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Pflegekräfte aus dem Ausland (Symbolfoto) © 123rf.com

Pflegekräfte gegen Rassismus

Wenn sich Deutschland nicht mehr selbst pflegen kann

Die Menschen werden älter, damit steigt der Bedarf an pflegenden Menschen. Eine neue Berechnung sieht einen deutlichen Anstieg bis Mitte des Jahrhunderts. Verbände üben vor allem Kritik an der Bundespolitik. Sie fordern: keine Flops mehr bei der Anwerbung ausländischer Pflegekräfte. Pflegekräfte positionieren sich gegen Rechtsextremismus.

Mittwoch, 24.01.2024, 15:45 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 24.01.2024, 16:03 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Bedarf an zusätzlichen Pflegekräften könnte nach neuen Berechnungen allein durch die zunehmende Alterung bis zum Jahr 2049 auf bis zu 690.000 steigen. Das wäre ein Plus von rund einem Drittel im Vergleich zum Jahr 2019, teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mit. Zur Jahrhundertmitte würden dann rund 2,15 Millionen Menschen in der Pflege benötigt. Für das Vor-Corona-Jahr 2019 gab das Bundesamt einen Bedarf von 1,62 Millionen Pflegekräften an.

Vier Berufsgruppen sind den Statistikern zufolge maßgeblich für die Pflegetätigkeit: Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Krankenpflegehilfe, Altenpflege sowie Altenpflegehilfe. Die Vorausberechnung erfasste die Beschäftigten, die in diesen Berufen tätig sind.

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Zur Entwicklung der Zahl an Pflegekräften wurden zwei Varianten mit unterschiedlichem Fokus auf demografischen und gesellschaftlichen Veränderungen vorausberechnet: Bei der „Trend-Variante“ berücksichtigte das Bundesamt neben der demografischen Entwicklung auch die positiven Trends am Pflegearbeitsmarkt aus den 2010er Jahren. Danach steigt die Zahl der erwerbstätigen Pflegekräfte bis 2034 auf 1,74 Millionen und bis 2049 auf 1,87 Millionen an. Damit würden letztlich 280.000 Pflegekräfte fehlen.

Prognose zeigt: Zahl der Pflegekräfte sinkt dramatisch

Die „Status quo-Variante“ zeigt dagegen ausschließlich die Auswirkungen der demografischen Entwicklungen auf die künftige Zahl an Pflegekräften. Nach dieser Variante würde die Zahl der Pflegekräfte von 1,62 Millionen im Jahr 2019 zunächst bis 2034 auf 1,48 Millionen und bis 2049 auf 1,46 Millionen sinken. Hauptgrund für diese Entwicklung ist, dass große Teile der Babyboomer-Generation in den nächsten zehn Jahren das Renteneintrittsalter erreichen.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte nach Bekanntgabe der Prognose die Pauschalisierung von Pflegekräften. Ihr Vorstand Eugen Brysch sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Alle Pflegeberufe beim zukünftigen Pflegebedarf in einen Topf zu werfen, ist ein Fehler. Schließlich sind die Bedingungen und Anforderungen in Krankenhäusern anders als in Pflegeheimen oder ambulanten Pflegediensten.“

Pflegekräfte positionieren sich gegen Rechtsextremismus

Zudem mahnte er Bund und Länder, sie dürften sich keine weiteren Flops bei der Anwerbung ausländischer Pflegekräfte leisten. „In zehn Jahren konnten nur 7.700 Neubeschäftigte gezählt werden. Anstatt weiter Millionen von Euros zu verbrennen, haben die Anerkennung und Förderung von Berufsabschlüssen schneller zu erfolgen.“ Aktuell wirbt Deutschland gezielt nach Pflegekräften in Vietnam und in Lateinamerika. Wie aus Erhebungen allerdings hervorgeht, erschweren auch Diskriminierung im Job die Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland. Wer dennoch nach Deutschland kommt, will das Land aufgrund negativer Erfahrungen im Job wieder verlassen.

Mit Blick auf ein geheimes Treffen von Rechtsradikalen, AfD-Politikern und CDU-Mitgliedern in Potsdam, wo über Remigrationspläne beraten wurde, äußerte sich der Deutsche Pflegerat besorgt. Verbandspräsidentin, Christine Vogler, erklärte am Mittwoch in Berlin, direkte Angriffe auf die deutsche Verfassung und die unantastbare Würde des Menschen seien auch ein Angriff auf den Kodex der Pflegenden. Rechtsextreme Überzeugungen seien unvereinbar mit dem Pflegeberuf. Vogler verwies auch auf AfD-Äußerungen, wonach behinderte Kinder und Kinder aus Einwandererfamilien das deutsche Bildungssystem belasteten. Sie seien Ausweis einer „einer menschenverachtenden Gesinnung.“

Mit Blick auf die Pflege versprach Vogel: „Wir werden sicherstellen, dass der Ethikkodex des ‚International Council of Nurses‘ jederzeit und überall in Deutschland gelebt und umgesetzt wird.“ Das Recht auf Leben, die Achtung der Menschenwürde, einschließlich der kulturellen Rechte sowie respektvolle Behandlung seien „Grundpfeiler des Berufsverständnisses der Profession Pflege“. Der Deutsche Pflegerat vertritt nach eigenen Angaben rund 1,7 Millionen Beschäftigte in der Pflege. Ihm gehören 18 Mitgliedsverbände an. (dpa/epd/mig) Aktuell Panorama

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  1. Dennis Grau sagt:

    Danke für diesen Beitrag

    Ich hatte mich schon vor über einem Jahr bei der Redaktion gemeldet, um einen Fokus auf Diskriminierung und Rassismus in der Pflege zu legen, mit vielen Beispielen zu Pflegenden untereinander, Patient zu Pflegenden, Pflegenden zu Patient, Vorgesetzte zu Pflegenden, Pflegende zu Vorgesetzten, Patient zu Ärzt:innen, Ärzt:innen zu Patient, mit Hinsicht auf Diskriminierung und Rassismus.
    Erfreulicherweise wurde dieses Thema kontinuierlich weiterverfolgt.
    Vielen Dank dafür :)

    Heute möchte ich ein sehr positives Beispiel vom Umgang unter Pflegenden bei meinem neuen Arbeitgeber nennen.
    Multikulturelles und multinationales Personal, besonders weibliche Arbeitskräfte, haben bei diesem Arbeitgeber den deutschen Begriff „Schatzi“ etabliert.
    Viele Kolleginnen verwenden diese wertschätzenden Anrede im vertrauten Gespräch über Nationalitäten, Religion und Ausbildung hinweg.
    Mir fällt allerdings auch auf, dass wertschätzende, freundliche und entwaffnende Anrede fast ausschließlich von Kolleginnen ohne Nazierbe verwendet wird!
    Ich denke, dass mich mein Eindruck nicht täuscht, dass diese Kolleginnen ohne Nazierbe, einen viel harmonischeren Umgang untereinander gefunden haben, als es uns Nazierben im Umgang mit Menschen ohne Nazierbe bislang möglich war!
    Zuletzt muss ich festhalten, dass jegliche Männer nicht vermögen, sich so wertschätzend anzusprechen, egal mit welchem Erbe.
    Da gibt es noch viel zu erarbeiten – Danke für die Inspiration durch meine Kolleginnen.
    Gar nicht außerhalb meiner Sicht, ist die Sprache mit Menschen, welche sich keiner dieser genannten Geschlechtskategorien zuorden können – auch hier muss sich eine wertschätzende Sprache zu mir durchsetzen. Ich bin bereit!
    Liebe Grüße