Studie belegt
Hohe Armutsgefährdung bei Migranten
Einer aktuellen Studie zufolge haben Einwanderer selbst viele Jahre nach ihrer Ankunft bei gleicher Bildung, Arbeit oder Gesundheit ein deutlich höheres Armutsrisiko als der Rest der Bevölkerung.
Donnerstag, 13.04.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:43 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Menschen mit Migrationshintergrund sind auch viele Jahre nach der Einwanderung von höherer Armut betroffen. Das geht aus einer aktuellen Studie des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) an der Humboldt-Universität zu Berlin hervor, die am Mittwoch in Berlin veröffentlicht wurde.
Geringere Qualifikationen oder Arbeitsmarktbeteiligung erklären allerdings nur zu einem geringen Umfang die deutlich höhere Armutsgefährdungsquote von Menschen mit Migrationshintergrund. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Aydan Özoğuz (SPD), hatte die Studie zu den Ursachen dieser Differenz in der Armutsgefährdungsquote in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse der Studie sind in den 5. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung eingeflossen, der am Mittwoch vom Kabinett beschlossen wurde.
Armutsquote bei Migranten doppelt so hoch
Der BIM-Studie zufolge lag die Armutsgefährdungsquote bei Menschen mit Migrationshintergrund im untersuchten Berichtsjahr 2013 mit rund 26 Prozent deutlich über der von Personen ohne Migrationshintergrund mit 12 Prozent. Legt man die gleichen armutsrelevanten Faktoren, wie zum Beispiel geringere Qualifikationen, zu Grunde, wäre das Armutsrisiko bei Menschen mit Migrationshintergrund immer noch 11 Prozentpunkte höher als in der Vergleichsgruppe ohne jede familiäre Einwanderungsgeschichte. „Der weitaus größte Teil der höheren Armutsgefährdungsquote bei Menschen mit Migrationshintergrund lässt sich nicht auf eine systematische Betroffenheit von armutsrelevanten Faktoren zurückführen. Es ist somit nicht ausgeschlossen, dass individuelle oder institutionelle Diskriminierung Gründe für das höhere Armutsrisiko sind“, so die Autorinnen und Autoren der Studie.
Staatsministerin Aydan Özoğuz erklärt: „In der aktuellen Diskussion um Armut und soziale Gerechtigkeit müssen wir auch Menschen mit familiären Einwanderungsgeschichten stärker in den Blick nehmen. Gerade Einwanderer werden häufig verdächtigt, sich nicht genügend anzustrengen oder anstrengen zu wollen. Es muss uns als Einwanderungsland alarmieren, wenn sie selbst bei gleicher Bildung, Erwerbstätigkeit, Gesundheit oder gleichem Alter ein deutlich höheres Armutsrisiko haben als der Rest der Bevölkerung. Wir müssen in allen gesellschaftlichen Bereichen konsequent auf faire Teilhabe-Chancen und diskriminierungsfreie Zugänge setzen.“
Zweite Generation profitiert von hohen Bildungsabschlüssen
Die Armutsgefährdung sinkt bei im Ausland geborenen Menschen mit Migrationshintergrund mit der Aufenthaltsdauer in Deutschland – allerdings nur langsam. Unter Menschen, die weniger als zehn Jahre in Deutschland leben, sind 37 Prozent von Armut bedroht. Nach 25 und mehr Jahren sinkt das Risiko auf 23 Prozent – das ist immer noch ein hoher Wert.
Eine positive Nachricht: Bei Personen der zweiten Generation gleicht sich die Armutsgefährdung mit steigender Bildung an die der Menschen ohne Migrationshintergrund an. Und in Deutschland geborene Menschen mit Migrationshintergrund, die einen Berufsabschluss erworben haben, weisen eine nur um 2 Prozentpunkte höhere Armutsgefährdungsquote auf als Menschen ohne Migrationshintergrund, die ebenfalls einen Berufsabschluss haben (12 gegenüber 10 Prozent). Bei Menschen mit einem Hochschulstudium ist die Differenz sogar noch geringer (3 gegenüber 4 Prozent). Anders ist das bei im Ausland geborenen Personen. Sie sind unabhängig vom Bildungsniveau in höherem Maße von Armut betroffen.
Die Studie basiert auf Daten des Jahres 2013 des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin sowie dem Mikrozensus, der vom Statistischen Bundesamt erhoben wird. Personen gelten als von Armut bedroht, wenn der Haushalt, in dem sie leben, weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens der Gesamtbevölkerung zur Verfügung hat. (sb) Leitartikel Studien Wirtschaft
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