Petra Bendel, Sachverständigenrat, SVR, Migration, Integration
Prof. Dr. Petra Bendel © svr/Michael Setzpfandt

Petra Bendel im Gespräch

„Doppelpass mit Generationenschnitt einführen“

Integrationspolitisch muss auch die neue Bundesregierung viel tun - nicht nur im Einbürgerungsrecht. Zum umstrittenen Doppelpass präsentiert der Sachverständigenrat für Integration und Migration einen eigenen Vorschlag, wie die Vorsitzende Petra Bendel im Gespräch erläutert.

Von Donnerstag, 10.02.2022, 20:00 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 10.02.2022, 17:43 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Wer Einwanderer und Flüchtlinge in die Aufnahmegesellschaft mit Erfolg integrieren will, muss etliche Politikfelder im Auge haben. Wo sieht der Sachverständigenrat den meisten Nachholbedarf?

Petra Bendel: Den sehen wir bei der Anerkennung von mitgebrachten Berufs- und Bildungsanschlüssen. Das im März 2020 in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz hat die Einwanderung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten zwar erleichtert. Die positiven Effekte sind bislang aber ausgeblieben. Wir brauchen eine weitere Vereinfachung von Anerkennungsverfahren, die Ausweitung der Regelungen auf zusätzliche Branchen und Personen sowie eine aktive Bewerbung des Standorts Deutschland auch durch die Politik.

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„Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass Bildungserfolge von sozialer Herkunft entkoppelt werden.“

Und: Die Bundesregierung muss dafür sorgen, dass Bildungserfolge von sozialer Herkunft entkoppelt werden. Wir brauchen mehr Kita-Plätze und Schulen, die besser auf den Normalfall Vielfalt eingestellt sind. Ein Bleiberecht für gut integrierte Menschen mit einer Duldung ist zu begrüßen, hängt aber von der genauen Ausgestaltung ab.

Deutschland braucht mehr Zuwanderung, um sich genügend Fachkräfte zu sichern. Warum stockt es immer noch bei der Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse?

Petra Bendel: Um in Deutschland arbeiten zu können, müssen ausländische Fachkräfte gleichwertige Qualifikationen nachweisen. Das ist oftmals kompliziert. Wir haben es mit reglementierten und nicht-reglementierten Berufen sowie komplexen Bund- und Länderzuständigkeiten zu tun. Dennoch könnten die zuständigen Behörden versuchen, ihre Verfahren und Anforderungen abzugleichen und zu vereinfachen – zum Beispiel bei Verwaltungsvorschriften, Gebührenordnungen oder Art und Umfang der vorzulegenden Qualifikationsnachweise.

Jetzt hat die neue Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD), versprochen, die Hürden bei der Einbürgerung zu senken. Was passiert nun mit dem Doppelpass?

„Viele Zugewanderte wollen gerne Deutsche werden, können sich aber den Verlust ihrer ursprünglichen Staatsangehörigkeit nicht erlauben.“

Petra Bendel: Beim Doppelpass geht es darum, grundsätzlich Mehrstaatigkeit zu erlauben. Viele Zugewanderte wollen gerne Deutsche werden, können sich aber den Verlust ihrer ursprünglichen Staatsangehörigkeit nicht erlauben. Der kann zu Einreisebeschränkungen für das Herkunftsland und damit Problemen beim Besuch von Angehörigen vor Ort führen oder zum Verlust der Erbfähigkeit.

Wir plädieren für die Einführung eines Doppelpasses mit Generationenschnitt. Das Modell sieht vor, Mehrstaatigkeit für eine oder mehrere Übergangsgenerationen zu ermöglichen und zugleich eine unbegrenzte Weitergabe der Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes zu vermeiden. Dafür sind Abkommen mit den jeweiligen Herkunftsstaaten nötig. Verschiedene Beispiele zeigen aber, dass völkerrechtliche Verträge im Bereich des Staatsangehörigkeitsrechts möglich sind. Dazu könnte man sich auch Pilotprojekte vorstellen. (epd/mig) Aktuell Interview Politik

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  1. Alim-mus sagt:

    Doppelpass mit Generationenschnitt ist die Aufschiebung der Optionspflicht. Denn für EU-Mitglieder, Menschen die aus Ländern kommen wo die Staatsangehörigkeit nicht abgelegt werden darf (z.B. Libanon oder Marokko) und „Ausnahme-Nationalitäten“ wie Schweizer, Norweger, US-Amerikaner oder Israelis gelten andere Regeln. Sie verfügen über bedingungslose Rechte was die Mehrstaatigkeit angeht. So viel zum Thema vor dem Gesetz ist jeder Mensch gleich. So lange es in dieser Sache keine einheitliche und gleichberechtigende Regelung gibt, wird es weiterhin für Unmut sorgen.