Anzeige
Sven Bensmann, Migazin, Kolumne, Bensmann, Sven
MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Die Ahrweiler-Verschwörung

Wer schamlos ist, dem kommt so eine Flutkatastrophe gelegen. Man kann Rettungskräften den Weg versperren, Lügen verbreiten und so tun, als würde man helfen. Apropos, kennen Sie Nàsis?

Von Dienstag, 27.07.2021, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 26.07.2021, 12:15 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

So eine Flutkatastrophe ist schon eine großartige Gelegenheit – jedenfalls wenn man über keinerlei Schamgefühl verfügt. Und nein, es geht nicht um Armin Laschet, der sich hinter dem Rücken des Bundespräsidenten schlapp lacht.

Die Grünen haben’s da ja schon etwas besser gemacht: Urlaub beendet, öffentlich alles ganz, ganz schlimm gefunden – und dann aber lieber keinen Fuß ins Katastrophengebiet gesetzt, wo man nicht nur wie all die anderen ständig im Wege gestanden hätte, sondern dazu noch vom steten Nimbus des „Wir haben’s euch ja gesagt“ umgeben wäre. Die Deutschen sind zwar dumm genug, einen Pressetermin vor Ruinen als echtes Engagement misszuverstehen – aber wen sie gar nicht leiden können, sind die, die genau davor stets gewarnt und konkrete Schritte gefordert haben, ebendies zu verhindern: Besserwisser, die sich für ihr Wohl einsetzen.

___STEADY_PAYWALL___

„Richtig erfolgreich haben aber wohl die verschiedenen Milieus des Rechtsextremen die Flutkatastrophe genutzt, weshalb ich heute einmal ganz ernst werden muss.“

Anzeige

Richtig erfolgreich haben aber wohl die verschiedenen Milieus des Rechtsextremen die Flutkatastrophe genutzt, weshalb ich heute einmal ganz ernst werden muss. Denn was ein aufrechter Deutscher ist, der hat keinen geregelten Beruf, der kann jederzeit einfach alles stehen und liegen lassen, um die knappen Ressourcen am Ort einer Flutkatastrophe zu verbrauchen; und das muss angemessen eingeordnet werden.

Statt einfach nur unwillkürlich im Wege zu stehen, haben diese Rechten sich dann auch bewusst in den Weg der Rettungskräfte gestellt. Statt den Helfern zu helfen, haben sie sie beleidigt und mit Müll beworfen. Statt den Betroffenen zu helfen, haben sie mit Pseudo-Polizeifahrzeugen und über alle Kommunikationskanäle lügen verbreitet, dass niemand da sei, der helfe. Statt für die Retter zu spenden, haben sie eigens Spenden eingesammelt und diese auf Privatkonten umgeleitet, wo sie zu allem, aber sicher nicht zur Hilfe der Betroffenen eingesetzt werden. Statt selbst mit anzupacken und Schutt wegzuräumen, haben sie sich selbst als Betroffene ausgegeben, um die Koordination der Rettungsarbeiten zu sabotieren.

Ob Reichsbürger, Prepper, Impfgegner oder sonstige Verdenker – unter dem Deckmantel des angeblichen Kümmerns verfolgen die Rechten genau zwei Ziele, und können dabei nicht einmal viel falsch machen:

„Sie behindern ganz direkt die Hilfen. Sie reduzieren die Mittel und die Fähigkeiten die Retter vor Ort und erzeugen gleichzeitig bei denjenigen Betroffenen, die bereit sind, ihnen zu glauben, das Bild, selbst die großen Kümmerer zu sein.“

Erstens: Sie behindern ganz direkt die Hilfen. Sie reduzieren die Mittel und die Fähigkeiten die Retter vor Ort und erzeugen gleichzeitig bei denjenigen Betroffenen, die bereit sind, ihnen zu glauben, das Bild, selbst die großen Kümmerer zu sein.

Zweitens: Durch ihre ständigen Angriffe auf die Retter reduzieren sie deren Motivation zu helfen. Der so erzeugte psychische Druck könnte dazu führen, dass der ein oder andere seine freiwillige Hilfstätigkeit einstellt und geht; zumindest aber ist der Einsatz nicht derselbe, wenn man sich und sein Hilfsangebot nicht als Willkommen wahrnimmt. Überhaupt wird eine Ferne zwischen Helfer und Geholfenem erzeugt, die niemandem weiterhilft, außer den Spaltern – eine Lehre übrigens, die sich problemlos auf praktisch jedes andere gesellschaftliche Thema übertragen ließe, in dem die Nàsis (National-Asozialen, treue Leser erinnern sich) ihre Finger haben. Aber wem sag ich das?

