Flüchtlinge, Mittelmeer, Boot, Seenot, Seenotrettung
Flüchtlinge auf einem Schlauchboot im Mittelmeer (Archivfoto)

Bleiberecht statt Ausgrenzung

Diese Flüchtlingspolitik ist nicht hinnehmbar

In Zeiten kriminalisierter Seenotrettung und verschärfter Abschiebegesetze ist es ungemein tröstlich und ermutigend, dass es Menschen wie Carola Rackete und Pia Klemp gibt, die als Kapitäninnen ziviler Rettungsschiffe viel riskieren. Von Ramona Lenz und Britta Rabe

Von und Donnerstag, 11.07.2019, 5:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.07.2019, 17:52 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Mit Leib und Seele stellen sich Menschen wie Carola Rackete oder Pia Klemp der Verantwortung, die wir als Menschen für einander haben und der sich doch die meisten von uns entziehen, indem wir diese Art der Hilfe an sich in Frage stellen oder zumindest für uns selbst Gründe finden, warum wir uns nicht ins Handgemenge begeben. Die Kapitäninnen und ihre Crew retten Menschenleben und nehmen dafür Strafprozesse in Kauf, aber – was vielleicht noch schwerer wiegt – sie riskieren zugleich, in Situationen zu kommen, in denen sie nicht retten können. Sich stellvertretend für uns alle mit Haut und Haaren dieser existenziellen Gefahr auszusetzen, beruht auf einer freien Entscheidung und verdient genau deswegen unser aller Hochachtung.

Daneben gibt es aber tausende von Menschen, deren Entscheidungsspielräume viel geringer sind und die sich trotzdem in ähnlichen Extremsituationen wiederfinden, in denen sie mit ihrer ganzen Person anderen helfen und für sie einstehen. Viele Geflüchtete haben solche Situationen erlebt. Sie riskieren ihr Leben und stehen zugleich anderen auf der Flucht bei. In den in Europa kursierenden Bildern und Geschichten von weißen Retterinnen und schwarzen Geretteten kommen sie jedoch nur einseitig als in Seenot geratene Opfer oder als Täter des illegalen Grenzübertritts vor. Dieses massive Ungleichgewicht wird an dem Schicksal der drei afrikanischen Teenager besonders deutlich, die Ende März das Frachtschiff „El Hiblu 1“ dazu brachten, die 108 Geretteten an Bord nicht nach Libyen zurück zu schaffen, sondern seinen Kurs zu ändern und nach Malta zu fahren. Ihnen droht dafür lebenslange Haft, aber kaum jemand erinnert sich noch an sie oder setzt sich gar für sie ein.

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Pass und Hautfarbe sind nicht nur entscheidend dafür, wie frei wir uns über den Globus bewegen können. Sie sind auch maßgeblich dafür, welche Zugänge wir in Europa zu Rechten und Rechtsstaat haben und wieviel Unterstützung wir erfahren. Das gilt nicht nur für die unterschiedliche öffentliche Wahrnehmung von weißen und schwarzen Seenotretterinnen und -rettern an den EU-Außengrenzen. Es gilt auch für Menschen, die zwar in Deutschland leben und arbeiten, jedoch nicht die erforderliche behördliche Erlaubnis für ihren Aufenthalt besitzen oder deren Existenz aufenthaltsrechtlich so eingeschnürt ist, dass sie sich nicht frei entfalten können. „Menschen ohne Bleiberecht müssen unser Land verlassen“, erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer jüngst, als der Bundestag das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ beschloss. Es beinhaltet unter anderem einen neu geschaffenen Status, der noch prekärer ist als eine Duldung, Leistungskürzungen unter das Existenzminimum und die nahezu unbegrenzte Erweiterung von Gründen für Abschiebungshaft. Bei der Innenministerkonferenz in Kiel bekräftigte Seehofer wenig später seine Einschätzung, dass – ungeachtet aller Warnungen vor der sich weiter verschlechternden Sicherheitslage im Land – Abschiebungen nach Afghanistan generell und nicht nur für Straftäter vertretbar seien.

