Clara Herdeanu, Kolumne, MiGAZIN, Sprachrealität, Sprache

Sprachrealität

“N****” – ein linguistischer Kommentar

Einem Urteil des Landgerichts Mecklenburg-Vorpommern zufolge verletzt die Verwendung des N-Wortes nicht pauschal die Würde und Ordnung des Hauses. Das ist aus sprachwissenschaftlicher Sicht ein kritischer Fall.

Von Mittwoch, 15.01.2020, 5:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 02.05.2023, 8:51 Uhr Lesedauer: 10 Minuten  |  

Das vergangene Jahr endete wie das neue Jahr begann: mit hitzigen Debatten – zum Beispiel darüber, ob im Landtag das N-Wort verwendet werden dürfe.1 Kurz vor Weihnachten fällte das Landgericht Mecklenburg-Vorpommern ein Urteil, wonach die Verwendung des N-Wortes nicht pauschal die Würde und Ordnung des Hauses verletze – ein unter anderem aus sprachwissenschaftlicher Sicht kritischer Fall.

Die Vorgeschichte: Wie kam es zu dem umstrittenen Gerichtsurteil

Der AfD-Abgeordnete Nikolaus Kramer hatte Ende Oktober 2018 eine Rede der Linken-Politikerin Karen Larisch mit N-Wort-Zwischenrufen unterbrochen. Seine Wortwahl hatte er anschließend wie folgt begründet: “Das Wort (…) habe ich bewusst gewählt, Herr Ritter, weil ich mir eben nicht vorschreiben lasse, was hier Schimpfwort sei oder was nicht” 2. Vier Wochen später erteilte die zuständige Vizepräsidentin Dr. Mignon Schwenke dem Abgeordneten einen Ordnungsruf. Dieser fühlte sich ungerecht behandelt und wandte sich daraufhin an das zuständige Gericht. Seine Begründung: Das Wort “sei historisch die übliche und unumstrittene Bezeichnung für Menschen mit schwarzer Hautfarbe gewesen. Heute werde das Wort von einigen für unangebracht und despektierlich gehalten, von anderen jedoch nicht. Es sei durchaus möglich und legitim, das Wort in der hergebrachten Weise zu verwenden, ohne jemanden beleidigen zu wollen. (…) Unter diesen Umständen sei die freie Rede durch den erteilten Ordnungsruf in nicht zu rechtfertigender Weise beschränkt worden.”

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Wie wurde berichtet?

Das Urteil und die Begründung erfuhr ein großes Medienecho – und gerade weil es hier unter anderem sehr laut wurde, sind die Zwischentöne umso interessanter. Bereits zwei unterschiedliche Schlagzeilen dazu zeigen das Spektrum auf:

So titelte die Bild zum Beispiel in Fettdruck “Gericht: Begriff ‘N…’ im Landtag erlaubt3. Man musste schon die zweite, deutlich kleinere Überschrift lesen, um zu verstehen, dass dies “….aber nur unter bestimmten Umständen” der Fall sei. Eine interessante Wahl der Typographie und Formulierungen – insbesondere wenn man bedenkt, dass mehr als zuvor lediglich die größten Schlagzeilen gelesen werden.

Die Süddeutsche Zeitung titelte “AfD-Abgeordneter durfte ‘N…’ sagen”. Der Unterschied? Solche Feinheiten wie die Wahl der Zeitform: SZ bezieht sich durch das Präteritum auf den vergangenen und abgeschlossenen konkreten Vorgang – und beschränkt sich damit indirekt auch darauf. Bild hingegen formuliert mit dem Modalverb dürfen im Präsens eine vermeintlich allgemeingültige Aussage. Indirekt wird der Geltungsrahmen dieser Aussage dadurch stark erweitert – und bezieht sich damit eben nicht mehr nur auf ein konkretes, vergangenes Geschehen. Es wird somit suggeriert, dass dieses Wort generell und uneingeschränkt im Landtag verwendet werden kann. Zwar schwächt die zweite, deutlich kleinere Überschrift dies ab, allerdings ist bereits das Schriftbild so angelegt, dass sie weit weniger auffällt.

