Miriam Rosenlehner, Migazin, Portrait, Rassismus, Schriftstellerin, Buch
Miriam Rosenlehner © privat, Zeichnung: MiGAZIN

Ansichten & Aussichten

Ist das Rassismus?

81 Prozent der Befragten des „Nationalen Rassismusmonitors“ glauben, dass man unabsichtlich rassistisch sein kann. 52 Prozent halten das für kein Problem.

Von Sonntag, 29.01.2023, 16:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 30.01.2023, 5:46 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

2022 stellte die Bundesfamilienministerin erste Ergebnisse des Nationalen Rassismusmonitors vor. Mich hat erstaunt, dass so viele Menschen wissen, dass unbewusster Rassismus existiert. Was aber bedeutet versteckter Rassismus für Zielpersonen?

Über die Winterfeiertage fuhr ich in meine alte Heimat. Am Bahnhof meiner Stadt stieg ich in den Bus. Es war Heiligabend, gegen 17 Uhr und bereits dunkel. Es waren nur noch wenige Menschen unterwegs. Der Bus stand eine Ewigkeit an der Haltestelle, während ich aus dem Fenster auf die stille, kalte Stadt sah.

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Im Wartehäuschen vor dem Bus saß ein weißer Mann mittleren Alters, vielleicht 55. Er saß da, überdacht, am äußeren der drei Sitzplätze, in Gedanken. Hinter ihm schützte ihn das Glas des Wartehäuschens vor dem Wind, gleich neben ihm war die Tafel mit den Busfahrplänen angebracht. Minuten vergingen, nichts passierte. Dann kam ein junger Schwarzer Mann des Weges, vielleicht 20, mit zwei Krücken unter dem Arm. Er ging zu den Busfahrplänen und warf einen Blick darauf. Er musste deshalb nahe an den älteren Mann herantreten, dieser sprang auf und floh. Der ältere machte zwei schnelle Schritte weg von dem jungen Mann, wurde dann langsamer, stellte sich neben das Bushäuschen und beobachtete den anderen aus gebührendem Abstand. Der Junge schien den älteren Mann nicht zu registrieren. Als er das Gesuchte auf dem Plan gefunden hatte, stieg er in den Bus und setzte sich. Der weiße Mann war danach mit wenigen Schritten zurück und nahm seinen vorherigen Platz wieder ein.

„Es gibt Forschungen über diese Reaktion, die zeigen, dass Menschen mit einem höheren messbaren Wert an Vorurteilen besonders bei schnellen Entscheidungen rassistisch handeln. Sozusagen aus dem Bauch heraus.“

Der ältere Mann hatte das getan, ohne sich dessen bewusst zu werden. Er war schneller aufgestanden, als er denken konnte. Es gibt Forschungen über diese Reaktion, die zeigen, dass Menschen mit einem höheren messbaren Wert an Vorurteilen besonders bei schnellen Entscheidungen rassistisch handeln. Sozusagen aus dem Bauch heraus. Sie sind dabei getrieben von einem höheren Alarmlevel ihres Nervensystems. Auf Deutsch gesagt, sie haben tief sitzende Ängste vor Nichtweißen und handeln deshalb in solchen Situationen auf merkwürdige Weise.

Unbesprechbar

Aber sag mal, du weißt doch gar nicht, ob der Mann in dem Moment nicht einfach – sagen wir: nett sein wollte? Er hat die Krücken gesehen und wollte vielleicht Platz machen? Kann es sein, dass du jetzt hinter allem Rassismus vermutest? Solche Fragen hört man oft, wenn man dieserart Geschichten erzählt.

