Imam-Ausbildung
Islamkolleg Deutschland in Osnabrück feierlich eröffnet
Jahrzehnte haben islamische Theologen dafür gekämpft, dass angehende Imame in Deutschland auch eine deutschsprachige und verbandsübergreifende praktische Ausbildung absolvieren können. Mit dem Islamkolleg ist das nun erstmals gelungen. Unumstritten ist das Vorhaben aber nicht.
Mittwoch, 16.06.2021, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 15.06.2021, 20:24 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Mit einem Festakt im Beisein von Altbundespräsident Christian Wulff ist am Dienstag in Osnabrück das Islamkolleg Deutschland eröffnet worden. Alle Redner betonten die Bedeutung der bundesweit einzigartigen Ausbildungsstätte für Imame und religiöses Betreuungspersonal für die gesamtgesellschaftliche Anerkennung des Islams in Deutschland. „Das Ausbildungsprogramm des Islamkollegs ist selbstbewusst deutsch und islamisch im Sinne eines Islam, der in unserer Gesellschaft verwurzelt ist, die Werte unseres Grundgesetzes teilt und die Lebensarten unseres Landes achtet“, sagte der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Kerber.
Die Eröffnung sei ein historischer Tag. Damit beginne etwas, „auf das die deutsche Gesellschaft und vielleicht sogar ein großer Teil der islamischen Welt in Europa lange gewartet hat, nämlich eine wissenschaftlich fundierte verbands- und herkunftsübergreifende deutschsprachige Ausbildung von islamischem religiösem Personal“. Er wünsche sich, dass das Kolleg in die gesamte islamische Welt ausstrahle, sagte Kerber. Er betonte, dass Bund und das Land Niedersachsen mit der finanziellen Unterstützung in Höhe von insgesamt 5,5 Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre lediglich den organisatorischen Rahmen sicherstelle.
Große Religionsgemeinschaften nicht beteiligt
Die religiösen Inhalte werden Kerber zufolge allein von den beteiligten fünf Islamverbänden bestimmt, denen allerdings nur ein kleiner Teil der Moscheen in Deutschland angehören. Das wirft ein großes Fragezeichen auf: Die großen islamischen Religionsgemeinschaften, die potenziellen Arbeitgeber der künftigen Imame, sind am Kolleg nicht beteiligt. Ob sie Absolventen des Kollegs irgendwann ihre Türen öffnen, ist mehr als fraglich, weil insbesondere die praktische Ausbildung Sache der Religionsgemeinschaften ist. Zudem bilden sowohl Ditib, als auch die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs oder der Verband der Islamischen Kulturzentren ihre Imame in Eigenregie aus. Die Ditib greift zudem auf Imame der türkischen Religionsbehörde aus der Türkei zurück, was stark in der Kritik steht.
Dessen ungeachtet bezeichnete Wulff das Islamkolleg als „eine großartige Sache“. Es sei „ein wichtiger und notwendiger Baustein in dem Gesamtkonzept der vollen Gleichberechtigung der Muslime in unserem Land“. Es werde von den Muslimen auch genau so verstanden. Dieser Darstellung hatten die am Kolleg nicht beteiligten großen islamischen Religionsgemeinschaften allerdings schon früh widersprochen. Sie monieren, dass der Staat durch Finanzierung und eine selektive Auswahl der beteiligten Verbände Einfluss auf die Imam-Ausbildung nimmt.
Uçar: Innovationsschub für muslimische Gemeinden
Von dieser Kritik war bei der Eröffnung allerdings keine Rede. Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) zeigte sich erfreut, „dass wir jetzt endlich mutige Schritte gehen, um die religiöse Vielfalt auf der Grundlage unserer Verfassung zu ermöglichen“. Mit Blick auf die nicht unumstrittenen Finanzhilfen unterstrich er, der Staat dürfe „seine helfende Hand“ diesem Projekt nicht entziehen. Damit sei das Anerkenntnis des Staates verbunden, dass „eure Religionsausübung für uns einen echten Mehrwert darstellt“.
Der wissenschaftliche Direktor des Kollegs, Bülent Uçar, äußerte sich zuversichtlich, dass die wissenschaftliche Anbindung an die Universität, die strukturelle Unabhängigkeit und die professionelle Vernetzung des Kollegs „einen bedeutsamen Innovationsschub für hiesige muslimische Gemeinden bewirken“ könnten. Das Kolleg achte die vielfältigen muslimischen Strömungen. Er hoffe, dass die Akzeptanz in den Gemeinden auf Dauer wachsen werde, sodass langfristig die nationale Herkunft der Imame und Moscheegemeinden keine so große Rolle mehr spielen werde. „Der Islam wird sich in Deutschland so entwickeln, dass wir von deutschen Muslimen sprechen, die unterschiedlich geprägt sind.“
Ausbildung von Nicht-Imaminnen
Uçar betonte, dass mit Überzeugung auch Frauen ausgebildet würden, auch wenn nicht ausdrücklich von Imaminnen gesprochen werde. Darüber, in welchen Bereichen die Absolventinnen später eingesetzt würden, müssten die jeweiligen Moscheegemeinden entscheiden.
Die zweijährige praktisch-theologische Ausbildung beim Kolleg umfasst sieben Module: Predigtlehre, Koran-Rezitation, Seelsorge, Politische Bildung, gottesdienstliche Praktiken, Gemeindepädagogik und soziale Arbeit. Der erste Ausbildungsjahrgang besteht den Angaben zufolge aus 55 Kollegiaten, unter ihnen 19 Frauen und 36 Männer. 18 von ihnen nehmen an der grundständigen praktischen Ausbildung für Imame und religiöses Betreuungspersonal teil und 17 an einzelnen Modulen. Etwa 20 haben sich für die in einigen Monaten beginnende grundständige Islamischen Seelsorgeausbildung entschieden. (epd/mig) Aktuell Panorama
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