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MiGAZIN Kolumnist Sven Bensmann © privat, Zeichnung MiG

Nebenan

Der Griff in die Schüssel

Die Union hat Hans-Georg Maaßen zum Bundestags-Direktkandidaten gekürt: Einmal zusammen mit der AfD all den Klimaschutzquatsch, die linksgrünversiffte Menschenrechtsideologie und die Flüchtenden über Bord werfen.

Von Dienstag, 04.05.2021, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 03.05.2021, 10:58 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Also schon wieder CDU. Es ist ja nicht so, als gäbe es keine anderen Probleme – aber dieses ist eines auf konstant hohem Niveau. Oder viele, viele kleinere mit einem gemeinsamen Nenner. Letzte Woche hat die Union also Hans-Georg Maas-Memel zum Bundestags-Direktkandidaten gekürt. Es ist müßig. Noch einmal darüber zu spekulieren, warum einer wie Maaßen einem FDP-Ministerpräsidenten von Höckes Gnaden zujubelte – denn diese alte Geschichte ist die Woche über bereits mehrfach wieder hochgekaut worden. Auch die vielen anderen Geschichten Maaßens, von den Konsultationen mit den Nazis der AfD während er noch in seinem alten Amt war bis hin zur Obsession mit dem linksgrünen Milieu, dass der mit den anderen Pegidisten teilt, sollen hier nicht Thema sein.

Interessant aber ist, dass auf die Meldung der Nominierung Maaßens viel Kritik aus der Union kam, sogar halbwegs namhafte Parteiaustritte die Runde machten – mit Hinweis darauf, dass in der Union kein Platz für einen Extremisten wie Maaßen sei, oder in einer CDU, in der Maaßen Platz hat, kein Platz für sie sei.

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„Teile der Union machen offenkundig gerade einen Erkenntnisprozess durch, der überfällig ist und der auch darauf fußt, dass sie eigentlich nicht mehr weiß, wer sie ist.“

Teile der Union machen offenkundig gerade einen Erkenntnisprozess durch, der überfällig ist und der auch darauf fußt, dass sie eigentlich nicht mehr weiß, wer sie ist: Ist in der Union Platz für die ultrarechte Sekte der „Werteunion“, die nichts im Sinne zu haben scheint, als dem Faschisten Bernd Höcke eine Machtoption zu bieten? Oder ist die Union eine an christliche Werte gekoppelte Gemeinschaft, die soziale und demokratische Ideen einerseits und knallharte Wirtschaftsinteressen andererseits moderiert?

Das Lieferkettengesetz beispielsweise, dass so zerschossen wurde, dass es außerhalb der Grenzen Deutschlands – wo es ja erwiesenermaßen nur wenige Kakaoplantagen mit Kindersklaven gibt – keinerlei positiven Effekt haben kann, spricht für Ersteres: Demokratische, soziale und christliche Werte findet man darin allenfalls in homöopathischen Dosen. Dass man sich überhaupt einmal der Idee eines Lieferkettengesetzes angenommen hatte, statt direkt abzuwiegeln zeigt aber, dass es zumindest einige in der Union gibt, die bereit sind, die Buchstaben C, D und S in der U zu würdigen.

Wie aber, wie, konnte diese Union dann so tief in die Schüssel greifen und einen wie Maaßen ausgerechnet zum Chef des Verfassungsschutzes zu machen? Warum gab es bei dessen Ernennung nicht schon Parteiaustritte?

Nun – im Aufstieg der AfD, in den Pegidamärschen, im menschenverachtenden Rassismus, der sich tagtäglich auf deutschen Straßen zeigt, wird gern das Bild einer dünnen Firnis der Zivilisation auf dem harten Kern der Barbarei gebraucht. Das C, das D und das S sind genau diese dünne Firnis in Bezug auf die Union. Ihr Kern von Barbarei, von Sozialdarwinismus, von der Idee, das Demokratie immer und zuallererst einmal marktkonform sein müsse, schimmerte auch in der Ära Merkel gelegentlich durch; doch solange die Firnis in der Person Angela Merkel Wahlerfolge versprach, verhielten sich die Vandalen vor den Toren der Zivilisation still. Und solange die Vandalen still waren, musste niemand durch deren Existenz beunruhigt sein.

„Einmal zusammen mit der AfD all den Klimaschutzquatsch, die linksgrünversiffte Menschenrechtsideologie und die Flüchtenden auf dem Mittelmeer über Bord werfen.“

Damit ist mit dem Abtritt der müden Regentin Schluss, und die blätternde Firnis legt das frei, was man leicht als den Arbeitskreis der Pegidisten in der Union bezeichnen könnte, der sich nach nichts mehr sehnt, als zusammen mit der AfD all den Klimaschutzquatsch, die linksgrünversiffte Menschenrechtsideologie und die Flüchtenden auf dem Mittelmeer über Bord zu werfen.

Der Union steht, das zeigt sich deutlich, derselbe lange, schmerzhafte Prozess bevor, in dem sich die SPD seit zwei Jahrzehnten befindet und in der sie erst die aktuellen Parteivorsitzenden halbwegs stabilisieren konnten. Sie wird sich ihren Lebenslügen stellen und fragen müssen: Ist die Union Mitte oder ist sie rechts? Die Zeit der Volksparteien ist jedenfalls vorbei.

Und spätestens an diesem Punkt ist klar, dass die Grünen noch so oft wiederholen können, dass die Union dringend eine Auszeit auf der Oppositionsbank benötige – das macht es nicht weniger wahr. Meinung

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  1. Günter Blocks sagt:

    Der Vergleich der Unionsrechten mit den Vandalen ist eine Beleidigung:
    für die Vandalen!