Was sagt eigentlich die Wissenschaft dazu?

„So wie Sie bei medizinischen Fragen zum Arzt gehen, sollten Sie bei sprachlichen Fragen Linguisten zu Rate ziehen.“

Betrachten wir also den Stein des Anstoßes aus der linguistischen Perspektive – und zwar deshalb, weil die Sprachwissenschaft die “wissenschaftliche Untersuchung menschlicher Sprache, ihrer Struktur, ihrer Geschichte, ihres Erwerbs und ihres Gebrauchs in der Kommunikation” ist. Kurzum: So wie Sie bei medizinischen Fragen zum Arzt gehen, sollten Sie bei sprachlichen Fragen Linguisten zu Rate ziehen. Was also ist hier die wissenschaftliche Grundlage und Perspektive, wenn um das N-Wort und seine Bedeutungen gestritten wird?

Was bedeutet eigentlich ein Wort?

Die Semantik (oder Bedeutungslehre) ist die Theorie und Wissenschaft von der Bedeutung der Zeichen. Dieser Teilbereich der Linguistik beschäftigt sich also mit der nur vermeintlich einfachen Frage “Was bedeutet eigentlich ein Wort?”.

Wörter sind symbolische Zeichen. Es besteht also kein externer kausaler Zusammenhang, weshalb ein Wort das bedeutet, was es bedeutet. Stattdessen ist zum Beispiel die Bedeutung der Buchstabenfolge B-A-U-M willkürlich gewählt, aber – und das ist der Knackpunkt – gesellschaftlich gefestigt. Das heißt: Innerhalb einer bestimmten Sprechergemeinschaft hat sich durch den Sprachgebrauch etabliert, dass B-A-U-M für eine große Pflanze mit hölzernem Stamm steht.

Es geht aber noch weiter: Linguisten differenzieren bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Sprache noch zwischen der sogenannten Denotation und der Konnotation: Die Denotation steht für den inhaltlichen Kern bzw. der “neutralen” Grundbedeutung eines Wortes. Die Konnotation bezeichnet hingegen die assoziativen, emotionalen, stilistischen und wertenden Nebenbedeutungen eines Wortes.

„Die Bedeutung eines Wortes ergibt sich aus dem jeweiligen Gebrauch in der Sprache – und das gilt sowohl für die Grundbedeutung als auch für die wertenden Nebenbedeutungen.“

Als Laie reicht es aus, sich Folgendes zu merken: Die Bedeutung eines Wortes ergibt sich aus dem jeweiligen Gebrauch in der Sprache – und das gilt sowohl für die Grundbedeutung als auch für die wertenden Nebenbedeutungen.

Sind Bedeutungen immer gleich?

Wenn ich Sprache verwende, verändere ich sie aber auch – weil sich unsere Lebensrealitäten oder auch Gedankenwelten wandeln. So entstehen mit der Zeit neue Wörter für neue Phänomene wie zum Beispiel Mobilfunknetz, Bezahlschranke und Social-Media-Experte. Oder bestehende Wörter verändern ihre Bedeutungen und Wertungen oder fügen neue hinzu – wie zum Beispiel Maus (ursprünglich lediglich eine Bezeichnung für ein kleines Säugetier, steht es nun auch für ein Computerhilfsmittel). Und hier streifen wir die Teildisziplin der historischen Linguistik, die sich mit Sprachwandel und der Sprachgeschichte beschäftigt.

