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Experten: 2015 wiederholt sich nicht!
Die Bilder von den Menschen an der türkisch-griechischen Grenze lassen Erinnerungen an die Flüchtlingsbewegungen von 2015 wiederaufleben. Damals kamen Hunderttausende über die Türkei nach Griechenland und zogen weiter. Phillipp Saure hat Experten und Politiker gefragt, ob sie an eine Wiederholung dieser Entwicklung glauben.
Von Phillipp Saure Dienstag, 03.03.2020, 5:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 02.03.2020, 17:55 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Birgit Sippel, Europaabgeordnete der SPD
„Nein“, sagt Birgit Sippel. Sie sehe keine Wiederholung von 2015, insofern sich derzeit offenbar nicht viele Flüchtlinge „quer durch Europa auf den Weg machen“. Allerdings könnte es sogar „schlimmer sein, wenn Menschen verzweifelt außen vor den Grenzen ausharren müssen und gar keine Unterstützung bekommen“, macht die Sozialdemokratin geltend.
Lukas Mandl, Europaabgeordneter der ÖVP
An eine Wiederholung glaubt auch der österreichische EU-Abgeordnete Lukas Mandl nicht, aber aus anderen Gründen. „Weil wir alles in Bewegung setzen, um die richtigen Maßnahmen zu setzen, glaube ich, dass sich die Flüchtlingskrise nicht wiederholt.“ Europa habe seit 2015 Solidarität gelernt. Das bedeute etwa Hilfe für Griechenland beim Außengrenzenschutz, nicht aber eine Umverteilung von Flüchtlingen, die aus Mandls Sicht auch falsch wäre.
Torsten Moritz, Generalsekretär der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME)
„Es ist tatsächlich eine Gefahr, dass sich 2015 wiederholt“, sagt Torsten Moritz. Aus Syrien müssten weiter Menschen fliehen, die Türkei sei kein zuverlässiger Partner und die Zeit sei nicht genutzt worden, um Strukturen für eine geregelte Aufnahme und Umverteilung von Menschen innerhalb der EU zu finden. „Die letzten fünf Jahre hat man so getan, als ob man nur die Grenzen zumachen muss, und dann kommt niemand mehr.“
Gerald Knaus, Vorsitzender der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI)
„In vielerlei Hinsicht ist es schon heute schon schlimmer“, sagt Gerald Knaus, der als Architekt des EU-Türkei-Abkommens gilt, mit Blick auf die Parallele zu 2015. Denn Griechenland und die EU stünden der stetig wachsenden Zahl von Ankommenden planlos gegenüber, die zum Teil ja schon da seien. „Wenn mehr Leute die EU erreichen, dann werden auch mehr Leute nach Deutschland kommen.“ Aber: Bei einer klugen Politik könnten die Zahlen von Neuankömmlingen schnell wieder sinken. Knaus empfiehlt daher vor allem, dass die EU erneut die Flüchtlinge in der Türkei finanziell massiv unterstützt.
Raphael Bossong, EU-Experte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik
„Nein, in dieser Form ganz sicher nicht“, sagt Raphael Bossong zu einer möglichen Wiederholung von 2015. Die Zahlen lägen nicht auf dem Niveau wie damals. Hochgerechnet ginge es voraussichtlich um einige Zigtausend oder 150.000 Menschen im ganzen Jahr 2020. Dies sei eigentlich zu bewältigen. Allerdings sei die Aufnahmesituation in Griechenland „katastrophal“ und politisch angespannt“. Ebenfalls anders als 2015 ist Bossong zufolge die Zusammensetzung der Menschen an der Grenze: weniger Syrer, dafür mehr Angehörige anderer Nationalitäten, die es in der Türkei vielfach noch schwerer hätten.
Jochen Oltmer, Migrationsforscher der Universität Osnabrück
Ein Szenario wie 2015, als Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen, sieht Jochen Oltmer nicht aufziehen. Das ließen die inzwischen aufgebauten Grenzbefestigungen innerhalb Europas kaum zu. „Das würde nicht ohne Gewalt vonstattengehen.“ Der Historiker erwartet keine erheblichen Probleme, wenn Deutschland einige Tausend oder Zehntausend Flüchtlinge aufnehmen würde. Zwar sei die Aufnahmebereitschaft innerhalb der deutschen Bevölkerung gesunken. Die Behörden und Hilfsorganisationen seien aber besser aufgestellt. „Heute kann die Aufnahme kontrolliert geschehen.“ Aktuell Politik
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Wichtiger erscheint mir die Auseinandersetzung mit Einlassungen wie z.B. diesen: „Menschenjagd, Krieg und die richtigen Forderungen“
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