Ukraine-Krieg

Afrika-Experten werfen Europa Doppelmoral vor

Experten sehen durch den Ukraine-Krieg das Verhältnis zwischen Europa und Afrika schwer belastet. Bei Konflikten in Afrika rühre sich Europa nicht, bei Konflikten in Europa erwarte die EU jedoch, dass ganz Afrika aufspringt. In der Kritik steht auch der unterschiedliche Umgang mit Flüchtenden aus der Ukraine und afrikanischen Ländern.

Donnerstag, 19.05.2022, 20:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 19.05.2022, 17:05 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der Ukraine-Krieg könnte nach Ansicht von Afrika-Experten das Verhältnis Europas zum Nachbarkontinent neu bestimmen. Bisher hätten europäische Reaktionen auf die Positionierung afrikanischer Staaten in dem Konflikt teils ein Ernstnehmen der südlichen Länder vermissen lassen, war die Einschätzung bei einem Diskussionsforum der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung Hessen am Mittwochabend in Frankfurt am Main.

Es gebe Verbitterung über eine Doppelmoral, erklärte Ulf Terlinden, Leiter des Böll-Stiftungs-Büros in Nairobi, der per Video zugeschaltet war. Für Menschen in afrikanischen Kriegs- und Krisengebieten, wie in Tigray in Äthiopien, sei es nicht nachvollziehbar, dass die Welt dort praktisch tatenlos bleibe „und gleichzeitig erwartet, dass ganz Afrika aufspringt, wenn ein Konflikt in Europa ausbricht“.

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Vor allem Kritik am Abstimmungsverhalten der Afrikaner bei der Verurteilung Russlands in der UN-Vollversammlung sei bei manchen afrikanischen Regierungen übel aufgestoßen, sagte Terlinden. Die Gründe für die Enthaltungen seien vielfältig und sie seien zu hinterfragen, statt die Positionierung zu verurteilen, waren sich die Fachleute bei der Diskussionsrunde einig. Dazu zähle auch eine Selbstreflexion der westlichen Haltung.

Doppelmoral im Ukraine-Russland Krieg

Eine neutrale Position bei der Abstimmung dürfe auch nicht mit einer moralischen Neutralität in den afrikanischen Ländern gleichgesetzt werden, betonte Antonia Witt von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Eine Erklärung für die politische Enthaltung sei etwa, dass der Konflikt teils stark als einer zwischen West und Ost angesehen werde, in dem Regierungen eine neutrale Position einnehmen wollten.

Auch Boniface Mabanza Bambu von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika verwies auf die Wahrnehmung einer Doppelmoral: Viele fühlten sich nicht respektiert, wenn Länder, die die Kriegskasse Russlands füllten, hart mit afrikanischen Staaten ins Gericht gingen, deren Unterstützung höchstens symbolisch sei. Nichtsdestotrotz gebe es natürlich auch Länder, die in ihrer aktuellen Lage auf eine Kooperation mit Russland setzten, wie etwa Mali.

Unterschiedlicher Umgang mit Flüchtenden

Zudem habe der Umgang mit Geflüchteten das Verhältnis zu Europa belastet: So sei die erste Solidaritätswelle in Afrika deutlich abgekühlt durch rassistische Vorfälle in der Ukraine und an Grenzen zum Westen. Aus der Ukraine fliehende Afrikaner und Asiaten hatten berichtet, bei der Flucht behindert und diskriminiert worden zu sein. „Hinzu kommt, dass die Art und Weise, wie EU-Länder mit Geflüchteten aus der Ukraine umgehen, deutlich kontrastiert mit dem Umgang mit Geflüchteten aus afrikanischen Ländern“, sagte Mabanza. Das werde registriert.

In dieser Konstellation sei die Frage nach einer integrativen, gleichberechtigten globalen Ordnung umso wichtiger, sagte Witt. Jetzt sei die Gelegenheit, „deutlich zu machen, dass man Doppelstandards entweder nicht hat oder überwinden will“, unterstrich Terlinden. (epd/mig) Leitartikel Politik

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  1. Birgit Knoll sagt:

    Danke für den Artikel. Er beleuchtet offen und ehrlich den Rassismus und die Heuchelei in der gegenwärtigen Migrationspolitik. Während die einen Geflüchteten – in der Masse weiß und christlich – mit offenen Armen empfangen und in jeglicher Hinsicht gegenüber Geflüchteten aus Nicht-EU Ländern bevorteilt werden, sterben die anderen weiterhin an den EU-Außengrenzen, werden von sog. „Grenzschützern“ verprügelt und ausgeraubt oder bei illegalen Push-Backs ins Meer geworfen und dem Tod durch Ertrinken überlassen.
    Laut dem indischen Denker Mishra hat die EU ihre Sanktionspolitik gegen Russland nicht zu Ende gedacht. Er befüchrtet ein Zusammenbrechen der russischen Wirtschaft, was gravierende Folgen für die Länder des globalen Südens hat, die von russichen Exporten abhängig sind. Schon jetzt hungern z. B. in Afghanistan ca. 20 Mio der 40 Mio. Einwohner*innen.
    Die Waffenlieferungen der EU machen dies nicht besser sondern verlängern nur Tod und Sterben im Kriegsgebiet. Eine Alternative zu Verhandlungen gibt es nicht, denn nur so kann ein stabiler Frieden und kein Diktatfrieden aufgebaut werden.