„Dass Rassismus unbesprechbar ist, ist ein wesentliches Merkmal von rassistischen Strukturen.“

Dann frage ich mich immer, warum viele zuerst keinen Rassismus vermuten. So, als sei Rassismus extrem selten. Ich weiß natürlich, dass gerade weiße Leute weniger über Rassismus wissen. Sie erleben ihn nicht am eigenen Leib. Es ist für sie nicht lebensnotwendig, etwas über Rassismus zu wissen. Sie hören nicht viele Geschichten über Rassismus. Das liegt auch daran, dass es für jede Geschichte, die man zu hören bekommt, fünf weitere gibt, die man nicht erzählen kann. Ganz praktisch geht mir das bei dieser Ausgabe der Kolumne so. Neben der Geschichte, die Sie jetzt lesen, habe ich tatsächlich fünf weitere aufgeschrieben, die man nicht veröffentlichen kann. Weil die Beteiligten Menschen sind, die einem nahestehen, oder Macht über einen haben, oder man muss Schweigen zusichern. Dass Rassismus unbesprechbar ist, ist ein wesentliches Merkmal von rassistischen Strukturen.

Daneben macht die Unwissenheit über die wahren Beweggründe der Leute einem das Leben als Nichtweißer nicht einfacher.

„Wo ist denn eure Lehrerin? Ich war in der Menge der ausländisch wirkenden Schüler untergegangen, ich sah aus wie sie. Der Mann suchte aber nach einer Autoritätsperson und daher nach jemandem, der weiß ist.“

Die ältere Dame, die mich von oben bis unten mustert und dann lieber Abstand hält. Der Job, für den ich qualifizierter als die Konkurrenz bin, aber den ich dennoch nicht erhalte. Das kurze Schweigen, wenn man einen reinweißen Raum betritt. Einmal hat mich ein Besucher in der Schule für die Security gehalten – na gut, das verstehe ich, ich war Pausenaufsicht. Bei einer Betriebserkundung suchte mich der Zuständige, obwohl ich vor ihm stand und mit beiden Händen winkte: Wo ist denn eure Lehrerin? Ich war in der Menge der ausländisch wirkenden Schüler untergegangen, ich sah aus wie sie. Der Mann suchte aber nach einer Autoritätsperson und daher nach jemandem, der weiß ist.

Diese Art von Rassismus ist regelmäßig keine böse Absicht. Aber macht es das besser, gibt es mir dieselbe Sicherheit, die jede weiße Person selbstverständlich hat?

Also nein, ich kann es in dem speziellen Bushaltestellenfall nicht beweisen. Was ich kann, ist erklären, warum der ältere weiße Mann kein Einzelfall ist.

Unbewusster Rassismus

„Bei unbewusstem Rassismus brauchen wir länger, gute Eigenschaften mit jemandem zu verbinden, der nicht weiß ist.“

Die Universität Stanford entwickelte den Implicit Association Test. Damit lässt sich messen, ob und wie stark Menschen unbewusste Vorurteile gegen eine Menschengruppe haben. Es wird die Reaktionszeit gemessen, die ein Mensch braucht, um Vertreter der Gruppe mit guten oder schlechten Eigenschaften in Verbindung zu bringen. Bei unbewusstem Rassismus brauchen wir länger, gute Eigenschaften mit jemandem zu verbinden, der nicht weiß ist.

Wer schnelle Entscheidungen treffen muss, handelt eher nach seinen Vorurteilen. Schnelle Entscheidungen treffen wir immer auf der Grundlage unserer einfachsten Entscheidungsregeln, unbewusst, ohne darüber nachzudenken. Dann aktivieren wir die Teile unseres Gehirns, die für Kampf oder Flucht gebaut sind. Wir denken nicht bewusst nach, bevor wir handeln.

„Wenn wir fallen, stützen wir uns ab, bevor wir uns darüber im Klaren sind. So funktionieren Reaktionen, die von diesem Hirnteil gesteuert werden. Unbewusster Rassismus funktioniert genauso.“

Um die Hand von der heißen Herdplatte zu ziehen, denken wir nicht erst darüber nach, was zu tun ist oder warum der Herd heiß ist. Wir handeln, bevor wir uns darüber bewusstwerden. Wenn wir fallen, stützen wir uns ab, bevor wir uns darüber im Klaren sind. So funktionieren Reaktionen, die von diesem Hirnteil gesteuert werden. Unbewusster Rassismus funktioniert genauso.