Der gewünschte Effekt aller Gesetze und Maßnahmen gegen Flüchtlinge ist, dass immer mehr von ihnen in permanenter Angst leben und keine Chance auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in Deutschland haben. Mit dem Entzug ihrer Existenzgrundlagen werden sie in die Illegalität getrieben und mit ihren Wünschen und Bedürfnissen unsichtbar gemacht. Die damit einhergehende Rechtlosigkeit begünstigt Zwangsverhältnisse. Sie sind gezwungen, illegal und ausbeutbar im Niedriglohnsektor zu arbeiten, als Putzkräfte, in der Pflege oder in der Gastronomie. Ihre Rechte als Mieterinnen, Schüler oder Arbeitnehmerinnen können sie nicht wahrnehmen. Auch eine angemessene medizinische Behandlung ist für viele nicht zugänglich. Und wenn sie Opfer eines Verbrechens werden, können sie keine Anzeige erstatten. Geduldete und Illegalisierte (Menschen ohne Papiere) sind faktisch Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse.

Für ein Land, das stolz darauf ist, die Menschenwürde in seiner Verfassung verankert zu haben, ist ein solcher Zustand nicht hinnehmbar. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, heißt es in Artikel 1 des Grundgesetzes, dessen 70. Jahrestag Ende Mai gefeiert wurde. Dieser Satz verpflichtet Staat und Politik, allen, die in Deutschland leben, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Dieses Grundrecht ist unteilbar: Es gilt für alle – nicht nur für deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Zentrale Bedingung dafür ist die „Freiheit von Furcht und Not“, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt. Wer in permanenter Furcht vor Abschiebung lebt, weil er oder sie lediglich über ein prekäres oder über gar kein Aufenthaltsrecht verfügt, ist von einem Leben in Würde ausgeschlossen.

Entgegen der herrschenden Tendenz zu weiterer Demütigung und Entrechtung von Flüchtlingen und Migranten an den EU-Außengrenzen, aber auch mitten in diesem Land fordern das Grundrechtekomitee und Medico International ein Bleiberecht für alle hier lebenden Illegalisierten und Geduldeten. Diese Forderung wird mitgetragen von mehr als hundert Organisationen bundesweit, darunter auch Seawatch und Seebrücke. Denn genauso wenig wie Seenotrettung ein Verbrechen ist, ist es ein Verbrechen, ein Land zu verlassen, in dem die eigenen Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden, und sich anderswo ein neues Leben aufzubauen.

Was es heute braucht, sind nicht weitere Gesetze und Maßnahmen der Entwürdigung und Entrechtung von Schutzsuchenden, sondern ein Bekenntnis zur Menschenwürde – aller Menschen. Das Sterben an Europas Grenzen muss beendet und die Verantwortung für Schutzsuchende unter den Mitgliedsstaaten der EU geteilt werden. Es gilt, endlich die Aufnahmebereitschaft von über fünfzig deutschen Kommunen zur Kenntnis zu nehmen, die sich zu sicheren Häfen für Geflüchtete erklärt haben. Aber damit nicht genug: Allen Schutz- und Rechtlosen, die zum Teil seit Jahrzehnten in diesem Land wohnen und arbeiten, muss ein Bleiberecht gewährt werden, damit sie in Würde leben können. Es wäre eine politische Geste, die es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie gegeben hat.

Die Petition anlässlich des 70. Jahrestages des Grundgesetzes kann unter www.petition-bleiberecht.de unterstützt werden.

Info: Dieser Beitrag ist eine Kooperation von MiGAZIN mit dem Netzwerk Rassismuskritische Migrationspädagogik Baden-Württemberg. Das Netzwerk versteht sich als Forum von Menschen aus den Feldern Soziale Arbeit, Schule, Bildung/Weiterbildung, Hochschule sowie angrenzenden Professionen, die sich fachlich und (fach-)politisch in den Feldern Soziale Arbeit, Schule, Weiterbildung – und auch darüber hinaus – einmischen und dort Rassismus selbststärkend, reflexiv-kritisch und wenn nötig auch skandalisierend zum Thema machen. Das Netzwerk informiert Interessierte in regelmäßigen Abständen von circa 1-2 Monaten per E-Mail-Newsletter über aktuelle Entwicklungen, Veranstaltungen und Publikationen im Feld der Migrationspädagogik.