Weil sich Sprache verändert, kann die ursprüngliche Bedeutung eines Wortes deshalb unter Umständen weit von der aktuellen Bedeutung und Bewertung abweichen. Ein prägnantes Beispiel hierfür: Euthanasie heißt ursprünglich nichts anderes als “schöner/guter Tod” (altgriechisch εὐθανασία, von εὖ = eu, gut, richtig, schön und θάνατος thánatos = der Tod, das Sterben). Im deutschen Sprachgebrauch bezeichnet dieser Ausdruck mittlerweile allerdings das Verbrechen, während des Nationalsozialismus Schwerstkranke, behinderte oder unheilbar kranke Menschen auf staatlichen Befehl hin zu töten, da die Nationalsozialisten dafür den Ausdruck Euthanasie verwendeten. Im Normalfall weiß dies ein heutiger Sprecher – oder ist zumindest unangenehm berührt, wenn er auf seine Unkenntnis hingewiesen wird.

Vergleichbare Erscheinungen gibt es auch bei Bezeichnungen für Personengruppen: Das Wort Weib zum Beispiel stammt vom Althochdeutschen wīb und war ursprünglich eine wertfreie Bezeichnung für eine Frau – in Abgrenzung zum frouwa, der Herrin bzw. edlen Dame. Heutzutage verwenden wir Frau als neutrale Bezeichnung und Weib, wenn wir jemanden abwerten wollen.

Ein weiteres Beispiel ist das eingangs genannte N-Wort – und da wird offensichtlich, dass die vorgebrachte Begründung des AfD-Abgeordneten hinkt. Er beruft sich darauf, dass das Wort “historisch die übliche und unumstrittene Bezeichnung für Menschen mit schwarzer Hautfarbe gewesen (sei). Heute werde das Wort von einigen für unangebracht und despektierlich gehalten, von anderen jedoch nicht”.

„Wörterbücher schreiben gar nichts vor. Denn Werke wie der Duden sind deskriptiv, nicht normativ. Das heißt: Wörterbücher sind von Experten zusammengetragene, intensive Beobachtungen des Sprachgebrauchs.“

Zwar stammt die Bezeichnung ursprünglich vom lateinischen niger (dt. schwarz). Allerdings hat sie Ende des 17 Jahrhunderts noch den Umweg über das Mittelfranzösische nègre gemacht, was “seinerseits auf gleichbed. span. port. negro, einer abschätzigen Bezeichnung für die als Sklaven gehandelten Eingeborenen Afrikas, beruht”. Demzufolge ist die abschätzende Konnotation der Bezeichnung bereits seit der Übernahme ins Deutsche innewohnend. Darüber hinaus befinden wir uns nicht mehr im 17. Jahrhundert – und die Standardnachschlagewerke zur deutschen Sprache, wie zum Beispiel der Duden, weisen mittlerweile sogar explizit darauf hin, dass die Bezeichnung “im öffentlichen Sprachgebrauch als stark diskriminierend (gilt) und (…) deshalb vermieden” wird.

Und um das Argument gleich zu entkräften, dass man sich von Wörterbüchern nicht vorschreiben lasse, wie man zu sprechen habe. Wörterbücher schreiben gar nichts vor. Denn Werke wie der Duden sind deskriptiv, nicht normativ. Das heißt: Wörterbücher sind von Experten zusammengetragene, intensive Beobachtungen des Sprachgebrauchs. Im übertragenen Sinne halten sich die Linguisten damit an den Ratschlag von Dr. Martin Luther, der seinerseits entscheidend zur Entwicklung der deutschen Sprache beigetragen hat: “man mus die mutter jhm hause/ die kinder auff der gassen/ den gemeinen man auff dem marckt drumb fragen/ vnd den selbigen auff das maul sehen/ wie sie reden”.

Bildet Sprache die Welt ab?

„Mit meiner Wortwahl lege ich bewusst und unbewusst fest, welche (Neben-)Bedeutungen für mich und mein Weltbild besonders prägend und wichtig sind. In meinem Sprachgebrauch gebe ich also Spuren meines Denkens zu erkennen.“

Sprache ist kein neutrales Abbild der Welt. Im Gegenteil: Mit Sprache präge ich Weltsichten. Denn “nicht ‚die Sache‘ spricht unmittelbar zu uns, sondern wir sprechen mittelbar (zeichenvermittelt) über Sachen, indem wir sie in unsere begriffliche Gedankenwelt integrieren”, wie dies der Germanistikprofessor Ekkehard Felder prägnant ausdrückt. Wörter sind also nur Symbole für ‘die Sachen’ in der Welt – und damit niemals hundertprozentig genau. Stattdessen gibt es Unschärfen zwischen Ausdruckshüllen und Inhaltsseiten, die wir im gemeinsamen Diskurs miteinander aushandeln.

