Europäischer Flüchtlingsrat

Asylverfahren zweiter Klasse mit EU-Deal

Nach den beschlossenen Asylrechtsverschärfungen der EU-Innenminister schlägt der Europäische Flüchtlingsrat Alarm: Mehr Menschen werden in Haftzentren landen. Der Deal motiviere Länder zu mehr Pushbacks und biete kaum Anreize für Schutz der Menschen.

Von Sonntag, 11.06.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 11.06.2023, 14:14 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der Vorschlag der EU-Innenminister für eine Verschärfung des Asylrechts höhlt nach Einschätzung des Europäischen Flüchtlingsrates Ecre das Recht auf Asyl aus. „Das Ergebnis bedeutet, dass mehr Menschen in Haftzentren an den Grenzen festgehalten werden und ihre Asylanträge dort bearbeitet werden“, sagte die Ecre-Direktorin Catherine Woollard dem „Evangelischen Pressedienst“ in Brüssel: „Das ist ein Asylverfahren zweiter Klasse.“ Grenzverfahren fänden fast immer in einer Situation der Inhaftierung statt, in der die Menschen keinen Zugang zu Schutzmaßnahmen und Anwälten haben, die aber erforderlich seien, um den Ablauf fair zu gestalten.

Die EU-Innenminister hatten sich am Donnerstag in Luxemburg auf eine Verschärfung des Asylrechts verständigt. Ein zentraler Punkt ist die Einführung von Verfahren an der EU-Außengrenze. Diese sollen den Asylverfahren vorgeschaltet werden. Dabei wird zunächst formal geprüft, ob Schutzsuchende einen Asylantrag stellen dürfen. Sie müssen so lange in den Erstaufnahme-Lagern bleiben. Die Vorschläge der EU-Innenminister sollen die Zahl der Asylbewerber mit geringen Bleibechancen reduzieren und Abschiebungen vereinfachen.

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EU-Deal ist Motivation zu Pushbacks

Ein zentrales Problem sieht Woollard darin, dass Nachbarländer der EU mit einem Inkrafttreten des Gesetzes motiviert würden, Geflüchtete durch sogenannte Pushbacks zurückzudrängen, statt ihnen die Einreise und den Zugang zu den Asylverfahren zu gewähren. Für die Länder stellten die Verfahren einen großen Aufwand dar, sodass sie es vorziehen könnten, Menschen an der Einreise zu hindern, statt sich um den Betrieb von Haftzentren und Grenzverfahren zu kümmern.

Das habe sich bereits beim EU-Türkei-Abkommen gezeigt, das zur Folge hatte, dass Tausende Menschen in Lagern auf den griechischen Inseln festsitzen. Pushbacks, wie sie auch in Griechenland immer wieder dokumentiert wurden, bedeuteten, „dass Geflüchtete überhaupt keinen Zugang zu irgendeinem Asylverfahren haben“, sagte Woollard. Dabei sei die große Mehrheit der Menschen, die in Europa ankommen, tatsächlich schutzbedürftig, und ihre Fälle endeten in der Regel mit einem positiven Bescheid: „Die wirklichen Verlierer dieses Abkommens sind die, die Schutz suchen.“

Kein Anreiz für Schutzsystem

Der Vorschlag der Mitgliedstaaten basiere zudem auf einer erweiterten und unzulässigen Nutzung des Begriffes der sogenannten sicheren Drittstaaten und dem Versuch, Menschen in diese zu überführen. Da diese Länder aber kein Interesse daran hätten, Geflüchtete aus der EU aufzunehmen, ermutige das Abkommen sie, die Bedingungen für Schutzsuchende möglichst prekär zu halten, befürchtet Woollard. „Es gibt keinen Anreiz für diese Länder, ein funktionierendes Schutzsystem zu haben, wenn das bedeutet, dass sie mehr Menschen aufnehmen müssen, die aus der EU zurückgeschickt werden.“

Nur mit einem System, in dem die EU eine faire Verantwortung übernehme, könnten die Nachbarländer ermutigt werden, ihre Systeme ebenfalls aufzubauen. Stattdessen würden sogenannte sichere Drittstaaten als Lager für Menschen genutzt, die Europa nicht wolle, sagte Woollard. (epd/mig) Aktuell Panorama

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