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Die Bild-Zeitung © deggert07 @ flickr.com (CC 2.0), bearb. MiG

Soziologin

Häufung von Corona bei Migranten hat soziale Ursachen

Ein „Bild“-Bericht sorgte zunächst für Empörung, stellte sich später aber als unwahr heraus: Bis zu 90 Prozent aller Corona-Intensivpatienten seien Migranten. Dieser Darstellung widerspricht auch Soziologin Kohlenberger.

Mittwoch, 17.03.2021, 5:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 16.03.2021, 17:57 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Die Häufung von Corona-Infektionen bei Menschen mit Einwanderungsgeschichte hängt einer Expertin zufolge mit dem sozialen Status der Betroffenen zusammen. Das häufigere Auftreten von Covid-19 bei Migranten sei nicht überraschend, sagte die Wiener Soziologin Judith Kohlenberger der „Berliner Zeitung“. Es gebe dafür sozio-ökonomische Gründe.

„Viele Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten in systemerhaltenden Berufen, die im niedrig-qualifizierten Bereich angesiedelt sind, wo Homeoffice nicht möglich ist“, sagte die Forscherin der Wirtschaftsuniversität Wien. Als Beispiel nannte sie Menschen, die bei Reinigungs- und Lieferdiensten oder an Supermarktkassen arbeiten. „Ein niedriger sozio-ökonomischer Status ist ein Gesundheitsrisiko, denn Armut geht ganz massiv mit einer schlechteren Gesundheit einher. Wer reicher ist, ist statistisch gesehen gesünder“, betonte die Soziologin.

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Hintergrund: Bild-Bericht

Im mittel- bis hochqualifizierten Bereich seien zudem auch in der Pflege sowie unter Ärzten Migranten überrepräsentiert. „In all diesen Berufen herrscht ein höheres Level an Exponiertheit und somit ein höheres Infektionsrisiko“, sagte Kohlenberger.

Hintergrund ist ein Bericht im Boulevardblatt „Bild“. Darin werden angebliche Aussagen von Lothar Wieler, Chef des Robert-Koch-Instituts, und eines Chefarztes zitiert. Demnach hätten bis zu 90 Prozent der Covid-Intensivpatienten einen Migrationshintergrund. Sowohl Wieler als auch der Chefarzt widersprachen. Inhalte des Gesprächs seien nicht korrekt wiedergegeben oder aus dem Zusammenhang gerissen worden. Außerdem gebe es keine Erhebungen des Migrationshintergrundes von Intensivpatienten.

Bild-Meldung vielfach verbreitet

Zur Kritik, dass in Deutschland keine Daten zum sozialen Status von Corona-Erkrankten erhoben werden, erklärte die Forscherin: „Wenn man diese Daten möchte, müsste man sie bei einem positiven Testergebnis erheben.“ Dann müsste nach Einkommen, sozio-ökonomischen Hintergrund und Herkunft gefragt werden. „Das könnte einen Menschen, der gerade positiv getestet worden ist, befremden“, so Kohlenberger.

Die ursprüngliche Meldung von „Bild“ wurde in den sozialen Medien vielfach geteilt und von rechten und rechtsextremen Blogs und Portalen aufgegriffen. (epd/mig) Aktuell Panorama

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  1. Stefan Böckler sagt:

    Ich finde es schon überraschend, dass Frau Kohlenberger aus der sicherlich plausiblen H y p o t h e s e, dass die Häufigkeit von Coronainfektionen a u c h von der sozialen und beruflichen Situation der Betroffenen abhängt, eine T a t s a c h e macht und dadurch offensichtlich andere, etwa kulturelle Gründe, meint ausschließen zu könnnen – und das obwohl die soziale und berufliche Situation von Betroffenen gar nicht systematisch erhoben worden ist. Erst das würde es erlauben, den Einfluß sozialer und beruflicher Faktoren im Verhältnis zu anderen eventuell wirkdsamen Faktoren zu gewichten. Fehlinterpretationen der einen Seite (der Bildzeitung) kann man nicht durch Fehlinterpretationen der anderen Seite wiedergutmachen.