Das heißt allerdings auch, dass ich mit meiner Wortwahl Aufschluss gebe über meine Sicht auf die Welt. Mit meiner Wortwahl lege ich bewusst und unbewusst fest, welche (Neben-)Bedeutungen für mich und mein Weltbild besonders prägend und wichtig sind. In meinem Sprachgebrauch gebe ich also Spuren meines Denkens zu erkennen. Zurecht drängt sich deshalb in dem geschilderten Fall auch der Eindruck auf, dass es hier nicht mehr um Informationsvermittlung im engeren Sinne geht, sondern stattdessen die bewusste Provokation das Ziel ist. Zwar sind “Provokationen (…) im Rahmen der Meinungsfreiheit und in politischen Debatten erwünscht. Aber eben nur so weit, wie andere Menschen dadurch in ihrer Würde nicht herabgesetzt werden”.

Wenn deshalb eine Person – trotz besseren Wissens und obwohl sie darauf hingewiesen wurde – auf einer Formulierung besteht, die nachweislich und mehrheitlich dazu verwendet wird, andere Menschen abzuwerten, spricht dies Bände über ihr Weltbild.

Weiterführende Literatur

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  1. Der Ausdruck „N…“ wird in der Überschrift dieses Artikels einmalig verwendet, um sämtlichen Missverständnissen vorzubeugen – und selbst die Leser abzuholen, die eventuell nicht wissen, auf welches Wort genau sich die alternative Umschreibung N-Wort bezieht. Im Folgenden wird aus offensichtlichen Gründen die Umschreibung N-Wort verwendet.
  2. Den kompletten Schlagabtausch kann der geneigte Leser im Gerichtsurteil nachlesen.
  3. Bild.de verwendete hier den ausgeschriebenen Ausdruck, auf den ich aus genannten Gründen verzichte.
Meinung
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  1. Roman sagt:

    Danke für eine gründliche Analyse und weiterführende Literatur.

  2. Ben sagt:

    Erst einmal ein sehr interessanter Artikel.
    Das 17. Jahrhundert ist ja aber schon eine ganze Weile her. Ich hätte es spannend gefunden, wenn noch ein kleiner Abschnitt darüber enthalten wäre, wie sich Konnotationen und Denotation anschließend historisch entwickelt haben. Da bricht der Artikel aber leider ab und schwenkt direkt zu dem Beispiel über, in dem die Verwendung heute lediglich rechtspopulistische Provokation darstellt.
    Das würde ich im genannte Fall auch gar nicht anzweifeln.
    Allerdings überzeugt mich die These absolut nicht, dass die reine Etymologie des Wortes den rassistischen Beigeschmack durchgehend konserviert haben soll. Dafür gibt es zu viele Beispiele von Begriffen, die ihre Semantik bei der Übernahme in eine andere Sprachen ändern. Warum sollte das nicht auch für subtilere Nebenbedeutungen gelten?
    Hätte die (sozialdemokratisch und nachweislich antirassistisch eingestellte) Astrid Lindgren den sehr ähnlichen seinerzeit Begriff im Schwedischen überhaupt verwendet, wenn sie sich dessen sprachlicher Brisanz bewusst gewesen wäre? Wohl kaum.
    Im Englischen sieht das natürlich ganz anders aus.
    Ich werde den persönlich Eindruck nicht los, dass die (neuerdings) als rassistisch empfundene Konnotation erstmal als eine Art „semantischer Anglizismus“ betrachtet werden sollte, bei der sich die nicht die Phonetik, sondern die Konnotation erstmal aus dem Englischen in der deutschen Sprache etabliert hat. Ich kenne viele Menschen, die diese Empfindung einfach nicht teilen und finde es problematisch, wenn einzelne Gruppen wohlmeinend die Deutungshoheit über die Sprache für sich beanspruchen und damit überhaupt erst den Nährboden für rechte Provokateure bilden.

