BAMF
Flüchtlinge im Kirchenasyl haben kaum Chancen auf Erfolg
Kirchenasyl ist in Deutschland weitestgehend wirkungslos. Das geht aus Zahlen hervor, die die Bundesregierung vorgelegt hat. 2019 haben Kirchen in 464 Fällen das BAMF um erneute Prüfung gebeten. In nur 14 Fällen erklärte sich die Behörde als zuständig.
Donnerstag, 27.02.2020, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 26.02.2020, 15:31 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Flüchtlinge, die ins Kirchenasyl aufgenommen wurden, haben kaum Chancen, in Deutschland anerkannt zu werden. Für 464 Personen haben Kirchengemeinden im vergangenen Jahr Dossiers mit der Bitte um erneute Fallprüfung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) eingereicht, wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums an die Bundestagsfraktion der Linken hervorgeht. In nur 14 Fällen erklärte die Behörde nachträglich ihre Zuständigkeit. Die Kirchenasyl-Fälle betreffen vor allem Flüchtlinge, die nach der sogenannten Dublin-Regelung eigentlich in einem anderen EU-Land einen Antrag stellen müssten.
Nach der Dublin-Verordnung müssen Flüchtlinge in das EU-Land zurückgeführt werden, in das sie als erstes offiziell eingereist sind. Das sind oft Länder wie Griechenland, Italien oder die Länder des Balkans. „Humanitären Fallkonstellationen wird nur noch selten Rechnung getragen“, sagte die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke. „Kirchengemeinden werden durch die systematische Zurückweisung von Kirchenasylen vor den Kopf gestoßen.“
Kirchenasyl, ein Kraftakt
Die meisten Kirchenasylmeldungen kamen nach den Angaben des Bundesinnenministeriums aus Nordrhein-Westfalen (180), Bayern (110) und Hessen (78). Insgesamt meldeten Kirchengemeinden 635 Kirchenasyl-Fälle von Januar bis Dezember 2019.
Will eine Kirchengemeinde die Abschiebung auch nach einer Ablehnung des Bundesamtes verhindern, muss der Flüchtling 18 Monate in den Kirchenräumen leben, bis die Frist zur Abschiebung in einen EU-Staat abgelaufen ist. Die Frist wurde 2018 erhöht. Für die Gemeinden ist das Kirchenasyl damit zu einem noch größeren Kraftakt geworden. Derzeit bestehen nach Angaben des ökumenischen Netzwerks „Asyl in der Kirche“ 410 Kirchenasyle bundesweit, 388 sind sogenannte Dublin-Fälle.
Kirchenasyl offenbar überflüssig
Das Kirchenasyl werde offenbar für überflüssig gehalten, sagte der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin, Martin Dutzmann, dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Menschen, die in Gemeinden Schutz suchten und Vertrauen fassten, sprächen irgendwann auch über Dinge, über die sie vorher gegenüber dem Vertreter des Staates nicht reden konnten. „Wir bitten das Bundesamt, das zu respektieren und auf unseren Hinweis hin Fälle erneut zu prüfen“, sagte Dutzmann.
Beim Kirchenasyl werden Flüchtlinge ohne legalen Aufenthaltsstatus von Kirchengemeinden zeitlich befristet beherbergt. Ziel ist, in Härtefällen eine unmittelbar drohende Abschiebung in eine gefährliche oder sozial unzumutbare Situation zu verhindern und eine erneute Prüfung des Falles zu erreichen. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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Zum Artikel „Kirchenasyl offenbar überflüssig“:
Zwar erkennt das Bundesamt nur einen sehr geringen Teil der von den kirchlichen AnsprechpartnerInnen eingebrachten Dossiers der Kirchenasylfälle an, dennoch ist Kirchenasyl „erfolgreich“: die meisten bleiben bis zum Ablauf der Überstellungsfrist im Kirchenasyl und können anschließend ihren Asylantrag in Deutschland stellen. Das hat schon Vielen das Leben gerettet!
Trotz aller Kritik an der Entscheidungspraxis des BAMFs (die bleibt bestehen! Das BAMF schöpft seinen Ermessensspielraum nicht aus) ist und bleibt Kirchenasyl eine Chance für Menschen, die z.B. von Kettenabschiebungen u.a. bedroht sind. Darum ein Gruß an alle Kirchengemeinden! Nicht aufgeben!!
Sehr geehrte Damen und Herren von migazin,
wir schätzen Ihr Journal sehr, aber gestern sind Sie einer „Ente“ des Bamf aufgesessen. Hier unsere Richtigstellung.
Die Aussagen dieses und ähnlicher Artikel sind nicht richtig.
Kirchenasyl ist unverändert ein Erfolgsmodell gegen unmenschliche und lebensbedrohliche Abschiebungen, die vom Bamf veranlasst werden.
Fast alle Kirchenasyle sind erfolgreich und erreichen das Ziel, solche Abschiebungen nach Italien, wo die Menschen unversorgt auf der Straße landen, nach Bulgarien oder Rumänien, wo Asylbewerber in Gefängnissen schwere Gewalt erleiden, oder ins Kriegsland Afghanistan zu verhindern.
Nach Ende der Kirchenasyle erhalten fast alle unsere Gäste ein Bleiberecht in Deutschland.
Das Bamf prüft allerdings seit Ende 2016 die Dossiers nicht mehr ordentlich und unbefangen, und lehnt praktisch alle Gründe für Kirchenasyl ab. Diese unfairen Entscheidungen können die Kirchengemeinden nicht akzeptieren und führen die Kirchenasyle bis zum Erreichen des Abschiebestopps zu Ende. Bei Dublin-Abschiebungen gelten unverändert die Überstellungsfristen von maximal 6 Monaten. Die Verlängerung auf 18 Monate ist durch Urteile des EuGH und VGHs höchstrichterlich gestoppt worden. Die widerrechtliche Praxis des Bamf der Verlängerung der Überstellungsfristen und der Aushebelung des Kirchenasyls ist damit gescheitert. Das Bamf und Dr. Sommer sollten in sich gehen und die Gründe für Kirchenasyle und ihre für die Menschen lebensbedrohlichen Entscheidungen revidieren.
Kirchenasyl ist erfolgreich, und wir werden weitermachen, solange die deutsche Asylpolitik Menschen in Gefahr an Leib und Leben bringt.
Es wäre gut, wenn solche Fehlinformationen und Einschätzungen des Bamf korrigiert würden.
Herzliche Grüße
Stephan Reichel
Kurator und Geschäftsführer
matteo – Kirche und Asyl e.V.
Verein mit Gemeinnützigkeit
Liebe MiGazin Redaktion,
ich bin irritiert über Überschrift und Tenor dieses Artikels. Wie hier schon andere kommentiert haben, ist Kirchenasyl nicht wirkungslos, nur weil die Bundesbehörden die Anerkennung verweigern. Erstens, es werden im Rahmen von Kirchenasyl vielfältige andere Lösungen für Asylsuchende gefunden. Zweitens, ist Kirchenasyl eine Form wie Basisgemeinden sich praktisch-solidarisch in die gesellschaftliche Auseinandersetzung um Asyl & Migration einbringen. Und das soll wirkungslos sein? Ich finde die Wirkung Ihres Artikels fatal und bitte Sie zumindest Überschrift und Teaser zu korrigieren. Danke.