"Taliban jetzt Realität"

Opposition verlangt Aufklärung über Scheitern in Afghanistan

Bundeskanzlerin Merkel hat die späte Evakuierung von afghanischen Helfern deutscher Entwicklungsorganisation gerechtfertigt. Die Opposition hingegen macht der Regierung schwere Vorwürfe.

Donnerstag, 26.08.2021, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 25.08.2021, 17:24 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Bei der Afghanistan-Debatte im Bundestag hat die Opposition die Regierung für das Scheitern des Einsatzes am Hindukusch scharf kritisiert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen rechtfertigte die späte Entscheidung zur Evakuierung von Helfern deutscher Entwicklungsorganisationen. Viele Mitarbeiter der Organisationen seien zur Weiterarbeit entschlossen gewesen, ergänzte sie. Sie wolle „in keinster Weise“ Verantwortung abschieben, aber „auf ein Dilemma hinweisen“. Im Anschluss an die Debatte genehmigte der Bundestag mit einer Mehrheit von 539 Stimmen den bereits laufenden Evakuierungseinsatz.

In ihrer Regierungserklärung zum Auftakt der rund zweistündigen Aussprache im Bundestag erklärte Merkel, die Staatengemeinschaft wolle sich dafür einsetzen, dass möglichst viel von dem bewahrt werde, was durch den 20-jährigen Einsatz in Afghanistan für die Menschen erreicht worden sei. Dabei sprach sie sich auch für Gespräche mit den Taliban aus. „Die Taliban sind jetzt Realität in Afghanistan“, sagte sie. Diese Realität sei bitter, „aber wir müssen uns mit ihr auseinandersetzen“.

___STEADY_PAYWALL___

Nicht mehr viel Zeit für Evakuierungen

Die Taliban waren seit Anfang Mai nach dem unvorbereiteten Abzug westlicher Truppen in rascher Geschwindigkeit immer weiter vorgerückt und hatten mit der Eroberung von Kabul vor mehr als einer Woche die Macht am Hindukusch übernommen. Seitdem sind westliche Länder um Schadensbegrenzung bemüht. Sie versuchen, ihre Staatsangehörigen und weitere schutzbedürftige Menschen über den Flughafen Kabul außer Landes zu bringen. Die Bundeswehr hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums bis Mittwoch etwa 4.850 Menschen ausgeflogen.

Angesichts des vorgesehenen Abzugs der US-Truppen am 31. August bleibt allerdings nicht mehr viel Zeit für die Evakuierungsmission. Berichte über das Ende des deutschen Einsatzes am Mittwoch oder Freitag bestätigte das Verteidigungsministerium nicht. Das Auswärtige Amt bekräftigte indes seine Bemühungen, auch über den erwarteten Abzug der USA hinaus Menschen dabei helfen zu wollen, das Land zu verlassen. Der Deutsche Journalisten-Verband appellierte an das Verteidigungsministerium, die Rettungsflüge der Bundeswehr aus Afghanistan so lange wie möglich fortzusetzen.

Opposition erhebt schwere Vorwürfe

Seit der Machtübernahme der Taliban versuchen Tausende Afghaninnen und Afghanen aus Furcht vor Verfolgung und Angriffen das Land zu verlassen. Am Dienstag hatte ein Sprecher der Aufständischen gedroht, afghanische Staatsbürger nicht mehr ausreisen zu lassen. Der arabische Sender Al-Dschasira berichtete am Mittwoch, die Taliban hätten zusätzliche Checkpoints aufgebaut. Menschen ohne die für die Ausreise notwendigen Dokumente kämen nicht mehr zum Flughafen.

In der Debatte im Bundestag machte die Opposition der Regierung schwere Vorwürfe. Es hätten Hunderte Menschen mehr evakuiert werden können, wenn man früher damit begonnen hätte, erklärte FDP-Fraktionschef Christian Lindner. Die grüne Parteichefin Annalena Baerbock warf der Regierung vor, ihrer außenpolitischen Verantwortung nicht gerecht geworden zu sein, weil innenpolitische Ziele höher gewertet worden seien – nämlich weiter Menschen nach Afghanistan abschieben zu können.

