Caritas-Präsidentin im Gespräch

Wohlfahrtsverband fordert mehr Unterstützung für freiwillige Flüchtlingshilfe

Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa fordert mehr Unterstützung für Flüchtlingshelfer, die Menschen aus der Ukraine helfen. Denn es sei „kein Selbstläufer, dass die Solidarität dauerhaft erhalten bleibt“, sagt sie im Gespräch. Es gebe politische Kräfte, die ein Interesse daran hätten, die Stimmung umzudrehen.

Von und Donnerstag, 19.05.2022, 15:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 20.05.2022, 5:48 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Krieg in der Ukraine hat in Deutschland eine große Solidarität mit den Geflüchteten aus dem osteuropäischen Land ausgelöst. Wird die Unterstützung durch die Bürgerinnen und Bürger halten?

Eva Maria Welskop-Deffaa: Ich halte es für eine der zentralen Herausforderungen für den Deutschen Caritasverband, die Solidarität der Bevölkerung mit den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine nachhaltig zu unterstützen. Es ist kein Selbstläufer, dass die Solidarität dauerhaft erhalten bleibt. Es gibt politische Kräfte wie die AfD, die ein Interesse daran haben, die Stimmung umzudrehen, wie sie es im Jahr 2015 getan haben. Die Rechtspopulisten in Europa ergreifen jedes Thema, das sich ihnen bietet, um ihr Süppchen zu kochen.

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Ich bin davon begeistert, dass das Leid der Geflüchteten aus der Ukraine eine so große Solidarbereitschaft auslöst. Sie zeigt sich diesmal auch in – verglichen mit 2015 – ganz neuen Formen. Dass die Menschen jetzt sagen, ich nehme Flüchtlinge in meiner Wohnung auf – wer hätte das erwartet? Ich finde das grandios.

Wie lässt sich das stabilisieren?

Welskop-Deffaa: Ich möchte, dass das Matching besser wird. Das bedeutet: Wenn Flüchtlinge privat untergebracht werden, müssen die Profile passen und Gastgeber unterstützt und begleitet werden. Es sollte Kontaktbörsen geben, die Flüchtlinge und für sie geeignete Familien zusammenführen.

Teilweise machen das ja schon die Kommunen.

Welskop-Deffaa: Ja, es gibt auch private Initiativen und soziale Startups. Wir müssen versuchen, den Prozess zu qualifizieren. Und da bietet sich die Caritas als Partner vor Ort an. Außerdem braucht es Ombudsstellen für Fälle, in denen sich Konflikte anbahnen. Und Entlastungsmöglichkeiten für Gastfamilien.

Wie sehen Sie die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für die Ukraineflüchtlinge, die ja in großer Zahl Frauen mit Kindern sind?

Welskop-Deffaa: Die Arbeitsmarktintegration der geflüchteten Frauen hängt stark von der Kinderbetreuung ab. Die allermeisten Frauen waren in der Ukraine berufstätig und werden hier arbeiten wollen. Wir müssen es Frauen mit Kindern ermöglichen, an Sprach- und Integrationskursen mit hohem Stundenumfang teilzunehmen. Das setzt eine Betreuung ihrer kleinen Kinder voraus.

Können die Kitas eine so große Zahl zusätzlicher Kinder aufnehmen?

Welskop-Deffaa: Nicht ohne Anpassungen. Eltern und Erzieherinnen befürchten, mit einer Aufnahme zusätzlicher Kinder in die Kita-Gruppen sei die Gefahr einer nachhaltigen Absenkung der mühsam erreichten Qualitätsstandards in den Einrichtungen verbunden.

Wäre es denn rechtlich statthaft, auf diese Weise den Betreuungsschlüssel abzusenken?

Welskop-Deffaa: Man kann sich rechtliche Ausnahmeregelungen vorstellen, bei denen etwa die Gruppengröße für ein Jahr erhöht werden dürfte. Ich glaube, die Kita-Frage wird die größte Solidaritätsfrage in Bezug auf das Zusammenleben mit den Geflüchteten aus der Ukraine werden. Daran wird sich entscheiden, ob die ukrainischen Frauen schon bald Jobs annehmen können, die für sie interessant sind und die auch mit Blick auf den Fachkräftemangel der Wirtschaft helfen.

Das heißt, die Integration kann nur gelingen, wenn die Bevölkerung in Deutschland bereit ist zusammenrücken?

Welskop-Deffaa: Genau. Und wenn die Politik dies wahrnimmt und die Bereitschaft zur Solidarität entsprechend flankiert. Indem sie etwa frühzeitig ankündigt, einen Erweiterungsbau der Kitas zu ermöglichen oder Geld für zusätzliches Personal bereitzustellen.

Wie beurteilen Sie die beruflichen Qualifikationen der Ukrainerinnen, um rasch in anspruchsvolle Jobs zu kommen?

Welskop-Deffaa: Ich darf den Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für Arbeit, Detlev Scheele, zitieren. Er sagte kürzlich, die Integration der Flüchtlinge, die bereits im Land sind, sei angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt und der vielen freien Stellen kein Problem. Da gibt es vielleicht nicht sofort eine optimale Passung der Abschlüsse, aber unser Arbeitsmarkt ist offenbar so begierig, dass die Vermittlung leicht gelingen dürfte. Die Sprachkompetenzen sind ein Thema. Und in den regulierten Berufen müsste die Anerkennung der Abschlüsse erleichtert werden. Ich bin recht zuversichtlich, dass dies geschehen wird. Die ersten Signale dazu sind ja schon da. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft Interview

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