Wieder kein Hafen
„Ocean Viking“ kann 60 gerettete Menschen nicht anlanden
Im September äußerte sich Bundesinnenminister Seehofer "glücklich" über eine Abmachung, die aus Seenot Geretteten eine schnelle Anlandung in Europa ermöglichen sollte. Doch mehr als 120 Flüchtlinge auf zwei Schiffen mussten auch am Montag warten.
Dienstag, 03.12.2019, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 08.12.2019, 17:06 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Italien und Malta haben es zunächst abgelehnt, den 60 aus Seenot geretteten Menschen an Bord der „Ocean Viking“ einen sicheren Platz zur Anlandung zuzuweisen. Die Rettungsleitstellen hätten sich für unzuständig erklärt, sagte der Einsatzleiter der Hilfsorganisation SOS Méditerranée, Nicholas Romaniuk, am Montag an Bord der „Ocean Viking“. Das gemeinsam mit „Ärzte ohne Grenzen“ betriebene Schiff hatte die Menschen, darunter zwei Frauen, ein Baby und ein Kleinkind, am Donnerstagabend im zentralen Mittelmeer nördlich von Libyen aus einem Holzboot gerettet.
Schließlich wurde am Montag wie in vorangegangenen Fällen auch die EU-Kommission eingeschaltet. Es habe eine Aufforderung gegeben, dass die Behörde koordiniere, erklärte ein Sprecher in Brüssel. Ob Italien, Malta oder ein anderes Land um die Koordination gebeten hatte, wollte er nicht mitteilen.
Auch die „Alan Kurdi“ der Organisation Sea-Eye blieb zunächst weiter ohne Hafen. Selbst die Evakuierung von zehn medizinischen Notfällen sei bislang von Malta und Italien abgelehnt worden, sagte Sprecher Julian Pahlke dem „Evangelischen Pressedienst“. Zehn Gerettete, die über Stunden bewusstlos seien, müssten dringend an Land. „Wir können das nicht mehr leisten“, sagte Pahlke. Auch der Gesundheitszustand der übrigen 59 Flüchtlinge an Bord sei durchweg schlecht. Insgesamt 84 Menschen rettete die Besatzung am Donnerstag vor der libyschen Küste aus Seenot. 15 wurden bereits evakuiert, darunter Neugeborene und Kleinkinder.
Zwei Gerettete sprangen von Bord
Derweil verteidigte die Hamburger Reederei Opielok ihre Übergabe von 30 geretteten Flüchtlingen an die sogenannte libysche Küstenwache. „Dies war ein besonderer Fall“, sagte Reeder Christopher Opielok am Montag. Die Crew habe sich bedroht gefühlt. Die Besatzung der „OOC Panther“ hatte am Samstag die Flüchtlinge vor der libyschen Küste aus zwei Booten aus Seenot gerettet. Die Crew der „Ocean Viking“ konnte die Geretteten wegen fehlender Erlaubnis der Schifffahrtsbehörden nicht übernehmen. Also bat die Besatzung der „OOC Panther“ die Libyer um Hilfe. Bei einem ersten Versuch der libyschen Küstenwache, die Menschen nach Libyen zurückzubringen, hatte es an Bord Widerstand gegeben, zwei Gerettete sprangen von Bord.
Als die Flüchtlinge dann versucht hätten, auf die Brücke zu gelangen, habe die Crew erneut Hilfe in Libyen beantragt, sagte Opielok. Der Kapitän habe der Küstenwache allerdings untersagt, bewaffnet an Bord zu kommen. „Die Menschen wurden ohne Gewalt und Waffen von Bord geholt.“ Nach Einschätzung von UN und Menschenrechtsorganisationen herrschen in libyschen Internierungslagern unmenschliche Zustände mit Folter, Missbrauch und Zwangsarbeit. Die sogenannte libysche Küstenwache besteht weitgehend aus Milizionären.
Wie frühere Fälle
Im Fall der „Ocean Viking“ lehnten Italien und Malta es Sonntagnacht ab, die Koordinierung der Suche nach einem Anlandeort zu übernehmen, sagte Romaniuk. Dem Einsatzleiter der Hilfsorganisation zufolge wiederholt sich damit das Muster früherer Fälle. „Das ist alles fast systematisch schon die letzten anderthalb Jahre so gewesen.“ Die „Ocean Viking“ wartete daher am Montagnachmittag weiter zwischen Italien und Malta auf einen Hafen.
In Brüssel kamen unterdessen die EU-Innenminister zusammen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) äußerte sich vor der turnusmäßigen Sitzung zur Vereinbarung von Malta vom 23. September. Diese hatte die Anlandung von aus Seenot Geretteten in geordnete Bahnen lenken und die Wartezeit zwischen Rettung und Anlandung mindern sollen. Die Vereinbarung habe „sehr viel“ bewirkt, sagt Seehofer. Zwar gebe es „manchmal bei einzelnen Schiffen noch Prüfungsbedarfe“. Generell seien die „endlosen Prozesse“ aus der Vergangenheit aber abgestellt. (epd/mig) Leitartikel Panorama
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