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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Jedem Ende wohnt ein Anfang inne

Was für eine Woche: USA wählt Trump, Scholz entlässt Lindner, Merz will Vertrauensfrage, traut sich aber kein Misstrauensvotum. Derweil sondiert die CDU in Sachsen inoffiziell mit der AfD: a.D. (lies: adé) Brandmauer.

Von Montag, 11.11.2024, 11:08 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 11.11.2024, 12:29 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Es war grundsätzlich eine Woche der (unpopular opinion) guten Nachrichten, die hinter uns liegt: Die USA haben mit der Wahl Trumps einen zweiten Sezessionskrieg vorerst abgewendet und den halbwegs geordneten Abstieg des Landes von der Weltmacht zur Regionalmacht beschlossen, statt die ganze Welt ins Chaos zu stürzen.

Dem Land steht nun ein massiver Umbruch zuvor. Was das bedeuten könnte, konnte man die Woche über natürlich auch in den sozialen Medien sehen: Von dem frommen Wunsch, die Wähler der Republikaner mögen doch jetzt bitte auch bekommen, was sie gewählt haben – was nicht wenige Trumpisten als offene Drohung verstanden haben – bis hin zum konkreten Plan, Firmen und Chefs anzuzeigen, die einerseits Trump gewählt haben und andererseits undokumentierte, im MAGA-Jargon „illegale“ Einwanderer beschäftigen, sowie die undokumentierten Angehörigen von Trump-Wählern ab dem 20. Januar – also Trumps Amtsantritt – bei den Behörden zu melden und deportieren zu lassen, war viel (Un-)Schönes dabei; sozusagen angewandte Dialektik, frei nach dem von Karl Popper beschriebenen Toleranz-Paradoxon: Tolerante Kräfte dürfen nicht aufgrund ihrer eigenen Toleranz intoleranten Kräften erlauben, diese Toleranz einzuschränken oder gar ganz abzuschaffen; Intoleranz muss immer mit Intoleranz begegnet werden. Natürlich birgt das Gefahren, denn man kann Rassismus natürlich nicht dadurch bekämpfen, dass man marginalisierten Minderheiten die Solidarität entzieht. Schon im Hinblick auf die Sympathien der „kleinen Paschas“ hierzulande für AfD und fremdenfeindliche Rhetorik lohnt es sich, die kommenden Entwicklungen im Blick zu behalten.

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Kurz nach der langen Nacht der US-Wahl kam dann direkt noch der Wumms aus Berlin: Das Hamburger Tebonin-Maskottchen Scholz schmiss den liberalen Durex-Politiker Lindner mitsamt seiner vom Stockholm-Syndrom erfassten Partei endlich aus der Regierung. Dass dabei ausgerechnet Volker Wissing im Amt verbleibt, der bisher selbst vor allem als Politik-Verhüterli aufgefallen ist, das sich beständig Verkehrswende und Tempolimit verweigert, ist schon bemerkenswert.

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Mit dem Austritt aus der FDP ist aber klar, dass er allen Beteuerungen zum Trotz bereits einen klaren Plan hat, sei es, weil er aus der Politik ausscheiden will, oder, um als Spitzenkandidat einer anderen liberalen Partei – die im Gegensatz zur FDP regierungsfähig ist – noch einmal in den Wahlkampf einsteigen zu können. Dazu wäre es allerdings wohl nötig, jetzt noch einmal Akzente gegen die Verkehrspolitik Lindners zu setzen. Ob das in dieser Regierung überhaupt noch möglich sein wird, müsste sich allerdings erst einmal zeigen.

