegriffen haben.
Weil die mutmaßlichen Täter zum Zeitpunkt der Angriffe Heranwachsende waren, findet das Verfahren für die inzwischen 24- bis 27-jährigen Angeklagten nach dem Jugendstrafrecht statt. Nach Angaben des Landgerichts sind die vier Angeklagten 2018 auf Teilnehmende der Versammlung „Herz statt Hetze“ mit Fäusten und Knüppeln losgegangen.
Opferberatung wirft Justiz verschleppte Aufarbeitung vor
Die Opferberatung des RAA Sachsen in Chemnitz wirft den Behörden eine verschleppte Aufarbeitung dieser Ereignisse vor. Die Verfahren seien mit großer Verzögerung eröffnet und zudem oft eingestellt worden, erklärte die Opferberatung. Die Justiz habe es über Jahre hinweg versäumt, angemessen auf die Attacken von Neonazis vom 1. September 2018 zu reagieren. Es brauche seitens der Justiz ein klares Signal des Schutzes für alle, die sich gegen rechte Gewalt einsetzten.
Der erwartete Prozess ist Teil des „Chemnitz-2018-Komplexes“. Die Angriffe auf Gegendemonstranten in Chemnitz hatten bundesweit für Schlagzeilen gesorgt und haften der diesjährigen Kulturhauptstadt Europas bis heute an. An dem Neonazi-Aufmarsch am 1. September 2018 hatten sich auch Mitglieder der AfD und der Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ sowie der Partei „Pro Chemnitz“ beteiligt. Im Netz tauchten Videos auf, die als „Hetzjagd“ große Kreise im In- und Ausland zogen.
Nur ganz wenige und milde Verurteilungen bisher
Der damalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, hatte Zweifel an der Echtheit des Videos geäußert und eine Debatte über seine Eignung als Verfassungsschutz-Chef ausgelöst. Später wurde von seinem Amt entfernt. Heute zählt Maaßen zu einem der führenden Köpfe in Deutschland im rechten Spektrum und steht laut Verfassungsschutz selbst im Visier des Inlandsgeheimdienstes.
Im September 2021 hatte die Generalstaatsanwaltschaft Dresden drei Anklagen am Landgericht Chemnitz erhoben. Darin wurden insgesamt 27 Beschuldigten aus Thüringen, Sachsen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vorgeworfen, an den Ausschreitungen 2018 beteiligt gewesen zu sein. In einem ersten Prozess waren von zunächst neun Angeklagten am Ende noch drei übrig. Gegen sie wurde das Verfahren gegen Zahlung von jeweils 1.000 Euro eingestellt. (epd/dpa/mig) Leitartikel Panorama
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