Monitoringbericht
Ukrainische Roma-Geflüchtete in Deutschland massiv benachteiligt
Unter den Tausenden Ukraine-Flüchtlingen sind auch Angehörige der Roma-Minderheit aus dem Land. Im Gegensatz zu den anderen Flüchtlingen werden sie laut einem aktuellen Bericht nicht immer mit offenen Armen empfangen – im Gegenteil: sie werden massiv benachteiligt.
Donnerstag, 18.04.2024, 15:40 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 19.04.2024, 9:24 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) hat in Deutschland zahlreiche Fälle von Diskriminierung von geflüchteten ukrainischen Roma registriert. Roma, die seit Februar 2022 vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet seien, erlebten direkte, strukturelle und institutionelle Benachteiligung, heißt es in dem am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Monitoringbericht.
MIA-Bundesgeschäftsführer Guillermo Ruiz Torres betonte, die alltägliche Diskriminierung zeige sich an einem fehlenden oder eingeschränkten Zugang dieser Menschen zu menschenwürdigem Wohnraum, zu Bildung, Sozialleistungen und zu weiteren Hilfs- und Dienstleistungen. Unter anderem spricht der Bericht von einem diskriminierenden Umgang der Betroffenen durch Polizeibeamte, Mitarbeiter der Deutschen Bahn, in der Verwaltung, in der Sozialen Arbeit sowie im Bildungssektor.
Segregation in Schulen und Flüchtlingsheimen
Geflüchtete ukrainische Roma würden in Geflüchtetenunterkünften und Schulen „segregiert“ und müssten zum Teil monatelang auf einen Schulplatz warten. Die betroffenen Kinder hätten geringere oder gar keine Chancen, erfolgreich am deutschen Bildungssystem teilzuhaben.
Zudem würden Roma verdächtigt, keine „echten Kriegsflüchtlinge“ zu sein. So gebe es „Aufforderungen der Bundes- und Landesbehörden“ vom Herbst 2022 an die zuständigen untergeordneten Behörden, Geflüchteten, die neben der ukrainischen auch die Staatsbürgerschaft eines EU-Landes, in der Regel Ungarn, besitzen, die Flüchtlingseigenschaft und damit die vom Gesetz her zustehende Unterstützung zu verweigern.
Meldestelle beklagt „antiziganistische Diskriminierung“
MIA verurteilte dies Vorgehen als „antiziganistische Diskriminierung“ und forderte die Rücknahme dieser Verwaltungspraxis. Vielmehr müssten die ukrainischen Roma als Nachkommen von Holocaust-Überlebenden sowie die wenigen Überlebenden des Völkermords von der Bundesregierung als besonders schutzwürdige Gruppe anerkannt werden, sagte Ruiz Torres.
Unter Berufung auf die UN-Flüchtlingshilfe heißt es in dem MIA-Bericht, zu Beginn dieses Jahres, fast zwei Jahre nach Beginn des Ukraine-Krieges, hätten mehr als 6,3 Millionen Menschen aus der Ukraine Zuflucht im Ausland gesucht. Mehr als 1,1 von ihnen flüchteten nach Deutschland. Laut MIA-Bericht gehen Schätzungen von bis zu 400.000 in der Ukraine lebenden Roma aus. Bei einer Volkszählung in der Ukraine im Jahr 2001 hätten sich lediglich 47.600 Personen selbst als Roma bezeichnet. Wie viele von ihnen nach Deutschland geflüchtet sind, ist unbekannt.
Zentralrat beklagt „vorurteilsbeladenes Bild“ in Medien
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma sieht sich durch den aktuellen Antiziganismus-Bericht bestätigt. „Roma werden als Kriegsflüchtlinge wegen ihrer Abstammung rassistisch ausgegrenzt“, erklärte der Vorsitzende des Zentralrats, Romani Rose.
Verstärkt werde dies „durch die Berichterstattung einiger Medien“. Deren „vorurteilsbeladenes Bild“ sorge „für den Ausschluss der Minderheit von der deutschen Aufnahmekultur, nicht nur in der Bürokratie, sondern auch in der Gesellschaft“. Die Menschen, die in Deutschland ankämen, seien durch den Krieg oft schwer traumatisiert und verdienten Schutz und nicht Ablehnung und Antiziganismus
Polat erinnert an historische Verantwortung
Grünen-Bundestagsabgeordnete Filiz Polat fordert, „Romnja und Rom, die vor dem schrecklichen Krieg Putins in der Ukraine fliehen, müssen in Deutschland dieselben Startchancen bekommen wie alle Ukrainerinnen und Ukrainer auch. Das gilt hierzulande ganz besonders, weil viele der Geflüchteten Nachfahren von Überlebenden des Völkermords an den europäischen Roma durch die Nationalsozialisten sind.“
Polat verweist auf einen Bundestagsbeschluss aus 2023, in der die historische Verantwortung der Bundesrepublik gegenüber der Roma-Minderheit betont wurde. „Hier sind alle politischen Verantwortlichen in der Pflicht, die Gleichbehandlung sicherzustellen – und ebenso die Behörden“, so die Grünen-Politikerin. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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