Bollwerk gefallen
Heftiger Rechtsruck bei Parlamentswahl in Portugal
Portugal galt lange als Bollwerk gegen Rechtsextreme. Doch Korruption, Wohnungsnot und andere soziale und wirtschaftliche Probleme haben dem bei dieser Richtungswahl wohl ein Ende gesetzt.
Montag, 11.03.2024, 12:36 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 17.03.2024, 12:35 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Portugal ist bei der vorgezogenen Neuwahl des Parlaments laut Medienprognosen weit nach rechts gerückt. Nach einer als zuverlässig geltenden Wählerbefragung des staatlichen Fernsehsenders RTP gewann das konservative Bündnis Demokratische Allianz (AD) von Spitzenkandidat Luís Montenegro die Abstimmung am Sonntag mit 29 bis 33 Prozent. Nur auf Platz zwei landete demnach die seit Ende 2015 regierende Sozialistische Partei (PS) von Pedro Nuno Santos mit 25 bis 29 Prozent.
Für den Rechtsruck zeichnete aber in erster Linie nicht die AD, sondern die erst 2019 gegründete populistische Partei Chega (Es reicht) verantwortlich, die laut RTP beträchtlich zulegte: laut Erhebung des Senders gleich von gut sieben Prozent bei der letzten Wahl Anfang 2022 auf nunmehr 14 bis 17 Prozent. Wie von allen Meinungsforschungsinstituten vorhergesagt, fällt damit eines der letzten Bollwerke gegen Rechtsextremismus in Europa.
Andere portugiesische Medien veröffentlichten am Abend kurz nach Schließung der letzten Wahllokale auf den Azoren um 21.00 Uhr MEZ ähnliche Zahlen wie RTP. Bei der letzten Wahl im Januar 2022 hatte die PS noch mit gut 41 Prozent gewonnen und mit 120 der insgesamt 230 Sitze in der Lissabonner „Assembleia da República“ die absolute Mehrheit errungen.
Schwierige Regierungsbildung
Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa hatte die Abstimmung im November ausgerufen, nachdem der sozialistische Ministerpräsident António Costa im Zuge eines Korruptionsskandals zurückgetreten und nur geschäftsführend im Amt geblieben war.
Eine „große Koalition“ von PS und AD gilt als ausgeschlossen. Montenegro wird deshalb wohl auf Abkommen mit kleineren Parteien angewiesen sein. Der 51-jährige gelernte Jurist wird in erster Linie auf die Liberale Initiative (IL) zählen, die mit bis zu sieben Prozent rechnen kann. Beide Partien sind aber auch gemeinsam von einer regierungsfähigen Mehrheit weit entfernt. Angesichts einer sich abzeichnenden schwierigen Regierungsbildung prophezeiten Beobachter bereits im Vorfeld der Abstimmung eine Neuwahl im Sommer.
Brandmauer nach rechts
Der Hauptgrund: Mit der Partei Chega des früheren TV-Sportkommentators André Ventura, der zum ungeliebten „Königsmacher“ avanciert, will Montenegro nicht verhandeln. In Portugal gibt es nämlich – ähnlich wie in Deutschland gegenüber der AfD – weiterhin eine sogenannte Brandmauer nach rechts.
Im In- und Ausland wurde der frühere Erfolg der Sozialisten als das „portugiesische Wunder“ gefeiert. Nach der Euro-Schuldenkrise hatte Costa das einstige EU-Sorgenkind jahrelang sehr solide geführt. Ausgabendisziplin, aber auch soziale Verantwortung zeichneten seine Arbeit aus. Die Wirtschaft wuchs all die Jahre fast immer über EU-Schnitt, die Arbeitslosigkeit wurde ebenso wie die Schulden stetig zurückgeschraubt.
Korruptionsskandale
Gleich mehrere Korruptionsskandale unter anderem bei der staatlichen Airline TAP setzten der Erfolgsgeschichte ein Ende. Auf dem Höhepunkt sah sich Costa im November mit Korruptionsvorwürfen bei Lithium- und Wasserstoff-Projekten konfrontiert. Nach aktuellem Ermittlungsstand hat sich der 62-Jährige persönlich aber nichts zuschulden kommen lassen.
Die Wahl war zudem von sozialen und wirtschaftlichen Problemen wie Wohnungsnot und Inflation geprägt, die das Niedriglohnland besonders hart treffen – und die laut Beobachter auch den Nährboden für den Rechtsruck bieten. Seit Ende der Pandemie wird Portugal von einer zunehmenden Streikwelle überrollt: Ärzte, Lehrer, Polizisten und viele andere protestieren immer lauter. (dpa/mig) Aktuell Ausland
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