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Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) während seiner Rede zur Deutschen Islam Konferenz

Deutsche Islam Konferenz

Seehofer sieht Fortschritte bei Imamausbildung in Deutschland

Innenminister Seehofer lobte Fortschritte bei der Imamausbildung in Deutschland und fast überschwänglich das Engagement von Muslimen. Das sei gut für „unsere gemeinsame Heimat“, sagte er.

Von Mittwoch, 11.11.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 10.11.2020, 23:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Er habe sie „sehr, sehr schätzen gelernt“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Dienstag gegen Ende seiner Rede bei der diesjährigen Islamkonferenz. Der Minister, der seine muslimischen Gegenüber bei Amtsantritt noch mit dem Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ vergrätzt hatte, klingt heute ganz anders. Er dankte für das Engagement in Gemeinden und für den Zusammenhalt. „Sie wollen diese Gesellschaft und dieses Land stärken statt mit Gewehren und Messern zu morden“, sagte er vor dem Hintergrund der Anschläge in Paris, Nizza und Wien. „Das ist gut für Deutschland – unsere gemeinsame Heimat“, sagte Seehofer, den zweiten Teil betont und langsam.

Was die muslimischen Vertreter erwiderten, blieb der Öffentlichkeit vorenthalten. Wie viele Veranstaltungen im Jahr der Corona-Pandemie wurde auch die traditionelle Islamkonferenz, 2006 gestartet für den Dialog zwischen Staat und Muslimen, am Dienstag per Videokonferenz abgehalten. Der öffentliche Livestream endete nach der Ministerrede.

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Schwerpunkt Imam-Ausbildung

Die Islamkonferenz hatte in der Vergangenheit den islamischen Religionsunterricht und die Lehrstühle für islamische Theologie auf den Weg gebracht. Seehofer hatte sich zum Ziel gesetzt, bei der praktischen Imamausbildung voranzukommen.

Islamische Theologen werden an deutschen Universitäten zwar bereits ausgebildet. Was bislang aber fehlt, ist der praktische Teil wie bei der Pfarrer-, Priester- oder Rabbinerausbildung. Moscheegemeinden, zum Beispiel die des von der Türkei abhängigen Verbandes Ditib, werden daher oft von Imamen aus dem Ausland geleitet, die nicht Deutsch sprechen und mitunter Werte vertreten, die die Politik nur für schwer vereinbar mit dem deutschen Alltag ansieht.

Ministerium finanziert Imam-Ausbildung

Inzwischen gebe es Fortschritte, stellte Seehofer fest und verwies auf das Islamkolleg in Osnabrück. Von April an sollen dort islamische Geistliche und Gemeindepädagogen ausgebildet werden. Er wäre die erste weitgehend unabhängige Imamausbildung in deutscher Sprache, getragen vor allem von kleinen Verbänden und Gemeinden. Nur wenige der großen Verbände sind dabei, darunter der Zentralrat der Muslime.

Das Bundesinnenministerium will das Islamkolleg in Form einer Anschubfinanzierung unterstützen. Knapp eine Million Euro stehe dafür zur Verfügung, sagte der zuständige Staatssekretär Markus Kerber. Er betonte gleichzeitig, dass die Religionsgemeinschaften das Kolleg auf lange Sicht selbst tragen müssten. Weitere 450.000 Euro kommen für den Beginn vom niedersächsischen Wissenschaftsministerium.

Uçar fordert staatliche Finanzierungsmodelle

Der Türkei-nahe Verband Ditib hatte indes im vergangenen Jahr eine eigene Ausbildungsstätte eröffnet. Auch dies lobt Seehofer, fordert zugleich aber weitere Schritte in Richtung Unabhängigkeit von der Türkei. Wenn Europa zur Heimat von Muslimen werde, „dann bedarf es keiner Einmischung oder Einflussnahme mehr von außen“. Er erwarte daher, dass die Zahl der aus der Türkei entsendeten Imame Schritt für Schritt reduziert werde, sagte Seehofer. „Das Ziel muss sein, dass die Imame die Lebenswirklichkeiten des Alltags hier kennen“, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU) dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“. Auch sie verwies vor allem auf Ditib.

Der Osnabrücker Islamexperte Bülent Ucar, Mitbegründer des Islamkollegs, sieht unterdessen trotz der auf den Weg gebrachten Ausbildung noch Probleme für den flächendeckenden Einsatz „deutscher“ Imame. Die Gemeinden seien finanziell nicht in der Lage, Imame angemessen zu bezahlen, sagte er. Er plädierte dafür, schon jetzt Finanzierungsmodelle für Moscheegemeinden zu entwickeln.

Kritiker befürchten Verfassungsbruch

Aus bisherigen Reaktionen weiß man, dass die islamischen Religionsgemeinschaften solchen Forderungen kritisch gegenüberstehen. Sie befürchten einen Staatsislam, wenn das religiöse Personal mit staatlichen Geldern ausgebildet und später entlohnt werde. Sie verweisen auf das im Grundgesetz verankerte Gebot der strikten Trennung von Staat und Kirche.

Dass der Staat Imame bezahlt, hält auch Seehofer nicht für möglich. Das gebe das Religionsverfassungsrecht nicht her, sagte er. Man tue dies auch nicht bei anderen Religionsgemeinschaften, ergänzte Kerber. Der Staatssekretär verwies aber auf Fördermöglichkeiten, die an anderer Stelle entlasten könnten. So hat das Innenministerium vor einem Jahr das Projekt „Moscheen für Integration“ mit einem Volumen von sieben Millionen Euro gestartet. Die Nachfrage von Gemeinden sei groß, sagte Kerber. Kritiker sehen darin eine Umgehung der Verfassung. (epd/mig) Aktuell Politik

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  1. Peter Enders sagt:

    Die ganze Debatte krankt an der Bevorzugung der sog. christlichen Kirchen im Grundgesetz in Artikeln, die anderen Artikeln im Grundgesetz direkt widersprechen, vor allem die Gleichberechtigung von Mann und Frau und Anderen (die Bezeichnung „divers“ ist nurmehr ein Anzeichen des Niedergangs der Bildung hierzulande, die durch den Faschismus bewirkt wurde, wie Norbert Lammert 2015 festgestellt hat). Andere Widersprüche ergeben sich aus der Bezahlung kirchlicher Mitarbeiter. Dankenswerterweise wurde richterlich endgültig festgestellt, dass eine sog. christliche Gewerkschaft keine wirkliche Gewerkschaft ist. Ob dieses Urteil sie als „gelb“ bezeichnet. weiß ich leider nicht – es wäre allerdings nur zu logisch.

  2. Krissi Bogdanova sagt:

    Wird auch die Ausbildung von Imaminnen gefördert?! Ich hoffe ja nicht, daß man hier eine reine Männerveranstaltung abhält!