„Aber, dass der freundliche Nazi aus Brandenburg extra hergekommen ist und den kaputten Schrank aus dem Schlafzimmer herausgetragen hat, das bleibt dann vielleicht doch hängen; auch dann, wenn vorher vielleicht vier linke Migranten die gesamte Küche entkernt haben…“

Die Nazis, das hat sich auch an diesen anderen Stellen gezeigt, können dabei kaum verlieren. Während der Staat, das THW und die Spendenorganisationen allen gleich und gleichzeitig helfen und helfen müssen, was nie schnell genug sein kann, können sich die Nazis auf hyperlokaler Ebene engagieren und so den Eindruck erwecken, sie würden die bessere Hilfe leisten – gerade in einer Ausnahmesituation wie dieser fehlt schließlich der Blick dafür, wer die Dorfbrücke wieder aufgebaut hat, die Straßen und die Kanalisation wieder instand gesetzt hat, die Wasser-, Strom- und Telekommunikationsnetze ersetzt oder wer den Keller des Nachbars ausgepumpt hat. Und überhaupt darf man das ja auch erwarten. Aber, dass der freundliche Nazi aus Brandenburg extra hergekommen ist und den kaputten Schrank aus dem Schlafzimmer herausgetragen hat, das bleibt dann vielleicht doch hängen; auch dann, wenn vorher vielleicht vier linke Migranten die gesamte Küche entkernt haben – die hatten schließlich keine politische Agenda, über die jedem ein Loch in den Bauch zu schnattern sie extra aus der Zone angereist sind.

Und selbst, wenn es bei 6 oder 7 von 10 Menschen auch in dieser Ausnahmesituation nicht ansatzweise verfängt: Die Bundesrepublik, die Länder, die Hilfsorganisationen müssen 10 von 10 Menschen erreichen; die extreme Rechte jenseits der Union wäre schon froh, wenn sie bis zur Bundestagswahl auch nur 1 von 10 erreicht hätte.

Am Ende ist es wie bei der Überflutung selbst: Wenn die Sandsäcke auch nur an einer einzigen Stelle nicht halten, kann der Keller bereits hinüber sein. Meinung

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Gerrit sagt:

    Würde man denken, wie diese Menschen der rechten Szene, müsste man sagen: „Alle einkassieren und erst einmal aus dem Verkehr ziehen. Bis sie hoffentlich einsehen, was sie da für einen BLÖDSINN machen“

    Sich am Leid anderer zu ergötzen und deren Situation für eigene fragwürdige Zwecke auszunutzen … das sollte unsere Gesellschaft nicht akzeptieren.

    Sagt man so etwas laut, kommen sofort die aus der Politik, denen auf einmal einfällt, daß wir Freiheitsrechte haben und nicht einschränken dürfen. Die haben wir – und das ist gut so – aber nicht für diesen Blödsinn!

    Das ist wie mit den Impfgegnern. Man sollte eine Impfpflicht einführen. Wer ein Auto fahren will, muss einen Führerschein haben. Wer einen Handwerksbetrieb führen will, muss einen Meisterbrief haben und wer im Krankenhaus operieren will, sollte zum Schutz der Patienten Medizin studiert haben.
    Wenn es um das Gemeinwohl geht, muss halt die individuelle Freiheit auch mal vernachlässigt werden dürfen im Interesse aller – auch der Betroffenen!
    Hier geht es dann nämlich um ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen. besonders gefährdete Gruppen in der Krankenpflege und auch um jüngere Kinder (also um unsere Zukunft wie die Politik so gern sagt – wenn’s passt) uvm. Hier geht es um uns alle. Wieviel Lockdowns wollen wir noch verkraften.

  2. thomas sagt:

    das versagen unserer Regierung und Landesregierungen in dieser schrecklichen Flutkatastrophe ist auf jeden Fall ganz schlimm und dadurch werden rechte richtig aktiviert.
    Vom Scheitern profitieren die ganz viel-
    Oft wird dann darauf verwiesen: seht her- ,,für Flüchtlinge ist Geld da aber für unsere Landsleute nicht“

  3. thomas sagt:

    eines hat uns diese Flutkatastrophe wohl gezeigt;
    Scheitern der Regierung und versagen der Regierung betrifft uns mitunter alle. Ich erinnere an die rassistischen Vorfälle der letzten Jahre, wo Opfer und angehörige oft berichteten, dass sie im stich gelassen worden seien und dass die Leute bei biodeutschen anders regiert hätten. Aber das ist mitnichten so.