Erleichterungen und Verschärfungen
Bundesregierung einigt sich auf Reformgesetz zur Einbürgerung
Die Ampel-Koalition hat sich über die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts verständigt. Neben Erleichterungen soll es aber auch strengere Regeln geben, etwa beim Nachweis des eigenen Lebensunterhalts. Für Gastarbeiter und DDR-Vertragsarbeiter gibt es Ausnahmen.
Sonntag, 21.05.2023, 18:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 19.05.2023, 17:59 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die Bundesregierung hat sich über die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts verständigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte am Freitag in Berlin, damit werde eines der wichtigsten Vorhaben der Ampel-Koalition umgesetzt.
Künftig soll eine Einbürgerung schon nach fünf statt wie bisher nach acht Jahren möglich sein. Wer besonders gut integriert ist, soll bereits nach drei Jahren Aufenthalt den deutschen Pass beantragen können. Zu den besonderen Integrationsleistungen zählen gute Sprachkenntnisse, besondere Leistungen im Job oder ehrenamtliches Engagement.
Außerdem wird die Mehrstaatigkeit erlaubt. Faeser sagte, einbürgerungswillige Menschen würden „künftig nicht mehr gezwungen sein, einen Teil ihrer Identität aufzugeben“. Über den sogenannten Doppelpass hatte es immer wieder politische Auseinandersetzungen gegeben.
Antisemitismus verhindert Einbürgerung
Gegenüber Faesers erstem Entwurf zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts gibt es einige Änderungen, etwa, dass menschenfeindliche, antisemitische oder rassistische Handlungen eine Einbürgerung verhindern. Darauf hatte vor allem die FDP gedrungen. Die Staatsanwaltschaften werden verpflichtet, den Einbürgerungsbehörden Informationen über die Motive für eine Straftat mitzuteilen. Damit werden auch Bagatellstrafen erfasst, wenn ein antisemitisches oder rassistisches Motiv vorliegt.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte dem Boulevardblatt „Bild“: „Wer die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten möchte, muss klare Kriterien erfüllen. Dazu gehört die Beherrschung der deutschen Sprache, die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts ebenso wie Straffreiheit und das eindeutige Bekenntnis zu unseren Werten und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes.“
Keine Einbürgerung für Bürgergeld-Bezieher
Das Innenministerium erklärte, der zwischen dem Innen- und dem Justizministerium sowie dem Kanzleramt abgestimmten Gesetzentwurf werde nun zur Abstimmung an die Bundesländer und die Verbände geschickt. Erst danach wird er vom Bundeskabinett beschlossen und geht dann in den Bundestag und Bundesrat.
Interessenten für den deutschen Pass müssen demnach wie bisher selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Wer Bürgergeld bezieht, kann grundsätzlich nicht eingebürgert werden. Davon gibt es Ausnahmen: Wer seit knapp zwei Jahren in Vollzeit arbeitet, kann den Einbürgerungsantrag auch dann stellen, wenn er oder sie zusätzlich auf staatliche Leistungen angewiesen ist. Das gilt auch für Ehe- oder Lebenspartner und -partnerinnen und minderjährige Kinder.
Ausnahmen für Gastarbeiter und DDR-Vertragsarbeiter
Aus dem Justizministerium verlautete, die Rechtslage werde gleichwohl insgesamt strenger. Anders als bisher soll nicht mehr berücksichtigt werden, ob jemand unverschuldet in die Lage geraten ist, staatliche Leistungen beantragen zu müssen, etwa weil er oder sie trotz aller Bemühungen keine Arbeit findet oder beispielsweise kleine Kinder zu betreuen hat.
Die Lebensumstände und die Lebensleistung der sogenannten Gastarbeitergeneration in der Bundesrepublik und der Vertragsarbeiter in der DDR werden hingegen berücksichtigt. Ein unverschuldeter Verlust des Arbeitsplatzes etwa ist kein Hinderungsgrund für die Einbürgerung. Angehörige dieser Generation sollen künftig für den deutschen Pass auch nicht mehr den Einbürgerungstest und schriftliche Sprachtests absolvieren müssen, weil sie nicht die gleichen Integrationschancen hatten wie später ins Land gekommene Menschen. Schließlich sollen öffentliche Einbürgerungsfeiern zur Regel werden, um die Bedeutung des Vorgangs als Bekenntnis zu Deutschland zu unterstreichen.
CDU kritisiert Pläne, Türkische Gemeinde lobt sie
Unions-Innenexperte Alexander Throm (CDU) nannte die Gesetzespläne ein falsches Signal. „Eine Staatsangehörigkeit wird für die Ewigkeit verliehen.“ Drei bis fünf Jahre halte er für eine Prüfung für zu kurz. Durch das Gesetz steige das Risiko, dass vorschnell Personen eingebürgert würden, die nicht ausreichend integriert sind. Unionsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, das Gesetz breche mit bisherigem Recht. „Es führt zu einer Entwertung der deutschen Staatsangehörigkeit.“
Grünen-Innenexpertin Lamya Kaddor betonte, Deutschland sei seit langem ein Einwanderungsland. „Es ist allerhöchste Zeit, dieser Realität durch ein zeitgemäßes, modernes Staatsangehörigkeitsrecht Rechnung zu tragen.“ Die Zeit dränge. Es sei gut, dass nun Länder und Zivilgesellschaft beteiligt würden. Laut Bundesinnenministerium lebten Ende 2021 rund 10,7 Millionen Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland, von denen 5,7 Millionen schon seit mindestens zehn Jahren hier sind.
Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde (TGD), Gökay Sofuoğlu, lobte die geplante doppelte Staatsbürgerschaft. Sie entspreche dem Lebensgefühl und der -realität vieler Menschen mit Migrationsgeschichte. Mit Blick auf den Ausschlussgrund antisemitischer oder rassistischer Handlungen warnte der TGD-Chef davor, die Überprüfung dürfe nicht zu „einem generellen Gesinnungstest“ werden. Zugleich mahnte er an, mit dem Gesetz auch die Behörden personell besser auszustatten. Sie seien jetzt schon überlastet. (epd/dpa/mig) Leitartikel Politik
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