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Notunterkunft für Geflüchtete aus der Ukraine (Archiv)

UNHCR

Kein Anzeichen für rassistische Zurückweisungen von Flüchtlingen

Entgegen zahlreicher Augenzeugen- und Betroffenenberichten in sozialen Medien sieht der deutsche UN-Sprecher Melzer keine Anzeichen für rassistische Zurückweisungen von Flüchtenden aus der Ukraine. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung indes fordert Aufnahme aller Schutzsuchenden – unabhängig vom Pass.

Freitag, 04.03.2022, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 03.03.2022, 16:39 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

An der polnischen Grenze zur Ukraine gibt es nach Worten des Sprechers des deutschen UN-Flüchtlingshilfswerks, Chris Melzer, keinerlei Anzeichen für Zurückweisungen von Menschen auf der Flucht vor dem Krieg. Melzer, der sich aktuell an der ukrainisch-polnischen Grenze aufhält, widersprach bei einem Online-Pressegespräch am Donnerstag solchen Gerüchten in sozialen Medien. Als Wächter der Genfer Flüchtlingskonvention sei das UNHCR da extrem empfindlich und dieser Frage nachgegangen.

Melzer sagte mit Blick auf die aktuell mehr als einer Million Flüchtlingen: „Das haben wir so noch nicht gehabt nach 1945. Das haben wir in der Balkankrise nicht gehabt, das haben wir nicht 1956 beim russischen Einmarsch in Ungarn gehabt.“ Auch in der äthiopischen Region Tigray, als vor fünf Jahren etwa 800.000 Menschen geflüchtet seien, sei dies nicht vergleichbar gewesen. Denn das habe etwa 14 Wochen gedauert, während bei der Ukraine schon nach fünf Tagen diese große Zahl an Menschen erreicht worden sei.

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Nach Gesprächen mit zahlreichen geflüchteten Menschen, überwiegend Frauen und Kinder, habe er den Eindruck, dass nur sehr wenige Zuflucht in einem Land westlich der Oder suchten, sagte Melzer. Diejenigen, die etwa nach Deutschland oder England wollten, sagten dies stets mit dem Nachsatz, dass dort eine Tante oder eine Schwester lebe. Die meisten wollten so schnell wie möglich wieder nach Hause.

Augenzeugen berichten von rassistischen Zurückweisungen

Die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber in der Ukraine ist nach Informationen von Melzer indes sehr niedrig. Es seien dort rund 2.700 Flüchtlinge registriert und 3.300 Asylbewerber. Das Land sei aber ein beliebtes Studienziel von jungen Menschen aus afrikanischen Ländern. In Gesprächen mit etwa 25 Bürgern afrikanischer Länder wie dem Kongo, Sudan oder Nigeria habe die Hälfte berichtet, dass es überhaupt keine Probleme beim Grenzübertritt gegeben habe. Es habe aber auch durchaus solche gegeben, die bis zu 36 Stunden festgehalten worden seien.

Er sagte: „Wir waren in einem Raum, da hätte ich maximal 50 Leute untergebracht und da waren eher 150.“ Das seien Menschen gewesen, die aus arabischen oder afrikanischen Ländern stammten. Die polnischen Grenzpolizisten hätten gesagt, dass diese keine Reisepässe hätten und versichert, dass das Herkunftsland kontaktiert werde. Wenn die Identität bestätigt werde, würden die Menschen ins Land gelassen.

Amtsberg fordert Hilfe unabhängig vom Reisepass

Seit dem Beginn der Flüchtlingsbewegungen kursieren in sozialen Medien mehrere, voneinander unabhängige Augenzeugen- und Betroffenenberichte, wonach es an Bahnen, Bussen und Grenzen zu rassistischen Zurückweisungen gekommen ist. Schwarze würden an der Flucht aus dem Kriegsland Ukraine gehindert. In den sozialen Medien lösten die Berichte Empörung aus. Die Bundesregierung wurde wiederholt aufgefordert, allen Schutzsuchenden zu helfen.

Das forderte am Donnerstag auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg (Grüne). Sie sprach sich für die Aufnahme von aus der Ukraine flüchtenden Menschen unabhängig von Aufenthaltsstatus oder Reisepass aus. Der Angriffskrieg des russischen Präsidenten Wladimir Putin „ist ein Krieg gegen alle, die in der Ukraine leben oder gelebt haben“, sagte sie dem „Evangelischen Pressedienst“ mit Blick auf die Beratungen der EU-Innenministerinnen und Innenminister am Donnerstag über die Aktivierung der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie. „Um Fluchtwege für alle Menschen unterschiedslos offen zu halten, appelliere ich an den Rat, die Richtlinie weit auszulegen.“

Wüst: Alle Flüchtlinge in NRW willkommen

Amtsberg sprach sich zudem dafür aus, dass Deutschland „im Zeichen europäischer Solidarität“ von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht und Dublin-Überstellungen nach Polen bis auf Weiteres aussetzt. UN-Angaben zufolge sind derzeit knapp 550.000 Flüchtende aus der Ukraine in Polen. Ein Staat, der von dem sogenannten Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht, ist zuständig für das Verfahren eines Flüchtlings, der über ein anderes Mitgliedsland in die EU gekommen ist.

Bereits am Mittwoch hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine in NRW bekräftigt – „ohne Wenn und Aber“. Dieses Hilfsangebot richte sich unabhängig von der Staatsangehörigkeit an alle, die aus der Ukraine fliehen, also etwa auch an Studierende aus anderen Ländern, stellte der Ministerpräsident klar. (epd/mig)

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