Ratgeber
Ins Ausland während des Studiums ist auch ohne reiche Eltern möglich
Auslandsaufenthalt während des Studiums ist vor allem auch eine Kostenfrage. Deshalb verzichten viele Studierende, deren Eltern sie nicht finanziell unterstützt können, auf diese wertvolle Erfahrung. Das muss nicht sein, wie MiGAZIN-Expertin Sophia Hiss zeigt.
Von Sophia Hiss Montag, 30.01.2023, 15:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 30.01.2023, 8:44 Uhr Lesedauer: 6 Minuten |
Während des Studiums ins Ausland zu gehen, ist für viele ein Traum, der nicht in Erfüllung geht. Grund sind oftmals fehlende finanziellen Mittel. Das gilt für Studierende, deren Eltern nicht in der Lage sind, einen Auslandsaufenthalt ganz oder teilweise zu finanzieren. Trotzdem kann man sich mit etwas Mut und Wissen einen Auslandsaufenthalt auch bei knapper Kasse finanzieren lassen. Inzwischen gibt es eine Vielzahl an Programmen und Institutionen, die Gelder für genau diese Zwecke bereithalten, die man sich angucken sollte. Denn ein Aufenthalt im Ausland wertet nicht nur den Lebenslauf auf, sondern stellt eine zusätzliche und wertvolle Qualifikation dar, die von vielen Arbeitgeber:innen geschätzt wird. Im Folgenden stellt MiGAZIN einige Möglichkeiten vor, die einen Auslandsaufenthalt auch bei knapper Kasse möglich machen.
Der DAAD – ein Sammelsurium an Stipendien
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) ist wohl die größte Organisation in Deutschland, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Studierenden die Mobilität ins Ausland zu ermöglichen – unabhängig vom finanziellen Hintergrund. Der DAAD wird vom Auswärtigen Amt mit Geldern versorgt und vergibt jährlich zehntausende Stipendien, auch für Studierende, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen wollen. Dabei hat der Begriff „Stipendium“ hierbei nichts mit Hochbegabung oder überragenden Leistungen im Studium zu tun, sondern ist als rein finanzielle Förderung zu verstehen, auf die man sich bewerben kann. Der DAAD bietet eine Förderung für Praktika im Ausland an, Auslandssemester, aber auch Sommerschulen und Kurzzeitaufenthalte im Rahmen des eigenen Studiums.
Für all diese Programme erhält man nach einer erfolgreichen Bewerbung eine Reisekostenpauschale, eine Förderung während des Aufenthalts und meistens auch die Übernahme der anfallenden Gebühren (zum Beispiel bei Sommerschulen). Dabei werden in einigen Programmen bestimmte Fachrichtungen besonders gefördert. Es gibt zum Beispiel extra Programme für Ingenieursstudiengänge, Lehramtsstudierende, aber auch Sprach- und Regionalwissenschaften. Ein Blick in die Vielzahl an Programmen lohnt sich.
ERASMUS + – mehr als nur Auslandssemester
Das ERASMUS – Programm ist wahrscheinlich das bekannteste Programm, das Auslandsaufenthalte finanziell unterstützt. Jede Universität und jede darin befindliche Fakultät hat ihre eigenen Erasmuskooperationen und man kann sich meistens auch auf Erasmus Programme bewerben, die nicht zur eignen Fakultät gehören, sofern nicht alle Plätze einer Fakultät belegt sind. Abgesehen von dem etwas bürokratischen Prozedere, lohnt sich eine solche Bewerbung, da mit dem Erasmusprogramm die Studiengebühren im Ausland wegfallen und man ebenfalls eine monatliche finanzielle Förderung, sowie eine Reisekostenpauschale bekommt.
Dabei kann man nicht nur im europäischen Ausland studieren, sondern mittlerweile auch in Ländern wie der Türkei oder Tunesien. Das Erasmusprogramm möchte dabei vor allem Kinder aus nicht-Akademikerfamilien unterstützen und hat in diesem Jahr eine höhere monatliche Förderung ausschließlich für diese Personen beschlossen. Für die finanzielle Frage ist natürlich auch entscheidend, in welche Länder man gehen möchte. In einigen (z.B. Norwegen, England oder Schottland) sind die Lebenshaltungskosten sehr hoch, sodass die Erasmusförderung oft nur den Grundbedarf oder die Miete der Unterkunft decken kann. Solche Faktoren sollte man deshalb vor dem Auslandsaufenthalt bedenken, wenn man keine großen finanziellen Rücklagen hat. Interessant ist dabei auch, dass das Erasmusprogramm mittlerweile nicht nur Auslandssemester finanziert, sondern auch sogenannte „Youth Exchanges“, also Austausche zwischen Jugendlichen. Es lohnt sich auch nach solchen Programmen im Internet Ausschau zu halten.
