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Migration © Yannic Meyer @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Forschung

Einwanderungsstress und die Folgen auf die psychische Gesundheit

Aus mehreren Studien geht eindeutig hervor, dass Migration das Risiko, an Stress zu erkranken, verstärkt. Die Gründe sind vielfältig: Diskriminierung, mangelnde Sprachkenntnisse oder anderweitige Widrigkeiten.

Dienstag, 25.04.2023, 0:05 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 25.04.2023, 8:13 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

In Deutschland hat etwa jeder Fünfte einen Migrationshintergrund. In anderen Einwanderungsländern ist das ähnlich. Nicht immer ist es um die psychische Gesundheit der Migranten gut bestellt. Warum das so ist und wie sich Mobilität und Migration auf die mentale Gesundheit auswirken, untersuchen Wissenschaftler. Sie sammeln weltweit Daten zu mentaler Gesundheit und Migration und analysieren diese. Aus dieser wissenschaftlichen Arbeit sollen Erkenntnisse gewonnen werden, um praktische Hilfen zu bieten. Beispielsweise sollen Präventionsmaßnahmen und ganz spezifische Therapieangebote entwickeln werden, die Menschen mit Migrationshintergrund kultursensibel helfen sollen.

Ziel dieser Studien ist mitunter die Erforschung, wie Menschen trotz widriger Umstände, die viele vor, während oder nach der Migration in ein anderes Land, psychisch gesund bleiben. Mit der Erforschung solcher Fragen sollen sowohl die Versorgungsstrukturen als auch individuelle medizinische Versorgung verbessert werden. Denn bei der Behandlung spielen Erkenntnisse über die Besonderheiten jedes Menschen und dessen ursprüngliche Landeskultur eine herausragende Rolle. Zudem sind die Projektergebnisse auch die Grundlage dafür, theoretische Modelle weiterzuentwickeln, die Akkulturationsprozesse abbilden. Akkulturation ist die Angleichung an eine fremde Gesellschaft.

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Über 80 Prozent der Menschen in Deutschland leiden unter Stress, wobei die Gründe sehr unterschiedlich sind. Wer dauerhaft zu hohem Stress ausgesetzt ist und nichts dagegen tut, wird krank. Die Auswirkungen sind im Alltag und im Berufsleben deutlich zu spüren. Doch Entspannung fällt vielen sehr schwer, nicht nur vor dem Hintergrund der Migration, sondern auch wegen der stark digitalisierten Welt. Deshalb greifen stressgeplagte Menschen immer häufiger zu Produkten, die dabei helfen sollen, den Stresspegel zu senken, beispielsweise zu Tabak. Nicht selten folgt dann der nächste Stressfaktor: Wo kann ich E Zigaretten günstig bestellen?

Abschalten – gar nicht so einfach

Viele Menschen geraten hierbei in eine Abwärtsspirale. Die innere Unruhe macht die Stressbewältigung nicht einfacher. Im Gegenteil, sie führt zu schlechtem und unzureichendem Schlaf, was den Stress eher noch verstärkt. Die Menschen sind müde, unkonzentriert und können nicht ihre Leistung wie gewohnt bringen, weder im Beruf noch in ihrem Privatleben. Der Stresslevel steigert sich dadurch immer mehr.

Familiären Beziehungen können sich ebenfalls sehr positiv auf Stress auswirken. Sie gehören zu den Resilienzfaktoren, also den stärkenden Ressourcen. Allerdings können sowohl psychologische Faktoren wie auch sozio-strukturelle Faktoren auch sehr leicht das Gegenteil bewirken und zum Stressor werden. Familiäre Beziehungen sind damit Resilienzfaktor und Risikofaktor gleichermaßen. Wer allerdings Familie und Freunde zurücklassen musste und alleine in ein fremdes Land migriert ist, kann auch darunter leiden, seine Liebsten nicht bei sich zu haben.

Der individuelle Lebensstil ist einer der wichtigsten Krankheits- und Resilienzfaktoren. Darüber hinaus spielen auch biologische Komponenten und die psychosoziale Prägung eine wichtige Rolle. Mit psychosozialer Prägung sind Kultur und gesellschaftliches Umfeld gemeint.

Studie bezieht klassische Zuwanderungsländer mit ein

Es gibt Studien, die Daten aus mehreren Ländern zusammen und sie auswerten. In einem Fall bilden Daten aus vier Kohortenstudien aus den USA, Australien, Deutschland und Großbritannien die Grundlage für die Auswertung. Sie geht über die Längsschnittdaten von mehr als 83. 000 Menschen, von denen über 25.000 einen Migrationshintergrund haben.

Hauptfrage dabei ist, wie sich die psychische Gesundheit der Menschen, die einen Migrationshintergrund haben, in diesen Ländern entwickelt hat. Ein Vergleich soll herausfinden, ob es einen Unterschied macht, aus welchem Grund die Menschen migriert sind, ob aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen.

Sprache und Ausgrenzung sind die größten Stressfaktoren

Über die seelischen Prozesse, die während der Akkulturation ablaufen, sind sich die Wenigsten bewusst. Laut Statistiken ist die seelische Gesundheit von Migranten oft schlechter als die von Nichtmigranten. Auf die Frage nach den größten Stressfaktoren haben 1.437 jugendliche Migranten vor allem die Sprachbarriere genannt. Wer kein Deutsch kann, erlebt im Alltag häufig Herabwürdigung und Missbilligung, manchmal auch Nichtbeachtung und sehr selten sogar offene Anfeindung.

Hinzu kommt, dass viele Menschen mit einem ausländischen Akzent von vornherein misstrauen. Der Grund, so Forscher, sind nicht nur unbewusste Vorurteile. Das Gehirn hat Schwierigkeiten, die schwer verständliche Sprache zu verarbeiten. Die Verarbeitungszeit dauert damit länger, was dazu führt, dass auch der Inhalt eher hinterfragt wird.

Neben der Sprachbarriere ist die Diskriminierung wegen der Andersartigkeit aufgrund der Herkunft ein Stressfaktor. Je stärke die Menschen mit anderer Nationalität Ablehnung erfahren in ihrer neuen Heimat, umso höher sind die seelischen Belastungen. Die Folge sind Depressionen bis hin zu Suizid. Häufig treten auch psychiatrische Erkrankungen auf. In besonders stark von Diskriminierung betroffenen Ethnien ist die Zahl der an Schizophrenie Erkrankten besonders hoch. Hierzu gibt es zahlreiche Studien, die belegen, dass es beispielsweise Marokkaner in den Niederlanden besonders schwer haben, genauso wie Menschen aus dem afro-karibischen Raum in Großbritannien oder die Inuit in Dänemark. (dd) Panorama

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