Grüne, FDP und Linke fordern Untersuchungsausschuss

Grüne, FDP und Linke forderten einen Untersuchungsausschuss nach der Bundestagswahl. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich plädierte für eine Enquetekommission, die weniger Möglichkeiten hat, Akten einzusehen und Zeugen zu befragen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) betonte die moralische Verpflichtung Deutschlands, die Menschen in Afghanistan nicht im Stich zu lassen.

Derweil setzte die Weltbank die Zusammenarbeit mit Afghanistan vorerst aus. Die Auszahlungen seien pausiert, und die Lage im Land werde beobachtet und bewertet, sagte eine Sprecherin der in Washington ansässigen Entwicklungsbank dem „Evangelischen Pressedienst“. Seit 2002 hat die Weltbank mit insgesamt 5,8 Milliarden US-Dollar (4,9 Milliarden Euro) Entwicklungs- und Hilfsprojekte in Afghanistan gefördert. (epd/mig) Aktuell Politik

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. urbuerger sagt:

    Wenn man sich das Desaster der CDU geführten Regierung bei der Rettung von Ortskrâften und deutschen Staatsbürgern ansieht, ist es nur eine weitere Krise, die von der Merkel geführten Regierung nicht angemessen gelöst werden konnte!

    Ob es die Rückholung der Ortskrâfte aus Afghanistan ist, oder die sehr schlecht regulierte Flutkatastrophe im Westen der Republik, sind nur weitere Punkte auf einer Yunwahrscheinlich langen Liste von Fehlern, die von der Regierung gemacht wurden!

    Merkel ist seit 2005 an der Regierung, aber nur, we8l sie sich auf die Agenda 2010 stützen konnte, die von Schröder (SPD) damals auf den Weg gebracht wurde!
    Nur mit Hilfe dieser Agenda konnte Merkel solange einigermaßen angemessen regieren!

    Auch die Banken und Euro Krise könnte sie noch einigermaßen gut meistern, weil sie durch die Agenda einen Recht guten Biden hatte, ihre Entscheidungen zu rechtfertigen!
    Sie konnte weiterhin die Niedriglöhnen und andere Geringverdiener ausnutzen, um weitere Lohnverzicht Gesetze durchzubringen!

    Ab 2015 musste Merkel mit der Migratilnskrise, bzw. dem Andrang der syrischen Asylsuchenden klarkommen, zu der sie aber keinerlei Richtlinien finden konnte, da solch eine Krise noch niemand bewältigen musste!
    Aus diesem Grunde lief so extrem viel um die Entscheidungen von Kanzlerin Merkel schief, da sie nicht Mal Ansatzweise eine Idee hatte, wie damit umzugehen!
    Es fing schon damit an, dass sie die Grenzen nicht schloss, um eine geordnete Zuwanderung, bei der die Asylsuchenden ordentlich registriert werden konnten ermöglichte!

    Das schlimmste war allerdings ihr Versuch, die Lage auf die Bevölkerung abzusetzen, mit ihrem Spruch „Wir schaffen das!“!
    Damit hat sie sich versucht aus der Affäre zu ziehen und der Gesellschaft etwas aufgedruckt, was sie nicht bewältigen konnte, weil sie nicht die Möglichkeiten dazu hatte und schon gar kein Wissen, wie mit den Menschen umzugehen!

    Die CDU Regierung hat uns dermaßen viele Krisen vor die Nase gehalten und uns immer wieder auch die Kosten für ihre Fehleinschâtzungen aufgedrückt, wie beispielsweise mit der EEG Umlage, aus der sich die Unternehmen befreien könnten, aber der Arbeiter und Angestellte, so wie der Hartz IF Empfange und Rentner mussten zahlen!

    Wir müssen zusehen, dass es einen Politikwechsel in Berlin gibt!!!