Abgelehnt
Kaum noch Erfolgschancen im Kirchenasyl
Das Kirchenasyl, eine Kraftprobe von Gemeinden zugunsten humanitärer Härtefälle, hat immer seltener Aussicht auf Erfolg. Gerade einmal fünf Fälle erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in diesem Jahr an, fast 300 wurden abgelehnt.
Mittwoch, 09.10.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 14.10.2019, 10:31 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Aussichten für Flüchtlinge, nach einer Aufnahme ins Kirchenasyl dauerhaft in Deutschland bleiben zu dürfen, sind deutlich gesunken. In gerade einmal fünf Fällen hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in diesem Jahr bis Ende August die Zuständigkeit Deutschlands nachträglich anerkannt, wie aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervorgeht. In 292 Fällen blieb es bei einer Ablehnung der Behörden. Das Kirchenasyl als Korrektiv werde de facto verhindert, kritisierte die Innenpolitikerin Ulla Jelpke (Linke). Der Rechtsstaat zeige damit Schwäche, nicht Stärke, kommentierte sie die Statistik.
Dem Dokument zufolge, über das zuerst die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet hatte und das auch dem „Evangelischen Pressedienst“ vorliegt, wurden in diesem Jahr bis Ende August 441 Kirchenasyle gemeldet. In 304 Fällen davon wurden Dossiers eingereicht. Nach einer Absprache zwischen Kirche und Staat ist dies Voraussetzung dafür, dass das Bundesamt die Fälle noch einmal prüft, bei denen Kirchengemeinden humanitäre Härten geltend machen wollen.
In den Jahren 2015/2016 habe die Erfolgsquote beim Kirchenasyl noch bei rund 80 Prozent gelegen, erklärte die Linke. Sie sei nun auf gerade einmal zwei Prozent gesunken. Es falle auf, dass nach der Amtsübernahme durch Behörden-Chef Hans-Eckhard Sommer im Bundesamt bei Dublin-Verfahren „ein schärferer Wind weht“, erklärte Jelpke. Sommer hatte im vergangenen Jahr die Führung des Bundesamts übernommen. Im Sommer dieses Jahres erklärte er bei einer Veranstaltung von Kirchen und Flüchtlingsorganisationen, seine Behörde erkenne Härtefälle inzwischen selbst. Damit erklärte er den Rückgang der Erfolgsquote von Kirchenasylfällen.
18 Monate in der Kirche
Bei der Mehrheit dieser Fälle geht es um sogenannte Dublin-Verfahren, in denen ein anderer EU-Mitgliedstaat zuständig ist. Kirchengemeinden wollen in diesen Fällen verhindern, dass die Betroffenen in ein anderes EU-Land abgeschoben werden. Laut Bundesinnenministerium gab es Ende Juli insgesamt 30.201 Fälle in Deutschland, in denen ein anderer Mitgliedstaat für das Verfahren zuständig wäre. In mehr als 13.000 Fällen davon waren die Betroffenen ausreisepflichtig.
Will eine Kirchengemeinde die Abschiebung auch nach einer Ablehnung des Bundesamtes verhindern, muss der Flüchtling 18 Monate in den Kirchenräumen leben, bis die Frist zur Abschiebung in einen EU-Staat abgelaufen ist. Die Frist wurde im vergangenen Jahr von damals sechs Monaten erhöht. Für die Gemeinden ist das Kirchenasyl damit zu einem noch größeren Kraftakt geworden. Nicht selten kümmern sich Ehrenamtliche komplett um die Versorgung von Einzelpersonen oder Familien.
Jelpke: „Konfrontationskurs“
Das Innenministerium betont laut Zeitungsbericht, man prüfe mögliche humanitäre Härtefälle einheitlich, egal wer das beantrage. In einem Großteil der Kirchenasyl-Fälle hätten bereits Gerichte den Negativbescheid des Bundesamtes bestätigt. Wenn Gemeinden ihr Kirchenasyl allein auf Argumente stützten, die bereits von einem Gericht geprüft seien, bestehe das Bundesamt in der Regel auf einer Ausreise.
Jelpke sprach dagegen von einem „Konfrontationskurs“ des Bundesamtes gegen die Kirchen, Innenminister Horst Seehofer (CSU) müsse ihn beenden. „Die Kirchengemeinden machen es sich gewiss nicht einfach und prüfen Kirchenasyl-Fälle sehr gründlich“, sagte sie. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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