Trotz Urteil

Anwalt sieht richterliche Glaubensprüfung bei Asylbewerbern kritisch

Verwaltungsgerichte dürfen zum Christentum übergetretene Asylbewerber keiner "Glaubensprüfung" unterziehen, entschied das Bundesverfassungsgericht. Rechtsanwalt Münch bezweifelt, dass Gerichte die Prüfung der religiösen Identität einstellen.

Freitag, 05.06.2020, 5:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 04.06.2020, 16:42 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Der Heidelberger Rechtsanwalt Berthold Münch blickt zwiespältig auf das Verfassungsgerichtsurteil zum Umgang mit Konvertiten in Asylverfahren. Zum einen begrüßte er, dass der Staat bei zum Christentum übergetretenen Asylbewerbern die Taufe als Rechtstatsache zugrundezulegen hat. Noch immer müsse aber befürchtet werden, dass ein Risiko besteht, dass der Staat bei der Prüfung der religiösen Identität letztlich prüft, ob der Betroffene „wahrer Christ“ sei, sagte der Anwalt, der den Beschwerdeführer aus dem Iran juristisch vertrat, dem „Evangelischen Pressedienst“.

Die Verwaltungsgerichte in Deutschland dürfen zum Christentum übergetretene Asylbewerber keiner „Glaubensprüfung“ unterziehen, entschied das oberste Gericht. Sie müssten sich jedoch davon überzeugen, dass die im Herkunftsland zu einer Verfolgung führende Glaubensbetätigung für die religiöse Identität des Betroffenen auch eine zentrale Bedeutung habe, heißt es in einem Beschluss (AZ: 2 BvR 1838/15), der am 22. Mai veröffentlicht wurde. Dies verletze weder das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen oder Religionsgemeinschaften noch die Glaubens-, Gewissens- und Religionsfreiheit des Einzelnen.

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Experte bezweifelt Einstellung von Glaubensprüfungen

Genau diese Regelung sieht Münch kritisch: Auch wenn das Bundesverfassungsgericht eine inhaltliche Glaubensprüfung verbiete, sei nicht sicher, ob der Beschluss die Schutzsuchenden wirksam dagegen absichere, dass Gerichte mit überzogenen Anforderungen die religiöse Identität der Neugetauften überprüfen. Außerdem müssten sich der Konvertit und die taufende Kirche des Risikos bewusst sein, dass der Staat trotz kirchlich korrekter Taufe weiterhin für sich in Anspruch nimmt, eine religiöse Identitätsprägung auch zu verneinen und den Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat zu verweigern, sagte der Heidelberger Rechtsanwalt.

Die Karlsruher Richter nahmen eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, die sich gegen die Ablehnung des Asylantrags eines in Deutschland zum Christentum konvertierten Iraners richtete. Dieser hatte nach Überzeugung der Vorinstanzen „nicht in substanzieller Weise seine Beweggründe aufzeigen können, die ihn ausgerechnet zum christlichen Glauben geführt hätten“. So habe der Mann keinen Taufkurs besucht und „nicht unerhebliche Lücken“ im Grundwissen über das Christentum gezeigt. (epd/mig) Aktuell Panorama

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  1. Rene sagt:

    Das Wort „Befürchtung“ ist hier meiner Meinung nach falsch gewählt.
    Denn mit dem Beschluss hat das BVerfG die seit mindestens 2012 durch das Bundesverwaltungsgericht bestehende Rechtspraxis bestätigt.
    Und die sagt, grob gesprochen, das der formale Akt der Taufe nicht in Frage gestellt werden darf ( um es profan auszudrücken: Wenn jemand im Sportverein Mitglied ist ist er Mitglied, auch wenn er nur eingetreten ist um Rabatte zu kriegen, nicht um Sport zu machen), wohl aber die Intention geprüft werden darf. Das ergibt sich zwanglos aus den Formulierungen des Beschlusses:

    Denn auch wenn das BVerfG gesagt hat, dass sich aus einer missbräuchlichen oder asyltaktischen Taufe (erst mal) kein anzweifeln der Taufe an sich ergeben darf, kann dies aber bei der Würdigung zur Ablehnung des Asylantrages sehr wohl herangezogen werden ( „…derartigen Anhaltspunkten kann jedoch im Rahmen der Verfolgungsprognose Rechnung getragen werden“). Soll heißen, es wird in solchen Fällen auf eine Ablehnung hinauslaufen.

    Wenn das BAMF und das Gericht also zu dem Schluss kommen (auch und gerade abweichend) von der MEinugn der kirchlichen Vertreter, dass die Taufe von Seiten des Asylbewerbers nicht aus religiösen Gründen erfolgt ist, dann kann der Antrag aufgrundessen abgelehnt werden. Soll heißen: Es wird ihm nicht geglaubt, damit ist er nur zum Schein konvertiert, der Antrag wird abgelehnt, er bleibt aber in der Kirche. Wirkt etwas schizophren, nichts anderes sagt aber der Beschluss.
    Das ganze ist für die Kirchen bzw. die Konvertiten und ihre Vertreter nicht das Ergebnis, dass sie wollten. Und so gesehen kommt mir der obige Artikel fast schon zu positiv für diesen Fall vor. Denn mit dem Beschluss wird es natürlich so weitergehen wie bisher, was ja genau das ist,was die Kirchen NICHT wollten.
    Wenn man es genau nimmt wird das BVerfG da fast schon ungehalten („Ob die BRD Schutz […] gewährt, obliegt nach Maßgabe der europäischen und nationalen Rechtsvorschriften ausschließlich dieser selbst und nicht der Kirche oder den Religionsgemeinschaften“).

    Also zum Abschluss, was im Artikel als „Befürchtung“ dargestellt wird ist Fakt. Ob man das gut oder schlecht findet mag jeder selber entscheiden, rechtlich ist die Sache damit aber erst mal geklärt (denn das BVerfG baut auf einem Urteil des EuGH aus dem Jahr 2012 auf, auf Europaebene ist die Sache also auch durch).