Der ältere Mann an der Haltestelle benahm sich wie aus dem Lehrbuch. Er floh, weil er Angst hatte. Und wahrscheinlich hat er es nicht böse gemeint.

Aber ändert das etwas für den jungen Mann, vor dem er floh? Der nahm diese Reaktion nicht einmal zur Kenntnis. Wie oft ist ihm das oder Ähnliches schon passiert? Wenn Sie an der Stelle des jungen Mannes wären, würden Sie dem Fliehenden hinterhersehen? Wären Sie irritiert, wenn einer aufspringt, um Sie anschließend aus sicherer Entfernung zu beobachten? Erstaunt? Der junge Mann war es nicht.

Manche von uns wundert das offenbar nicht mehr. Und das erzählt eine Geschichte. Nämlich die von der Wirkung von unbewusstem, von unbeabsichtigtem Rassismus. Nein, wir können nicht mit dem Finger darauf deuten. Wir können nicht jedes Mal beweisen, dass es Rassismus war. Aber die Frage interessiert ja auch nur weiße Leute. Sie sind es, die Beweise brauchen, um sich zu empören und danach zur Tagesordnung überzugehen. Zielpersonen von Rassismus bewegen sich in einem unsichtbaren Labyrinth von Ereignissen, die ihr Leben beeinflussen. Sie wissen wegen der schieren Menge ähnlicher Erlebnisse, dass, sagen wir 80 Prozent davon Rassismus ist. 80 Prozent? Streiten wir nicht über Zahlen. Denn im Einzelfall ist es irrelevant, was es war. Die Frage ist, wie soll der junge Mann und wir alle damit leben?

„Die Polizei rufen, wenn es ein Problem gibt, oder lieber nicht?“

Wann darüber sprechen? Und wie und mit wem? Wann soll man sich wehren? Gibt es einen sicheren Ort? Was wird passieren, wenn man bei den Eltern der weißen deutschen Freundin zum ersten Mal zum Abendessen kommt? Welche Reaktion ist die beste, wenn einer plötzlich angsterfüllt vor einem wegläuft? Was tun, wenn Menschen ohne ersichtlichen Grund wütend werden? Was, wenn man nicht ernst genommen wird? Die Polizei rufen, wenn es ein Problem gibt, oder lieber nicht?

All das sind übliche Situationen, die unbewusster Rassismus für Zielpersonen zum Alltag macht. Es ist egal, wie das gemeint ist, weil es die Lebensrealität Nichtweißer so oder so prägt. Zielpersonen geht es nicht darum, irgendwem Rassismus nachzuweisen. Wir versuchen, den Irrgarten einer Gesellschaft zu überleben, die ihren alltäglichen Rassismus selbst nicht wahrnehmen kann.

81 Prozent der Studienteilnehmer des Rassismusmonitors wissen das. 52 Prozent derselben Befragten sagen aber auch, es sei „übertrieben, dass manche Menschen Angst davor haben, ständig und überall Opfer von Rassismus zu werden“. Die so geantwortet haben, müssen im Besitz des weißen Privilegs sein. Sonst wüssten sie, dass man als Zielperson aus Sicherheitsgründen so lebt, als wäre es Rassismus. Und dass man gut darüber nachdenkt, ob man über einen Vorfall mit Rassismus spricht.

