Demokratiecheck
Rechtsaufsicht prüft Eignung von AfD-Politiker als Landrat
Die Thüringer AfD wurde vom Landesverfassungsschutz als gesichert extremistisch eingestuft. Kann jemand, der einer solchen Partei angehört, Landrat werden? Im Thüringer Landesverwaltungsamt wird das jetzt geprüft.
Von Stefan Hantzschmann und Simone Rothe Mittwoch, 28.06.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 28.06.2023, 13:14 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Im Landkreis Sonneberg haben sich die Bürger entschieden: Der AfD-Politiker Robert Sesselmann soll ihr neuer Landrat werden. Doch der Rechtsanwalt und Landtagsabgeordnete gehört dem Thüringer Landesverband der AfD mit ihrem Chef Björn Höcke an, die vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde und beobachtet wird. Kann so jemand ein kommunales Spitzenamt übernehmen? Das soll nun überprüft werden, wie Thüringens Innenstaatssekretärin Katharina Schenk (SPD) am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Müssen Landräte auf dem Boden der demokratischen Grundordnung stehen?
Da ist das Thüringer Kommunalwahlgesetz klar: Ja, müssen sie genauso wie Bürgermeister. In dem Gesetz steht, dass zum Landrat nicht gewählt werden kann, „wer nicht die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung eintritt“. Nach Schenks Angaben sei dies bei Sesselmann der Prüfmaßstab.
Gibt es bei Sesselmann Zweifel?
Ja, weil sein AfD-Landesverband schon im März 2021 vom Thüringer Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wurde und beobachtet wird. Im Thüringer Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2021 heißt es unter anderem: „Funktionäre und Mandatsträger traten nicht öffentlich gegen das extremistische Gepräge des Landesverbandes und seine in erheblichen Teilen erwiesen extremistische Programmatik auf. Bemühungen, Extremisten durch parteiinterne Verfahren auszuschließen oder zur Mäßigung anzuhalten, blieben aus.“ Sesselmann sitzt für die AfD als Abgeordneter im Thüringer Landtag und ist als Beisitzer im Vorstand der Thüringer AfD.
Schenk sagte, dass es sich bei der Überprüfung um einen regulären Vorgang und um eine Einzelfallprüfung handele. Allerdings müsse es schon Anhaltspunkte für einen solchen Prüfvorgang geben. Bei Sesselmann sei dies mit der Einstufung der Thüringer AfD durch den Landesverfassungsschutz gegeben.
Wie läuft so eine Überprüfung ab?
Zuständig ist das Thüringer Landesverwaltungsamt – als Rechtsaufsichtsbehörde. Es kann nun unter anderem beim Landesverfassungsschutz oder beim Bundesarchiv Informationen einholen, um sich ein Bild zu machen.
Hätte bereits Sesselmanns Kandidatur überprüft werden müssen?
Tatsächlich muss der Wahlausschuss im jeweiligen Landkreis prüfen, ob die Kandidatinnen und Kandidaten für eine Landratswahl alle nötigen Voraussetzungen erfüllen. Nach Angaben des Landratsamts Sonneberg hatte der Wahlausschuss beschlossen, dass der Wahlvorschlag der AfD formal die Anforderungen erfüllte. „Die Unterlagen waren vollständig und rechtzeitig eingegangen. Die Erklärung des Bewerbers zur Frage der wissentlichen Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit wurde verneint und die Eignung für die Berufung in ein Beamtenverhältnis erklärt“, teilte ein Sprecher mit. Schenk sagte, dass Wahlausschüsse für eine solche Überprüfung in der Regel nicht viel Zeit hätten, sich aber an den Verfassungsschutz wenden könnten, um Informationen über den jeweiligen Bewerber zu erhalten.
Können auch Bürger die Wahl anfechten?
Ja, das geht. Nach Angaben des Innenministeriums kann jeder Wahlberechtigte die Wahl anfechten, Parteien oder Wählergruppen dürfen dies hingegen nicht. Außerdem gibt es zeitliche Grenzen: Zwei Wochen sind Zeit, um die Wahl anzufechten – ab der Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Im Fall von Sesselmann findet nun aber zunächst eine Überprüfung von Amtswegen statt. Wann mit einem Ergebnis zu rechnen ist, war zunächst unklar.
Wie stark kann Sesselmann als Landrat politisch gestalten?
Ein Landrat ist Chef einer Behörde, die in der Regel Hunderte Mitarbeiter hat. Er muss die Beschlüsse des Kreistages umsetzen, aber auch Gesetze, Verordnungen und Regelungen von Landtag und Bundestag. Er hat keinen Einfluss auf Grundsätze der Migrations- oder Energiepolitik, kann aber zusammen mit dem Kreistag entscheiden, wo Geflüchtete untergebracht werden oder ob und wo Flächen für erneuerbare Energien entstehen. Der Landrat ist eine Art Geschäftsführer des Kreises, in der Praxis geht es um die Infrastruktur wie Straßen und ÖPNV, Tourismus oder die Sanierung von Schulen. (dpa/mig) Aktuell Panorama
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