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Christiane Carstensen © privat, Zeichnung: MiG

Sprachhintergrund

Keine Sprachkurs-Kapazitäten für ukrainische Geflüchtete?

Wir hören und lesen gerade überall, dass es nicht genügend Deutschkurse für ukrainische Geflüchtete gibt. Irritierend, denn die Kapazitäten stehen zur Verfügung.

Von Donnerstag, 31.03.2022, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 30.03.2022, 20:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Lehrkräfte und Träger der Integrationskurse spüren gerade um sich herum eine erhöhte Betriebsamkeit und sind irritiert: Ehrenamtliche werden an zwei Fortbildungsabenden zu Sprachdidaktikern umgeschult, Kommunen schreiben Sprachkurse für Geflüchtete aus (die aufgrund begrenzter Mittel von Laien durchgeführt werden), Förderanträge und Konzepte werden geschrieben, das Rad neu erfunden …

Die gute Nachricht: Entspannt Euch. 2015 wird sich in der Art nicht wiederholen. Ukrainische Geflüchtete werden nicht zwei Jahre auf Deutschkurse warten müssen wie damals unsere syrischen und irakischen Teilnehmenden. Manchmal lernt eine Gesellschaft aus Fehlern und der Bund hat gelernt: Ukrainischen Geflüchteten erhalten von Beginn an kostenfreien Zugang zu Integrationskursen und anderen vorgeschalteten, niedrigschwelligen Deutschkursen.

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„Wenn Lehrkräfte, die seit 2005 weitgehend ungehört über prekäre, entpädagogisierte und vulnerable Arbeitsbedingungen klagen, in attraktivere Arbeitsbereiche abwandern und jungen Uni-Absolventen dringend abraten, sich für eine Tätigkeit in den Integrationskursen zu entscheiden – dann wundert sich doch niemand ernsthaft über einen Lehrkräftemangel.“

Die zweite gute Nachricht: Es gibt in Deutschland eine gut ausgebaute Infrastruktur von zugelassenen Integrationskursträgern und professionellen, erfahrenen und gut ausgebildeten Lehrkräften.

Die Kapazität jedenfalls sollte kein Problem sein.

Die schlechte Nachricht: Es gibt sie doch, die Lücken und Wartelisten. Diese hängen aber nicht von den vorhandenen Kapazitäten ab, sondern von der Art, wie der Bund diese Kurse steuert.

Wenn Lehrkräfte, die seit 2005 weitgehend ungehört über prekäre, entpädagogisierte und vulnerable Arbeitsbedingungen klagen, in attraktivere Arbeitsbereiche abwandern und jungen Uni-Absolventen dringend abraten, sich für eine Tätigkeit in den Integrationskursen zu entscheiden – dann wundert sich doch niemand ernsthaft über einen Lehrkräftemangel.

Wenn Träger für die nun dringend benötigten Integrationskurse mit Kinderbetreuung nur die Personalkosten für die Tagesmütter und Tagesväter refinanziert bekommen, den erheblichen Personalaufwand für Gespräche der Fachbereichsleitungen mit den Jugendämtern sowie die Mieten, Reinigungskosten, Energiekosten, Spielzeug, Möbel für die Kinderbetreuung dagegen aus eigener Tasche finanzieren müssen – dann wundert sich doch niemand ernsthaft darüber, dass es kaum Integrationskurse mit Kinderbetreuung gibt.

„Wenn Fachbereichsleitungen die Grenze ihrer Belastbarkeit erreicht haben, weil die Kurse immer bürokratischer werden und gleichzeitig nicht rentabel genug sind, um weiteres Personal zur Entlastung einzustellen – dann wundert sich doch niemand ernsthaft darüber, dass man auch bei ausreichend vorhandenen Lehrkräften und Räumen nur das Maß an Kursen anbietet, welches man eben noch so verwalten kann.“

Wenn Fachbereichsleitungen die Grenze ihrer Belastbarkeit erreicht haben, weil die Kurse immer bürokratischer werden und gleichzeitig nicht rentabel genug sind, um weiteres Personal zur Entlastung einzustellen – dann wundert sich doch niemand ernsthaft darüber, dass man auch bei ausreichend vorhandenen Lehrkräften und Räumen nur das Maß an Kursen anbietet, welches man eben noch so verwalten kann.

Es gibt sie leider, die Lücken und Wartelisten. Es gibt aber auch Lösungen. Wir sind überzeugt, dass unsere Kapazitäten als Lehrkräfte und Integrationskursträger für die Anforderungen der nächsten Jahre tragen, wenn man im Bund bereit für Veränderungen wäre. Die Reformen, die wir dringend benötigen, sind gar nicht mal so groß. Es braucht nicht viel, aber deutlich anders.

P.S.: Und ja, wir brauchen kommunale und ehrenamtlich geförderte Sprachförderung. Dringend! Aber nicht als Kopien der Integrationskurse, sondern als Ergänzung dort, wo Integrationskurse an ihre Grenzen kommen: in vielfältigen, lebendigen, beziehungsreichen Sprachangeboten, in der gelebten Sprache, im Kennenlernen der Stadt, im Ausprobieren von Sprache. Nutzen Sie als Ehrenamtliche den Freiraum, den Sprachkurse oft nicht haben und gestalten Sie als Ehrenamtliche den Zugang zur deutschen Sprache und zum unmittelbaren Lebensumfeld mit allen Sinnen! Meinung

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