Meinung

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  1. Dennis Grau sagt:

    Geschätzte Miriam Rosenlehner,
    zuerst möchte ich mich bei ihnen als besonders lesenswerte Autorin Migazins bedanken. Ich würde gerne duzen, finde es aber unangebracht, da wir uns nicht persönlich kennen.
    Vorab muss man mich als „weiß“ und „alt“ beschreiben, falls dies für Leser wichtig sein sollte.
    Ich habe teilweise Probleme ihnen zuzustimmen, wenn sie von „unbewusstem Rassismus“ sprechen.
    Entscheidend finde ich ihre Aussage, dass ohne Zeit „nachzudenken, „unbewusster Rassismus“ besonders bei Menschen mit vielen Vorurteilen zu beobachten ist.

    „Unbewussten Rassismus“ würde ich so definieren, dass entweder einem Menschen sein rassistisches Handeln nicht als rassistisch bewusst ist, durch geringe Bildung zum Beispiel.
    Oder wir sprechen von im Stammhirn angelegten Instinkten, welche Flucht-, oder Kampfverhalten bedingen.
    Ich halte beide Verhaltensweisen, sofern sie existieren, für viel zu selten, um der von ihnen angesprochenen Lebensrealität zu entsprechen.
    Sollte diese Art rassistischen Verhaltens im Stammhirn verankert sein, wäre das Gespräch hoffnungslos. Außerdem wurde genau diese Art des unbewussten Rassismus von Rassentheoretikern schon angeführt, weshalb ich dies als Laie ablehne.

    Vielmehr glaube ich an soziale Prägung und im Fall eines „unbewussten Rassismus“ daran, dass in individuell empfundener Stresssituation, die Fähigkeit den eigenen Rassismus zu verbergen und zu verleugnen außer Kraft gesetzt wird. Somit tritt die bewusst akzeptierte Prägung mit Rassismus zu Tage.
    Ich wünschte, ich hätte etwas Zuversichtlicheres zu sagen, aber der nicht böse gemeinte „unbewusste Rassismus“, den sie ansprechen, gibt es nur in den seltensten Fällen, meiner Meinung nach.

    Ich denke wir sprechen schlicht über Rassismus. Der Zeit, der Ort oder die Art, in der dieser offenbar wird, mag teils unbewusst sein, wird häufig aber auch in dieser „Verdecktheit“, „Zufälligkeit“ kaschiert, um es eben nicht immer beweisbar zu machen.

    Der familiäre Versuch meiner Prägung, kostete mich sehr viel Arbeit, besonders in der Kindheit und Jugend, mich davon zu distanzieren.
    Ich halte die Distanzierung von gesellschaftlicher Prägung für einfacher, weil kein so starkes Abhängigkeitsverhältnis oder Wunsch nach emotionaler Bindung besteht.
    Ein Dilemma, denn würde man Kinder oder Jugendliche ihrer familiären, rassistischen Prägung entziehen, wären sie wiederum auch emotional abhängig von den neu geschafften Strukturen, die rassismusfrei sein müssen.

    Falls wir uns in einer Situation befinden, in welcher jedes Vertrauen gegenüber den „Weißen“ verspielt ist, kann dies meiner Meinung nach, nur durch aktives Zugehen der „Weißen“ wieder geheilt werden.
    Ich halte wenig von Aussagen, wie: „Man muss auch wieder Vertrauen können.“
    Genauso wenig halte ich von rassistischen Kategorisierungen nach „Farben“.
    Aber so wurde unsere jetzige Welt gemacht von einer Gruppe, welcher ich zugeordnet werde.
    Trost bietet das kürzlich schon hier erwähnte Buch „Desintegriert Euch“.

    Ich habe kaum Lösungen gegen Massen-Rassismus (außer wenig Erfreuliche), aber ohne Zusammenwirken zwischen uns allen, besteht kaum Hoffnung.
    Maul aufmachen, statt Schweigen ist mein Rat an alle, die Rassismus nicht hinnehmen wollen.