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  1. Mike sagt:

    Im Kommentar wird sehr grosszügig mit dem Begriff ‚Flüchtling“ umgegangen. Geduldete sind eben gerade keine Flüchtlinge, sondern abgelehnte Asylbewerber, denen kein Bleiberecht zusteht. Wer einer bedingungslosen Zuwanderung wie hier das Wort redet, ist letztendlich der Totengräber unseres jetzigen Asylrechts , da eine grenzenlose Zuwanderung nicht zuletzt in unsere Sozialsysteme der Bevölkerung nicht vermittelbar ist und von der Bevölkerung auch nicht mitgetragen würde.

  2. President Obama sagt:

    Hier werden zwei Themen vermischt. 1. Seenotrettung 2. Bleiberecht von abgelehnten Asylbewerbern

    Ich kann dem Beitrag zur Seenotrettung zustimmen.

    In diesem Zusammenhang aber ein Bleiberecht für Menschen, deren Asylanträge abgelehnt wurden zu tun haben soll ist mir absolut schleierhaft. Zu behaupten, unser Rechtssystem würde Menschen in die Illegalität drängen ist schlichtweg absurd.

    Wer ausreisepflichtig ist, ist zur AUSREISE verpflichtet. Ein Recht auf existenzsichernde Beschäftigung außerhalb des Niedriglohnsektor besteht selbstverständlich nicht. Wer nicht freiwillig ausreist, kann unter bestimmten Voraussetzungen in Abschiebungshaft genommen werden.

    Was die Autoren fordern, ist ein Bleiberecht unabhängig von jedweder Rechtsgrundlage. Es dürfte doch jedem halbwegs vernunftbegabten Menschen klar sein, dass man mit solchen Forderungen den Rechtsruck der Gesellschaft beschleunigt.

  3. Gerrit Greiß sagt:

    Es ist immer wieder verblüffend, wie Tatsachen durcheinander geworfen werden. Ein Asylbewerber mit negativem Bescheid ist trotzdem weiter ein Flüchtling – was bitte soll er sonst sein. Die Zahl der von Verwaltungsgerichten kassierten Entscheidungen durch das BAMF beweisen mehr als eindeutig, daß man dort eben nicht immer richtig entscheidet.

    Beispiel: Junger Mann aus Bangladesch, der aus politischen Gründen in seinem Heimatland per Haftbefehl gesucht wird. Das BAMF entscheidet negativ u.a. mit der Begründung, Bangladesch sei ein großes Land, er könnte ja anderswo unterkommen ??? Anderswo wäre dann gleichbedeutend mit anderer Identität, denn er wird ja gesucht.
    Also ein Rechtsstaat wie Deutschland empfiehlt im Heimatland mit gefälschter Identität unterzutauchen !!!
    Fraglich ist, ob er überhaupt die Einreise „übersteht“, wenn z.B. in Bangladesch auch Fahndungslisten existieren.

    Ist das jetzt kein Flüchtling mehr?

    Der negative Bescheid des BAMF ergeht in der Regel mit der Verpflichtung zur Ausreise in einem bestimmten Zeitraum. Diese Menschen werden dann automatisch zu „Geduldeten“ mit einem roten Balken in ihrem Ausweis. Kann man glaubhaft ein sogenanntes Abschiebehindernis vortragen, wird das geprüft und im positiven Fall eine weitere Duldung ausgesprochen. Das war z.B. damals der Fall bei vielen Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien, die oft nur einen Abschiebeschutz in Form einer Duldung erhielten – waren das keine Flüchtline?

    Das hat dann zu so absurden Situationen geführt, daß Familien, gekommen während der Jugoslawienkriege, nach Jahren abgeschoben wurden mit Kindern, die hier geboren wurden. Die ihre eigentliche Muttersprache nicht sprechen konnten, in deutschen KiTa’s und Schulen waren. Menschlich völlig unverständlich!

    Das gilt im übrigen auch bei DUBLIN-Fällen. Wie kann man z.B. eine alleinreisende Frau afrikanischer Herkunft nach Italien zurückschicken. Es ist bekannt, daß ein Großteil dieser Frauen in der Prostitution endet. Aber das ist dann „egal“ (???), weil sie waren ja ausreisepflichtig, also keine Flüchtlinge mehr bzw. „italienische Flüchtlinge“?