Praktika bei deutschen Institutionen im Ausland
Gerade für Studiengänge, die mit Politik, Geschichte, Recht oder Gesellschaft zu tun haben (besonders Geisteswissenschaften) ist ein Praktikum bei einer deutschen Institution im Ausland eine enorme Bereicherung. Dabei gibt es eine Vielzahl an Institutionen, die die Praktika im Ausland auch finanziell fördern. Beispielsweise die Auslandsbüros der politischen Stiftungen (Friedrich-Ebert-Stiftung, Konrad-Adenauer-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung) oder Institute der Max Weber- und Mercator Stiftung bieten regelmäßig Praktika in ihren Auslandsbüros überall auf der Welt an und vergüten diese in der Regel auch. Diese Vergütung fällt zwar nicht allzu hoch aus, jedoch sind diese Praktika oft mit einem Kurzzeitstipendium des DAAD kombinierbar, sodass man finanziell gut über die Runden kommen kann.
Allgemein – Stipendien der 13 Begabtenförderungswerke in Deutschland
Es mag für viele nach einem Ding der Unmöglichkeit klingen, sich auf ein generelles Studienstipendium zu bewerben, doch gerade mit solchen Stipendien können die meisten finanziellen Sorgen auch bezüglich Auslandsaufenthalte gemildert werden. Es gibt in Deutschland 13 Begabtenförderungswerke, die das Ziel haben, engagierte und gute Studierende über ihr gesamtes Studium hinweg finanziell und ideell zu fördern. Dabei gibt es die politischen Stiftungen, die jeweils einer politischen Partei des Bundestages nahestehen, aber auch unabhängige Stiftungen (Stiftung der deutschen Wirtschaft, Studienstiftung des deutschen Volkes etc.) und religiöse Stiftungen. Diese richten sich an Studierende der in Deutschland vertretenen Religionsgemeinschaften: Das Avicenna Studienwerk für muslimische Studierende, Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerk (ELES) für jüdische Studierende, das Cusanuswerk für katholische Studierende und das Studienwerk Villigst, das überkonfessionell fördert.
Zwar ist der Bewerbungsprozess recht aufwendig und dauert manchmal bis zu einem Jahr, jedoch ist nach einer erfolgreichen Bewerbung die finanzielle Förderung, das Netzwerk und die ideelle Förderung (Fortbildungsmöglichkeiten und Austausch) eine enorme Bereicherung und ermöglichen darüber hinaus oftmals mehrere geförderte Auslandsaufenthalte. Dabei mag das Wort „Begabtenförderungswerk“ erst einmal abschreckend klingen, aber auch hier geht es nicht darum, „hochbegabt“ zu sein, sondern gute Leistungen im Studium zu erbringen und sich auch anderweitig für die Gesellschaft einzusetzen. Auch diese Förderwerke haben es sich mehr und mehr zur Aufgabe gemacht, vermehrt Studierende aus nicht-Akademikerfamilien oder mit Migrationsgeschichte zu fördern, um eine größere Diversität in der Stipendiat:innenschaft zu erreichen und inklusiver zu sein.
Viele Möglichkeiten und Bestrebungen zu mehr Bildungsgerechtigkeit
Alles in allem gibt es zahlreiche Möglichkeiten, ins Ausland zu gehen und eine finanzielle Förderung oder Unterstützung zu erhalten. In diesem Artikel können nur die größten und längst nicht alle aufgezählt werden. Dieser Beitrag soll aber Mut machen, sich umzusehen und Angebote zu finden, die zu einem selbst passen. Sicherlich ist es wichtig, dass die Bewerbung stimmt und das erfordert Zeit und Geduld, doch auch hierbei gibt es Hilfe.
Der Verein Applicaid hat es sich zur Aufgabe gemacht, Studierende bei der Bewerbung um ein Stipendium zu unterstützen und so Stipendien gerechter zu machen. Eine einfache E-Mail reicht, um mit den Mentor:innen in Kontakt zu treten. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf Erstakademiker:innen (also die ersten, die in ihrer Familie studieren), Personen mit Migrationshintergrund, Personen mit Fluchtgeschichte, Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status (z. B. BAföG-berechtigt), chronisch kranke Menschen und Menschen mit psychisch oder physischer Beeinträchtigung und Menschen mit anderweitigen Schwierigkeiten in der Bildungsbiografie.
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