    • Miriam Rosenlehner sagt:

      Lieber Herr Grau,
      herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Ich freue mich, dass Sie meine Texte gerne lesen.
      Ich erschrecke eben davor, wie leicht ein Text trotz ernsthaftem Bemühen missverständlich werden kann. Ich glaube, wir sind nicht so weit voneinander entfernt mit unseren Ansichten.
      Sie schrieben:
      „Sollte diese Art rassistischen Verhaltens im Stammhirn verankert sein, wäre das Gespräch hoffnungslos. Außerdem wurde genau diese Art des unbewussten Rassismus von Rassentheoretikern schon angeführt, weshalb ich dies als Laie ablehne.“
      Ja, das normale Gespräch halte ich tatsächlich für hoffnungslos, es gehört mehr dazu, rassistische Prägungen abzulegen. Das normale Gespräch kann aber vielleicht eine Bereitschaft erzeugen, sich mit seinen Prägungen auseinanderzusetzen.
      Und nein, ich spreche nicht von demselben unbewussten Rassismus, den Rassentheoretiker angeführt haben.
      Vielmehr sehe ich Beweise für folgenden Sachverhalt:
      Die Reaktionen aus dem Stammhirn sind angeboren: Kampf, Flucht oder Erstarrung. Aber durch welchen Auslöser sie ausgelöst werden, das ist erlernt. Mit anderen Worten: Wir lernen, was wir als gefährlich einstufen und was nicht. Wenn wir lange und nachhaltig gelernt haben, wandert dieses „Wissen“ in die Tiefen unserer schnellen Reaktionen. Wer lange und nachhaltig Rassismus gelernt hat – worum man in unserer Gesellschaft kaum herumkommt – verknüpft Schwarzsein mit Gefahr und reagiert darauf schneller, als er bewusst denkt.
      Dass diese Art Lernen so funktioniert, wissen wir aus vielen Experimenten. z.B. können wir Fahrradfahren oder Autofahren erst lernen, und danach so sehr automatisieren, dass wir die Tätigkeiten unbewusst und schnell ausführen.
      Resma Menakem („My grandmothers hands“) hält diese schnellen, unbewussten Reaktion für eine Traumaverspeicherung. Das würde erklären, warum Menschen rassistisch sind und sich im Nachgang ihre eigenen Handlungen nicht mehr erklären können.
      Tatsächlich zeigen die Forschungen an der Stelle, dass Rassismus, trotzdem er zuerst gelernt wird, auf tiefere Ebenen des Nervensystems „sinkt“, wenn wir mehr Vorurteile haben und dann zu automatischen Reaktionen führt. Sie könnten hierzu vielleicht „shooter bias tests“ googeln, um einen besseren Einblick zu erhalten, was da passiert.
      In meinem Buch habe ich das ausführlich beschrieben – der Lernprozess und die Verspeicherung im Nervensystem mit den bedenklichen Konsequenzen.
      Sie schreiben außerdem:
      „Vielmehr glaube ich an soziale Prägung und im Fall eines „unbewussten Rassismus“ daran, dass in individuell empfundener Stresssituation, die Fähigkeit den eigenen Rassismus zu verbergen und zu verleugnen außer Kraft gesetzt wird. Somit tritt die bewusst akzeptierte Prägung mit Rassismus zu Tage.“
      Im Prinzip denke ich dasselbe. Allerdings glaube ich nicht, dass die Prägung bewusst akzeptiert wird. Das ist eher wie eine Art Teufelskreis: Wer rassistisch geprägt ist, sieht in dem, an was er glaubt, nichts Falsches. Deshalb geht er das Problem nicht an.
      Wo wir direkt an derselben Stelle stehen: Rassismus ist soziale Prägung und wird während der Sozialisation erlernt. Stress setzt Kontrollfunktionen außer Kraft, weswegen Rassismus dann zu Tage treten kann. Rassismus ist für Rassisten stressig, wenn jemand vorbeikommt, der nicht weiß ist.
      Sie haben noch einige andere sehr bemerkenswerte Dinge in Ihrem Kommentar angesprochen. Ich möchte zuletzt nur noch dafür danken, dass Sie bereit waren, die Arbeit an den eigenen Prägungen anzugehen. Ich denke, dazu braucht es eine Portion Furchtlosigkeit und die innere Stärke, von sich selbst zu glauben, dass man nicht untergeht, selbst wenn der Boden der alten, tief erlernten Grundannahmen Risse bekommt. Rassismus (den eigenen erlernten Rassismus) zu hinterfragen ist, so glaube ich, aber auch der Anfang, seine Fundamente bedacht und selbst zu legen.

