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Museum (Symbolfoto) © 123rf.com

Aus allen Kontinenten

17.000 menschliche Überreste aus Kolonialzeit in deutschen Museen

Von ihren Raubzügen brachten deutsche Kolonialherren nicht nur Kunst, sondern auch menschliche Überreste mit. Eine Umfrage zeigt nun, in welch großem Ausmaß sich bis heute Gebeine in deutschen Museen befinden - und wie viel noch zu erforschen ist.

Mittwoch, 10.01.2024, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 10.01.2024, 15:36 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

In deutschen Museen befinden sich rund 17.000 menschliche Überreste aus kolonialen Kontexten. Das ist das am Freitag veröffentlichte Ergebnis einer im Auftrag von Bund, Ländern und Kommunen gestarteten Umfrage unter Museen und universitären Sammlungen. 33 Einrichtungen haben sich daran beteiligt, wie die Kulturministerkonferenz der Länder, das Auswärtige Amt, die Kulturbeauftragte der Bundesregierung und die kommunalen Spitzenverbände in Berlin mitteilten.

Den Angaben zufolge kann fast die Hälfte der menschlichen Überreste (46 Prozent) nicht geografisch zugeordnet werden. Von den Überresten, bei denen die Herkunft bekannt ist, stamme die Mehrheit (71 Prozent) aus 29 Ländern Afrikas und 16 Ländern Ozeaniens. In deutschen Sammlungen sind der Mitteilung zufolge Überreste aus allen Kontinenten vorhanden, auch aus Europa. Die Liste im Bericht verzeichnet unter anderem Rumänien, Estland, Teneriffa und Grönland. Möglich ist den Angaben zufolge auch, dass die Zahl noch höher liegt. Mehr als ein Drittel der übermittelten Angaben stellten einen Annäherungswert dar, hieß es.

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Roth: „Menschliche Gebeine aus kolonialen Kontexten gehören nicht in unsere Museen.“

Die von der Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten umgesetzte Umfrage soll Anknüpfungspunkt für weitere Forschung und Rückgaben menschlicher Überreste sein. „Menschliche Gebeine aus kolonialen Kontexten gehören nicht in unsere Museen und Sammlungen“, sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte gehöre es, einen angemessenen Umgang damit zu finden und Maßnahmen zur Rückführung in die Herkunftsländer zu entwickeln. Die Außen-Staatsministerin Katja Keul (Grüne) sagte, in Gesprächen im Ausland begegne deutschen Vertretern der Wunsch nach mehr Information über den Verbleib der Vorfahren „sowie der Wunsch ganz konkret, ihre Ahnen in der Heimat beerdigen zu können“.

Der Vorsitzende der Kulturministerkonferenz, Niedersachsens Ressortchef Falko Mohrs (SPD), betonte, der Umgang mit menschlichen Überresten aus kolonialem Kontext sei in der Vergangenheit „häufig fragwürdig“ gewesen. Jetzt gebe es die Chance, „es besser zu machen“. Die kommunalen Spitzenverbände erklärten, es sei aber „noch ein langer Weg, bis möglichst viele menschliche Gebeine aus Museen und Sammlungen in die Herkunftsländer zurückgegeben werden können“.

Überreste lagern in 13 Bundesländern

Das gilt insbesondere für Gebeine, deren Herkunft bislang ungeklärt ist. Roth zufolge soll das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste die Einrichtungen bei der Provenienzforschung unterstützen. Dem Bericht der Kontaktstelle zufolge haben sich bereits 22 Einrichtungen mit Rückführungsanfragen befasst. Aus bislang 20 Einrichtungen gab es demnach bislang Rückgaben. 2011 hatte die Berliner Universitätsklinik Charité 20 Schädel von Opfern deutscher Kolonialverbrechen in Namibia zurückgegeben. Im August 2018 beteiligte sich erstmals die Bundesregierung an einer Rückgabe menschlicher Gebeine an Namibia.

Die menschlichen Überreste lagern dem Bericht zufolge in anthropologischen, anatomischen, medizinhistorischen, ethnologischen und paläontologischen Sammlungen in 13 Bundesländern. Nicht im Bericht aufgeführt sind Schleswig-Holstein, Brandenburg und das Saarland. Die meisten Einrichtungen mit Gebeinen aus kolonialen Kontexten in den Sammlungen gibt es in Niedersachsen, darunter das Landesmuseum Hannover, Berlin mit unter anderem dem Medizinhistorischen Museum der Charité und Baden-Württemberg, darunter das Linden-Museum Stuttgart. (epd/mig) Aktuell Feuilleton

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