    Die Politik schafft es bezogen auf die Leistungskürzungen ein Existenzminimum unter dem gerichtlich festgelegten Existenzminimum zu definieren. Das ist schon ein echtes „Kunststück“. Im Jahr 2010 hat das Bundesverfassungsgericht eindeutig entschieden zum Existenzminimum..
    In einem Urteil vom 18.07 2012 hat dann das Bundesverfassungsgericht die Höhe der Leistungen nach dem AsylBewLG als unzureichend befunden und für verfassungswidrig erklärt. Dies hatte in den Folgejahren (2015) das Ergebnis, daß diese Leistungen nach einer bestimmten Zeit nach Ankunft (i.d.R. sechs Monate) dem ALG II angeglichen wurden … weil es eben kein Existenzminimum unter dem Existenzminimum geben kann (1kg ist 1kg und nicht 900 Gramm). Will man jetzt die „Uhr zurückdrehen“?

    Der obige Artikel bzw. die beiden Autorinnen haben völlig Recht damit, daß hier Menschen drangsaliert werden und in permanenter Angst leben. Sie tauchen unter. Gehen wohlmöglich schwarz arbeiten, werden erwischt – dann heißt es „diese Flüchtlinge“. Einige gehen in südeuropäische Länder, wo sie dann billig, weil nahezu rechtlos, z.B im Gemüseanbau arbeiten, damit wir im heimischen Supermarkt billiges Gemüse kaufen können.

    Das ist eine „Spirale des Schreckens“ und absolut menschenunwürdig!!!

    Und -siehe Artikel- auch das sind MENSCHEN, deren Würde unantastbar sein sollte und die nicht mit Taschenspielertricks psychisch unter Druck gesetzt werden dürfen … bis sie irgenwann entnervt aufgeben und „freiwillig“ gehen. Ich kenne derartige Fälle.

    Das ändert auch nichts daran, daß diejenigen gehen müssen, die ganz bewusst falsche Angaben gemacht haben oder die kriminell sind (damit meine ich jetzt nicht Schwarzfahrer oder die, die falsche Angaben machen, wohlwisssend daß sie sonst keine Chance haben). Aber die Möglichkeiten dafür gab es schon und gibt es. Dafür muss man keine neuen Regeln erfinden.

    Wir Europäer sind immer so stolz auf unsere Werte. Das können wir auch, denn wir haben das Glück seit vielen Jahren in Frieden zu leben. Wir verlangen sie von Flüchtlingen (auch das ist RICHTIG), dann müssen wir sie aber auch selber leben. Dazu bedarf es letztlich einer europäischen Lösung. Da kann Deutschland eine Vorreiter-Rolle übernehmen und die EU weltweit.

  4. President Obama sagt:

    Wer Flüchtling ist, ist definiert. Zunächst durch die Genfer Flüchtlingskonvention. Darauf baut auch die Prüfung des Asylantrages auf. Wenn das BAMF keine Flüchtlingsanerkennung ausspricht und diese Entscheidung rechtskräftig ist, ist er de jure kein Flüchtling. Natürlich versteht die Allgemeint unter Flüchtling etwas anderes.

    Im Rahmen des Asylantrages werden auch immer Abschiebungshindernisse überprüft, nicht erst nach Ausstellung einer Duldung. Aber nach Ausstellung der Duldung können Abschiebungshindernisse trotzdem geltend gemacht werden.

    Die zitierte Entscheidung zu dem Bangladeshi würde ich ja gerne mal lesen. Sollte der Sachverhalt tatsächlich genauso wie beschrieben sein, halte ich das für eine Fehlentscheidung. Ich vermute aber das entweder ernstliche Zweifel an der Echtheit des Haftbefehls oder aber Zweifel an politischen Motiven für den Haftbefehl bestehen.

    Denn nur in diesem Zusammenhang macht der Hinweis auf innerstaatliche Fluchtalternativen Sinn. Keinesfalls glauben kann ich, dass irgendein deutsches Gericht wortwörtlich zum Untertauchen mit falscher Identität aufruft.

    Menschenwürde und ausreisepflicht widersprechen sich nicht. Die Frage ist vielmehr, ob die Person durch Abschiebung oder Ausreise menschenunwürdig behandelt wird. Auch hierfür gibt es de jure Regelungen, die sich seit vielen Jahrzehnten in der Summe bewährt haben.

    Was die Durchsetzung des Ausreisepflicht angeht, so sind diese eben nicht ausreichend, da zahlreiche vollziehbar Ausreisepflichtige eben nicht abgeschoben werden können.