      • Dennis Grau sagt:

        Liebe Frau Rosenlehner,

        ich bedanke mich für ihre Mühe so ausführlich und anregend zu antworten und werde ihren Quellen, sowie ihrer eigenen Literatur hierzu nachgehen.

        Es sollte an meiner Unerfahrenheit oder sprachlichen Unbeholfenheit liegen, dass sie missverstehen konnten, dass ich die von ihnen genannten Zusammenhänge mit dem Stammhirn, als ähnlich zu Rassentheoretikern sehen würde.
        Nein, ich habe sie genau so im Originalbeitrag verstanden, wie sie in ihrem Kommentar nochmal erklärten.
        Soziale Prägung ist das Entscheidende, im Gegensatz zur Behauptung von Rassisten, dass dies im „weißen Instinkt“ angelegt sei.
        Nur in diesem zuletzt genannten Fall, wäre das Gespräch zwischen uns überflüssig. Ich meinte nicht das Gespräch zu Rassisten und bin ebenso wie sie der Meinung, dass man Rassisten nicht durch Gespräche ändern kann.

        Richtig stellen möchte ich, dass ich mich nicht einer rassistischen Prägung stellte, sondern dem Versuch Dieser ab dem Grundschulalter.
        Ab 7-8 Jahren waren die Holocaust-Dokumentationen im 3. Fernsehen ein klarer Leitfaden, was der absolut falsche Weg ist.
        Genau deshalb widerspreche ich, dass Menschen sich nicht bewusst über ihre Prägung sind, weil mir das mit 7 Jahren klar war! Spätestens mit der schulischen, geschichtlichen Thematisierung, dürfte beinahe jeder sich der Frage einmal gestellt haben.
        „Lernverweigerung“ ist meiner Meinung nach der bewusste Tausch von ethischer Entwicklung gegen emotionale, soziale „Geborgenheit“ im rassistischen Giftfass.
        Mittlerweile wird auch das Thema Rassismus unabhängig von Nazi-Deutschland häufig thematisiert in so vielen Medien.
        Sich als unwissend darzustellen, mag seltenst zutreffen, wird viel öfter als Taktik verwandt.

        Ich behaupte, wer sich sein rassistisches Verhalten im Nachhinein nicht mehr erklären kann, belügt sich selbst oder das Umfeld in den meisten Fällen.
        Ich bleibe dabei, dass man die perfide Verleugnungstaktik und Banalisierung nicht als kognitives Lernmuster missverstehen darf.
        Ich weiß nicht, wie es ist Betroffener von Rassismus zu sein, aber ich kenne die oben beschriebenen Taktiken sehr genau.
        Ich warne davor, Rassismus als kognitiv-psychologisches Problem zu bezeichnen.
        Rassismus ist letztlich auch Gier nach Macht und Wohlstand(ssicherung), welche ohne Skrupel verfolgt wird.
        „Anderen“ diese Macht und Wohlstand abzusprechen, erreicht in einer „Gruppe Gleicher“ die höchste Zustimmung.

        Mir ist bewusst, dass ich keine zielführenden Lösungen gegen Rassismus zu nennen habe. (außer sehr Unerfreulichen)
        Ich schätze das wissenschaftliche Bemühen, werde dieses aber mit meinen eigenen Erfahrungen vergleichen.
        Ich wäre gerne einmal positiv überrascht bis zum Ende.