    • Anonymous sagt:

      Die Ansicht meines Vorgängers Ben teile ich vollends, insbesondere den letzten Satz würde ich gerne unterstreichen.
      Ich zähle mich selbst zu den „spät Gebildeten“. Erst Anfang der 90ger (mit 30Jahren) wurde mir klar, daß der Bergiff, in bestimmten Sprachgemeinschaften, ausschließlich rasisstisch assoziiert wird. Bis dahin verstand ich und mein gewohntes Sprachumfeld den Bergriff ähnlich wie das Wort Jude. Einmal als neutrale Bezeichnung für eine bestimmte Menschengruppe und anders von Fremdenfeindlichen als Schimpfwort benutzt.
      Dass dies nicht allgemein so war, war zu aktzeptieren und auch, dass ich lernen musste auf einen anderen Begriff auszuweichen, wenn
      ich die dunkelhäutige Bevölkerung bezeichne, damit es nicht zu Missverständnissen kommt.
      Was ich bisher nicht akzeptiere ist, die Vorschrift, das Wort nur als Schimpfwort zu verstehen zu dürfen.
      Ich bin Kind von deutschen Flüchtlingen. Aufgewachsen in einer Gegend , die durch die Wirtschaft angeworben, recht durchmischt von verschiedenen Volksgruppen war. Rassistische Degradierungen und Beschimpfungen waren da sehr verpönt, auf Grund von Erfahrung und weil die grässlichen Folgen (der 2. Weltkrieg mit seinen Gräueltaten) unseren Eltern noch sehr präsent waren.
      Von meinen schwarzen Mitschülern konnte ich einige später auf ihre frühere Wahrmehmung zu deren Bezeichnung befragen, die es ähnlich wie Roberto Blanco erlebten. Eine davon äußerte sich sogar sehr empört und enttäuscht über die hitzige Debatten. Sie empfand die Diskussionen über den Wortgebrauch unangenehmer, als manche Beschimpfung, die so lapidar dahinging. Sie benutzte selbst das Wort für sich und war (bisher) ganz froh darüber dass es hier in Deutschland anders gebraucht und verstanden wird wie das Wort Nigger in Amerkia.
      Als sehr junger Mensch hatte ich mal das Buch vom Struwelpeter in der Hand. Bei der Geschichte mit dem Mohren und dem Nikolaus fragte ich meine Mutter, was ein Mohr sei. Die daraufhin antwortete: „Mit Mohr wurden früher Dunkelhäutige bezeichnet, aber das sagt man nicht mehr, weil das sehr beleidigend war. Heute sagt man Neger.“ (Mitte der 60ger)
      Ich schreibe dies, um auf etwas aufmerksam zu machen, was nie in den Debatten um den Wortgebrauch erwähnt wurde:
      Der allgemeine Gebrauch und die Bedeutung eines Worte kann außer durch Diktat auch durch stetigen anderen Gebrauch verändert werden.
      Dies ist ein sehr langer mühseliger Prozess und hat seinen Erfolg meist erst nach einer Generation. All die Bemühungen von Teilen der schwarzen deutschen Bevölkerung und unserer Eltern, sich den Begriff anzueignen, und ihm den beleidigenden Charakter zu nehmen, wurden zerstört mit der degradierenden Deutungspflicht.
      Ich gehöre auch zu einer Gruppe, die häufig angefeindet wird.
      Ja, schwul wird als Schimpfwort benutzt, Hänsel und Tussnelda auch.
      Wer beleidigen will tut das, zur Not auch mit anderen Worten.
      Wer aber sagt man dürfe mich nicht als schwul bezeichnen, der richtet mit seiner Arroganz deutlich mehr Schaden an.
      Ich bin … und das ist gut so!