„In Sachsen beginnt die CDU, vor den Trümmern ihrer eigenen völlig verkorksten Koalitionsaussagen, derzeit wohl inoffizielle Sondierungen mit der AfD: a.D. (lies: adé) Brandmauer.“

Was in diesem Trubel dann praktisch völlig unterging: In Sachsen beginnt die CDU, vor den Trümmern ihrer eigenen völlig verkorksten Koalitionsaussagen, derzeit wohl inoffizielle Sondierungen mit der AfD: a.D. (lies: adé) Brandmauer. Dass diese nicht nur kurz vor dem endgültigen Abbruch der Koalitionsverhandlungen mit SPD und BSW begannen, sondern auch kurz nachdem mehrere sächsische AfD-Politiker wegen Terrorismusverdacht verhaftet worden waren, ist beachtlich. Es wirft auch ein Schlaglicht auf die eigentliche politische Schwäche der CDU/CSU, die derzeit den Blackrock-Lobbyisten Merz wie einen Scheinriesen als zukünftigen Kanzler erscheinen lässt – obwohl sich der, je näher wir der Wahl kommen, letztendlich als Zwerg entlarven muss, der vor lauter Ausschließeritis – außer der SPD – keinerlei mögliche Koalitionspartner mehr übrig hat und sich schon deshalb deren Konditionen, womöglich sogar einen SPD-Kanzler (wenn die doch nur Eier hätte!) wird aufzwingen lassen müssen. Ob ihm die Wähler angesichts einer fehlenden Machtoption außerhalb der großen Koalition nicht ohnehin abwandern werden, steht dabei noch auf einem ganz anderen Blatt. Wenn ihm auf Länderebene dann auch noch eine offene Zusammenarbeit mit der AfD in die Parade zu fahren droht, ist eine massive Wählerwanderung weg von der Union jedenfalls nicht mehr ausgeschlossen.

Es mag auch genau diese Unsicherheit sein, die dem Möchtegern-Kanzler eine solche Heidenangst einjagt, dass er zwar für den billigen populistischen Effekt den Kanzler auffordert, sofort die Vertrauensfrage zu stellen – wohlwissend, dass Scholz gerade einen konstruktiven und gangbaren Weg vorgeschlagen hat und davon erst einmal nicht wird abweichen wollen – andererseits aber davor zurückscheut, selbst ein Misstrauensvotum ins Plenum einzubringen, das ja denselben Effekt hätte: Es scheint fast so, als habe darauf angesprochen in der gesamten Union demonstrativ niemand eine Ahnung, was so ein Misstrauensvotum überhaupt sein soll – aber das ist natürlich Quatsch. Die Union zittert, wie das Kaninchen vor der Schlange, vor Neuwahlen. Dass sie offenbar darauf setzt, dass ihre Wähler nicht irgendwann selbst die Frage stellen, warum sie dieses Mittel nicht ergreift, zeugt dabei von hohem Vertrauen in die Dummheit der eigenen Wähler: Nicht gerade schmeichelhaft.

„Allen aktuellen Umfragen zum Trotz steht noch lange nicht fest, wer der nächste Kanzler der Bundesrepublik wird.“

Wenn Merz dann doch noch leise behaupten lässt, ein solches Misstrauensvotum habe aktuell keine Aussicht auf eine Mehrheit, dann lässt das für alle, die der Mathematik auf Grundschulniveau fähig sind, eigentlich nur einen von zwei Schlüssen zu: Entweder, der Bundeskanzler hat das Vertrauen der Mehrheit des Bundestages, und das heißt, dass er natürlich auch weiterregieren kann – oder Merz lügt dreist und versucht auch hier das deutsche Volk für dumm zu verkaufen.

Die Koalitionssuche gerade in Sachsen enthält für Merz zwischenzeitlich eine solche Sprengkraft, dass das Bundesland im Alleingang die Chancen Merz’, Kanzler zu werden, zunichtemachen könnte, auch, weil es der CDU in Sachsen am Ende schlicht gar nicht gelingen könnte, eine Regierung auf die Beine zu stellen. Wenn dann gerade auch noch die AfD-dominierten Ostländer Alarm schlagen, weil sie dringend mehr Einwanderer aus dem Ausland brauchen, um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten, während Merz sich bereits auf einen fremdenfeindlichen und migrationsfeindlichen Wahlkampf eingeschossen hat, dann ergibt sich das Bild, dass die Union potenziell auf ein Wahldebakel zusteuert. Allen aktuellen Umfragen zum Trotz steht noch lange nicht fest, wer der nächste Kanzler der Bundesrepublik wird. Meinung

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  1. anke sagt:

    danke! dieser humorvolle und scharfsinnige Artikel hat mir den Morgen versüßt!