    Und es ist eben nichtnzwangsläufig so, dass Frauen die zurück nach Italien geschickt werden, in jedem Falle in der Prostitution landen. Darauf achten die Gerichte penibel. Erst wenn der Schaden für die Person weitestgehend ausgeschlossen werden kann, wird die Überführung rechtlich ermöglicht. Zahlreiche Überstellungen sind von den Verwaltungsgerichten gestoppt word n. Aber eben nicht alle und nicht der Großteil.

  5. Gerrit sagt:

    Pardon bitte, aber diese Diskussion artet in eine Wortklauberei über den Begriff „Flüchtling“ aus. Und das wird dem eigentlichen Problem und den betroffenen Menschen in keiner Weise gerecht. Und es geht auch am Kern des obigen Artikel vorbei. Ich kann diesem Artikel nur zustimmen.

    Ich habe nicht geschrieben, daß ein deutsches Gericht den jungen Mann aus Bangladesch zum abtauchen mit falscher Identität aufgerufen hat. Das ist schon wieder so eine Tatsachenverdrehung.
    Vielmehr war es Teil der Begründung des negativen Bescheid’s durch das BAMF … und das ist KEIN deutsches Gericht! Und auch das BAMF hat „nur“ innerstaatliches Untertauchen als Möglichkeit angeführt. Die logische Konsequenz aus einer solchen Begründung wäre aber eine andere (falsche) Identität, wie sonst will man abtauchen?

    Und nochmals: Wird ein Asylantrag in der Formulierung „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, werden Betroffene nach kurzer Zeit in’s zuständige Ausländeramt geladen. Dort erfolgt eine sogenannte „PEB-Belehrung“. Die Aufenthaltsgestattung wird eingezogen bzw. i.d.R. mit einem roten Balken versehen und trägt u.a. den Zusatz „Aussetzung der Abschiebung“. Diese Menschen sind trotzdem ausreisepflichtig. Sie können zwar klagen beim zuständigen VG. Diese Klage hat aber keine aufschiebende Wirkung, sofern nicht gleichzeit ein entsprechender Eilantrag gestellt wird und diesem auch vom VG zugestimmt wird.

    Und diese Menschen sollen dann keine Flüchtlinge mehr sein – das ist grotesk!

    Und auch nochmals: Es gibt sehr viele negative BAMF-Entscheidungen hinsichtlich Asylanträgen oder DUBLIN, die anschließend von den VG’s kassiert wurden. Die tausendfachen angeblich falschen Bescheide des Bremer BAMF haben sich „in Luft aufgelöst“ etc. etc.

    Erst war ein Betroffener also Flüchtling.

    Dann, weil negativer Bescheid, war er (oder sie) was ???

    Dann, nach Urteil des VG, wieder Flüchtling … merken sie, wie absurd diese Diskussion ist? Wir reden hier von Menschen.

    Ich habe auch NICHT gesagt, daß Frauen, die zurück nach Italien geschickt werden, zwangsläufig „in jedem Fall in der Prostitution landen“.
    Die Gefahr besteht. Dazu gibt es genug Berichte in seriösen Medien.
    Unsere Gerichte können das nur minimal im Rahmen ihrer Möglichkeiten (und nicht penibel) beachten, da die deutsche Gerichtsbarkeit an der deutschen Grenze endet. Man geht stillschweigend davon aus, daß Italien ein EU-Land ist und dort asyltechnisch bestimmte Standards herrschen.
    Ich will aber nicht nur auf Italien schimpfen. Denn es gibt ja auch ein anderes Italien (neben „Herrn“ Salvini); siehe nur die Berichterstattung über die Menschen von Lampedusa und deren Hilfsbereitschaft und vielen anderen Italienerinnen und Italienern.

    Fakt ist und bleibt: Diese Menschen sind Flüchtlinge, egal in welchem aktuellen „Asyl-Zustand“ sie sich befinden. Mit dieser Tatsache muß verantwortungsvoll und menschenwürdig umgegangen werden.

