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Iuventa Crew droht 20 Jahre Haft

Erste Anhörung im Prozess gegen Seenotretter

Am 21. Mai 2022 findet im sizilianischen Trapani die erste Anhörung im Prozess gegen die Crew des Seenotrettungsschiffes Iuventa statt. Vier Crewmitgliedern drohen im Fall einer Verurteilung 20 Jahre Haft.

Von Mittwoch, 18.05.2022, 21:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 18.05.2022, 16:03 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Nach einer Reihe von Anklagen, die in den letzten Jahren gegen Seenotretter:innen erhoben und sämtlich fallen gelassen wurden, steht nun der letzte noch offene Prozess an. Am Samstag beginnt die Anhörung im Prozess gegen die Iuventa Crew und 17 weitere Angeklagte von Médecins sans frontières und Saving Children. Durch ihren Einsatz auf See waren die Crewmitglieder an der Rettung von über 14.000 Menschen aus Seenot im Mittelmeer beteiligt. Jetzt wird ihnen vorgeworfen, durch die Zusammenarbeit mit libyschen Schleppern die illegale Einreise von Flüchtenden nach Italien ermöglicht zu haben.

Kathrin Schmidt, Dariush Beigui, Sascha Girke und Uli Tröder sind die vier angeklagten Crewmitglieder der Iuventa. Im Zuge der Anhörung, die mehrere Monate dauern kann, entscheidet der Richter, ob es überhaupt zu einer Hauptverhandlung kommen wird. Im Fall einer Verurteilung drohen den Retter:innen bis zu 20 Jahre Haft.

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Kriminalisierung von Seenotrettung

Nur ein paar Hundert Meter vom Gerichtsgebäude in Trapani entfernt, liegt die ‚Iuventa‘, das Rettungsschiff, im Hafen und verrostet langsam. Allein die Beschlagnahmung des Schiffes, so werfen die Crewmitglieder der zuständigen Staatsanwaltschaft vor, koste jeden Tag Menschenleben, solange die Seenotrettung nicht staatlich organisiert werde. „Für uns ist es ein Verbrechen, Menschen zum Tode zu verurteilen, indem man keine Hilfe auf See leistet“, kritisiert Kathrin Schmidt, eines der angeklagten Crew-Mitglieder bei einer Pressekonferenz.

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Über dem Prozess schwebt die Frage danach, was als Seenot definiert wird: Die Anklage stützt ihre Argumentation auf der Behauptung, die geretteten Flüchtenden haben sich nicht in einer Notsituation befunden. Die Retter:innen halten dagegen, dass die über 23.000 Menschen, die seit 2014 im Mittelmeer ertrunken sind, die Notsituation beweisen. Die Crewmitglieder fordern, „dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten die Notwendigkeit und Verantwortung anerkennen, sich an internationale Gesetze und Menschenrechte zu halten.“

Fragwürdige Ermittlungen

Die Ermittlungen in diesem Fall nahmen fünf Jahre in Anspruch und wurden von einer Anti-Mafia-Einheit der italienischen Polizei durchgeführt – mit Methoden, die normalerweise für die Bekämpfung von organisiertem Verbrechen genutzt werden. So stützt sich ein Großteil der Beweisführung der Anklage auf die heimliche Abhörung der Brücke der Iuventa und den Einsatz von verdeckten Ermittler:innen. Nicola Canestrini, einer der Anwälte der Crewmitglieder, befürchtet daher, der Prozess könne zu politischen Zwecken missbraucht werden.

Auch Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Vorgehen der italienischen Justiz gegen die Retter:innen: „Wir sehen die Vorwürfe als Teil eines größeren, verstörenden Trends, die Solidarität mit Flüchtenden und Migrant:innen zu kriminalisieren. Es kann nicht oft genug gesagt werden, dass Seenotrettung in internationalem Recht kein Verbrechen ist, sondern ein wesentlicher Beitrag zur Verteidigung der Menschenrechte“, sagt Allison West von ECCHR (European Center for Constitutional and Human Rights). Das ECCHR, gemeinsam mit Amnesty International und weiteren Menschenrechtsorganisationen, wird die Anhörung vor Ort mitverfolgen und darüber berichten.

Solidarität mit Flüchtenden und Rettenden

Der Vorwurf der Beihilfe zur illegalen Einreise steht laut Kathrin Schmidt in einem größeren Zusammenhang: „Wie kann die Beihilfe zu unerlaubter Einreise überhaupt ein Verbrechen sein, wenn es einfach keine erlaubten Einreisemöglichkeiten für Flüchtende gibt?“ Die Aktivist:innen wollen durch den Prozess nicht nur auf die Kriminalisierung von Solidarität aufmerksam machen, sondern auch die Kriminalisierung von Migration: Durch die Abschottung der EU und das Fehlen legaler Einreisemöglichkeiten, würden Flüchtende erst in unsichere und überfüllte Boote gezwungen.

In ganz Europa solidarisieren sich Menschen mit den Angeklagten und fordern, die Kriminalisierung von Migration und Solidarität zu beenden. Richard Braude von ARCI, einer der unterstützenden Organisationen vor Ort, erklärt, warum das notwendig ist: „Der Prozess ist politisiert, denn er dient der Kriminalisierung von Migration, die bis heute weitergeht, aber er ist auch ein Angriff auf demokratische Prinzipien.“ (mig) Aktuell Panorama

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