    Es verbietet sich, eine evtl. Lösung an Begrifflichkeiten festzumachen.
    Lösungen sind gefragt, verantwortungsbewusste und kurzfristige Lösungen … und das wollte der o.a. Artikel zum Ausdruck bringen verbunden mit der Sorge, daß doch wieder nur „rumgeeiert wird“
    Daß diese Sorge berechtigt ist, zeigen die Entscheidungen der europäischen Innenminister verg. Donnerstag in Helsinki. Man hat es auf Anfang September verschoben. Lt. einer traurigen Statistik sterben täglich 3 Menschen im Mittelmeer; also bis September noch weitere rd. 130 Menschen ??? Wieviel noch, bis man eine Lösung findet???

    Und ob dann eine Lösung erreicht wird, ist auf Grund gemachter Erfahrungen zumindest zweifelhaft. Lt. Spiegel ist sich Herr Seehofer zwar ziemlich sicher, daß es so kommt. Das war er aber auch im verg. Jahr hinsichtlich eines Abkommens mit Italien („Herrn“ Salvini) – ein Abkommen, das bis heute nicht unterzeichnet ist.

    Und wenn Abschiebungen scheitern, dann liegt das oftmals an fehlenden Papieren aus den Heimatländern. Daran ändern auch deutsche Gesetze nichts.

    Aber nochmals: Es geht hier um Menschen. Es geht darum Fluchtursachen zu ergründen und diese -soweit möglich- zu beheben (fairer Handel, Bildung uvm). Es geht um verantwortungsbewussten Umgang mit diesen Menschen, ohne sie zu drangsalieren oder per Gesetz und Verordnungen oder Bezeichnung in eine Position zu drängen, die nicht nur falsch sondern auch menschenunwürdig ist. Es darf keine Angst- und Droh-Kulisse aufgebaut werden, die diese Menschen psychisch unter Druck setzt. Das bedeutet nicht automatisch, wie von manchen Gegnern unterstellt, daß Rechtsstaatlichkeit außer Kraft gesetzt wird.

    Aber es muss an dieser Stelle auch ganz klar gesagt werden, daß Recht nicht immer gleichbedeutend mit richtig ist. Und dazu gehört eben auch dieses „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ – auch eine Einschätzung vieler seriöser Verbände und kirchlicher Organisationen.

    Wer die Beratungen im Bundestag objektiv verfolgt hat, konnte feststellen, daß selten so viel Dummheiten und halbgare Tatsachen erzählt wurden.

    Als besonders krasses Beipiel in unserer eigenen Geschichte… (und ich betone AUSDRÜCKLICH, daß ich Befürworter der härteren Linie NICHT mit dieser Zeit in Zusammenhang bringen will. Das steht mir nicht zu. Aber manchmals braucht’s ein krasses Beispiel, um zu verstehen. Also bitte, bitte nicht angegriffen fühlen) … das wären u.a. die Nürnberger Gesetze. Mit eben diesen Gesetzen haben die Nationalsozialisten 1935 ihre wahnsinnige Rassenideologie juristisch zementiert. Viele Kriegsverbrecher konnten sich nach 1945 auf diese Gesetze berufen und sind ungestraft davon gekommen.

    Heute wissen wir, daß diese Gesetze falsch waren, menschenverachtend und nur einem bestimmten Zweck dienten. Auch hier wurde eine Gruppe von Menschen in eine Situation gedrängt, quasi per Gesetz entrechtet, die nicht richtig war.

    Beispiele dieser Art, verteilt über die ganze Welt, gibt es genug.

    Wir in Deutschland oder wir in Europa müssen daraus lernen. Wir können leider nicht allen Menschen dieser Welt, denen es schlecht geht, helfen. Aber wir können, nein wir müssen mit denen, die zu uns kommen, menschenwürdig umgehen (Grundgesetz) und all unsere Möglichkeiten nutzen, um Fluchtursachen zu beseitigen. Dann, und erst dann können wir uns selbst in die Augen sehen!!!

    Und wenn man diesen Artikel

    https://www.welt.de/politik/fluechtlinge/article196811923/Handelsschifffahrt-Reeder-aendern-Routen-um-nicht-auf-Fluechtlingsboote-zu-treffen.html?utm_source=pocket-newtab

    liest, fragt man sich, wie weit ist es mit uns gekommen. Einer evtl. möglichen Rettung wird aus dem Weg gegangen, weil man Angst haben muss, kriminalisiert zu werden. Meine Hochachtung vor all denen, die es trotzdem tun!!!